15. August 2024
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Der Name des einstigen kolumbianischen Drogenbarons „Pablo Escobar“ darf in der EU nicht als Marke eingetragen werden. Nach Auffassung des EuG wird der Name „Pablo Escobar“ von den maßgeblichen Verkehrskreisen mit Verbrechen und Leid in Verbindung gebracht und verstößt damit gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten (EuG, Urteil vom 17.4.2024, T-255/23).
Im September 2021 meldete die Escobar Inc. – als offizielle Holdinggesellschaft Inhaberin und Verwalterin der IP-Rechte in Bezug auf Pablo Escobar, 1984 von seinem Bruder Roberto Escobar gegründet - in der EU die Wortmarke „Pablo Escobar“ für eine Vielzahl an Waren und Dienstleistungen an. Der 1993 getötete Pablo Escobar war Gründer und langjähriger Anführer des sog. Medellín-Kartells und gilt als einer der bekanntesten Drogenbarone in der Geschichte Kolumbiens. Durch den groß angelegten Drogenhandel wurde er zu einem der reichsten Menschen seiner Zeit und soll für den Tod und die Verletzung Tausender Menschen verantwortlich sein. Pablo Escobar wird daher bis heute als einer der mächtigsten und brutalsten Drogenbosse angesehen.
Mit der Anmeldung der Unionsmarke wollten seine Erben über die Escobar-Gesellschaft mit Sitz in Puerto Rico die angeblich weit verbreitete widerrechtliche Nutzung des Namens unterbinden. Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) lehnte die Anmeldung jedoch wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten ab (Art. 7 Abs. 1 lit. f Unionsmarkenverordnung (UMV)) und begründete dies mit einem Widerspruch zu den Grundwerten der EU, insbesondere Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit und Solidarität sowie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
Das EuG wies nun die gegen diese Entscheidung des EUIPO gerichtete Klage zurück und bestätigte die fehlende Schutzfähigkeit der Marke.
Auch nach Auffassung des EuG verstößt die angemeldete Marke gegen die Grundwerte und moralischen Normen, die in der spanischen Gesellschaft vorherrschen. Denn der Name „Escobar“ sei gerade den spanischen Verbrauchern wegen der historischen Verbindung zu Kolumbien besonders vertraut. Ein zumindest nicht unerheblicher Teil der maßgeblichen Verkehrskreise werde die Marke dabei mit Pablo Escobar assoziieren, der als Symbol eines Drogenbarons und Drogenterroristen wahrgenommen werde. Damit werde die angemeldete Marke direkt mit den Verbrechen in Verbindung gebracht, die vom Medellín-Kartell begangenen oder direkt Pablo Escobar zugeschrieben werden.
Darüber hinaus könne die Marke von einer Vielzahl von Verbrauchern als Verharmlosung des verursachten Leids empfunden werden. Dieses Leid könne nach Auffassung des EuG auch nicht durch eine Wohltätigkeit des Medellín-Kartells oder die Rolle als „Robin Hood“, die viele Kolumbianer Pablo Escobar zuschreiben würden, beseitigt werden. Genauso wenig könne berücksichtigt werden, ob Escobar inzwischen zu einer mythischen Figur der Popkultur geworden sei, nicht zuletzt wegen der erfolgreichen TV-Serie „Narcos“. Dem EuG zufolge verbinden die spanischen Verbraucher den Namen Pablo Escobar mit Drogenhandel und Terrorismus und den daraus resultierenden Verbrechen und Leid, nicht jedoch mit seinen Wohltaten für die Armen in Kolumbien.
Zu Recht stelle das EUIPO zudem auf die Entscheidung in der Sache „La Mafia se sienta a la mesa“ ab (EuG, Urteil vom 15.03.2018, T-1/17). In diesem Fall wollte eine Restaurantkette den Namen, übersetzt als „Die Mafia setzt sich an den Tisch“, u.a. für Verpflegungsdienstleistungen als Marke eintragen lassen. Das EUIPO gab dem gegen diese Marke gerichteten Nichtigkeitsantrag statt, was vom EuG bestätigt wurde. Die Begründung des EuG: Die Marke verstoße gegen die öffentliche Ordnung. Sie weise auf eine kriminelle Organisation hin, die für besonders schwerwiegende Verstöße gegen die öffentliche Ordnung verantwortlich sei. Die kriminellen Aktivitäten der Mafia stellten eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit im gesamten Unionsgebiet dar. Die möglicherweise positive Wahrnehmung aufgrund der Verbindung zur Filmreihe „Der Pate“ sei dabei unerheblich.
Ähnlich wie bei der Zurückweisung der Marke „La Mafia se sienta a la mesa“ bestätigte das EuG im aktuell entschiedenen Fall, dass der Verstoß gegen die öffentliche Ordnung aus der Perspektive eines europäischen Bürgers mit einem normalen Maß an Sensibilität und Toleranz bestimmt werde. Die Wahrnehmung der Mehrheit der maßgeblichen Verkehrskreise sei dabei genauso unerheblich wie die Wahrnehmung derjenigen Teile dieser Verkehrskreise, die entweder schwer zu schockieren seien oder sich im Gegenteil sehr leicht beleidigt fühlten. Es komme damit insbesondere nicht darauf an, dass die Bezeichnung eine Beleidigung gerade für die Opfer und ihre Familien darstelle.
Das EuG betonte zudem, dass durch die Zurückweisung des Antrags auf Markeneintragung kein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung gemäß Art. 48 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) vorliege. Danach gilt jeder Angeklagte bis zum rechtsförmlich erbrachten Beweis seiner Schuld als unschuldig. Die öffentliche Wahrnehmung Escobars als Symbolfigur des organisierten Verbrechens basiere zwar nicht auf einer rechtskräftigen Verurteilung. Durch das von Medien, Literatur und Filmen geprägte Bild werde er aber als Kopf einer kriminellen Organisation gesehen, die für zahlreiche Straftaten verantwortlich gemacht wird. Trotz des Fehlens eines formellen Schuldspruchs werde Escobar daher unmittelbar mit dem dadurch verursachten Leid in Verbindung gebracht.
Art. 7 Abs. 1 lit. f UMV schließt Marken von der Eintragung aus, die gegen die öffentliche Ordnung bzw. die guten Sitten verstoßen. Die Begriffe „öffentliche Ordnung“ und „gute Sitten“ sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die verschiedene Wertungen seitens der Ämter und Gerichte zulassen. Bei einem möglichen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung und/oder die guten Sitten sollte daher im Vorfeld der Anmeldung geprüft werden, womit das Zeichen assoziiert werden kann. Entscheidend ist, ob ein beachtlicher Teil der Verkehrskreise, die dem Zeichen begegnen können, dessen Verwendung als anstößig betrachtet. Zu beachten sind dabei auch die besonderen Umstände, insbesondere sprachliche, kulturelle und historische Hintergründe, wie der Fall „Pablo Escobar“ zeigt.
Letztlich ist es aber wie so oft eine Frage des Einzelfalls. Nicht jeder Name, der bestimmte negative Assoziationen hervorrufen kann, ist als Marke ungeeignet. Gerade der Vergleich mit anderen, bereits eingetragen Unionsmarken – wie Bonnie und Clyde, Al Capone oder Che Guevara – zeigt, dass die Entscheidungen sehr unterschiedlich ausfallen können. Jedenfalls scheint es nicht ausgeschlossen, dass der anstößige Charakter der jeweiligen Person im Lauf der Zeit – nicht zuletzt durch die Darstellung in der Popkultur – abnehmen kann.
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