21. August 2024
Newsletter Marke Design Wettbewerb August 24 – 3 von 9 Insights
Nachdem der BGH am 27. Juni 2024 in seiner Grundsatzentscheidung zur Werbung mit der Aussage „klimaneutral“ die Anforderungen an produktbezogene Werbung mit umweltbezogenen Aussagen deutlich verschärft hat (siehe dazu unser Insight hier), liegt nun ein erstes instanzgerichtliches Urteil vor, das die vom BGH aufgestellten Grundsätze anwendet: Das Landgericht Hamburg untersagte mit Urteil vom 9. August 2024 (Az. 315 O 9/24) TUI Cruises, im Internet mit dem Green Claim "2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net zero)" zu werben.
Der entscheidende Punkt: Anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall geht es hier nicht um eine unmittelbare produktbezogene Werbung, sondern um eine Aussage über eine künftige Umweltleistung. Das Urteil verdient daher besondere Beachtung.
Der Reise- und Kreuzfahrtkonzern TUI Cruises warb auf seiner Internetseite mit dem Versprechen „2025 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net-zero)“ wie folgt:
Dagegen klagte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) mit der Begründung, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher irregeführt würden: Der von TUI Cruises aufgeführte Maßnahmenkatalog reiche nicht aus, um die Verbraucherinnen und Verbraucher ausreichend darüber aufzuklären, wie das ausgegebene Ziel realistischerweise erreicht werden könne. Insbesondere sei die Angabe, man wolle ab 2050 „LNG“ nutzen, irreführend, da sich mit fossilem LNG kein dekarbonisierter Kreuzfahrbetrieb erreichen lasse. Dass möglicherweise nur aus erneuerbaren Energien gewonnenes LNG gemeint gewesen sei, sei für die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht erkennbar gewesen.
Das LG Hamburg schließt sich im Ergebnis der Auffassung der DUH an und untersagt TUI Cruises die beanstandete Werbung. Es hält die Aussage „2025 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net-zero)“ für mehrdeutig und mangels ausreichender Erläuterung bzw. Aufklärung für irreführend.
Das Gericht übernimmt in seiner Entscheidung die jüngst vom BGH in seiner „klimaneutral“-Grundsatzentscheidung vom 27.06.2024 (Az. I ZR 98/23) statuierten, äußerst strengen Anforderungen an produktbezogene Umweltwerbung und überträgt diese dann auch auf unternehmensbezogene Werbung mit künftigen Umweltleistungen und -zielen. Auch letztere könnten Auswirkungen auf die gegenwärtige Verbraucherentscheidung haben und daher unterlägen auch diese einer strengen Bewertung.
Das Landgericht betont zunächst in Anlehnung an das „klimaneutral“-Urteil des BGH, dass im Bereich der umweltbezogenen Werbung eine Irreführungsgefahr besonders groß sei. Es gebe daher ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen. Fehlten entsprechende aufklärende Hinweise in der Werbung oder seien sie nicht deutlich sichtbar herausgestellt, bestehe in besonders hohem Maße die Gefahr, dass irrige Vorstellungen über die Beschaffenheit der angebotenen Ware (oder Dienstleistung) hervorgerufen würden, die die Kaufentscheidung beeinflussten.
Dem Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise werde TUI Cruises nach Auffassung der Hamburger Richter nicht gerecht: Zunächst sei die Aussage „2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net-zero)“ mehrdeutig, da sie sowohl als vollständige Vermeidung von CO2-Emissionen als auch im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz unter Zuhilfenahme von Kompensationsmaßnahmen verstanden werden könne. Das in der Roadmap dargestellte Maßnahmenbündel trage aus zweierlei Gründen nicht zur Aufklärung bei:
Zum einen erwecke die Maßnahme „Nutzung von LNG für Dual-Use-Schiffe“ den irrtümlichen Eindruck, TUI Cruises plane, im Jahr 2050 einen dekarbonisierten Kreuzfahrtbetrieb trotz der weiteren Verwendung von fossilem LNG zu erreichen. Ohne den Zusatz „E“ oder „Bio“ sei für den Verbraucher nicht erkennbar, dass damit E-LNG, also aus erneuerbarer Energie gewonnenes LNG gemeint sei.
Zum anderen werde das Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise auch deshalb nicht befriedigt, weil Kompensationsmaßnahmen als wesentlicher Baustein zur Erreichung eines „dekarbonisierten“ Kreuzfahrtbetriebs ab dem Jahr 2050 in dem Maßnahmenkatalog keine Erwähnung finden. Der Zusatz „net-zero“ reiche hier nicht aus, da dieser Begriff nicht derart bekannt sei, dass der überwiegende Anteil der angesprochenen Verkehrskreise ihn als Hinweis darauf verstehe, dass weitere Kompensationsmaßnahmen erforderlich seien. Die unter der Roadmap angebrachte Erläuterung zu „net zero“ sei nicht geeignet, zu einer entsprechenden Aufklärung beizutragen.
Die Entscheidung ist für Unternehmen ein unmissverständlicher Hinweis darauf, dass das Werben mit künftigen Umweltleistungen und -zielen nicht erst ab Geltung der neuen EU-Richtlinien EmpCo und Green Claims (siehe dazu unser Insight hier) besonders gefährlich sein wird.
Spätestens mit Geltung der EmpCo-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2024/825) ab Herbst 2026 sind Umweltaussagen in Bezug auf künftige Umweltleistungen nämlich nur noch erlaubt, wenn sie:
Angesichts der Entscheidung des LG Hamburg sind Unternehmen aber gut beraten, ihre Werbung mit künftigen Umweltleistungen schon jetzt eindeutig und unmissverständlich zu fassen, transparent zu erläutern und bestenfalls schon jetzt an die Vorgaben der EU anzupassen.
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