24. März 2022
Wird eine Marke mit einem Antrag auf Erklärung des Verfalls, z.B. durch einen Mitbewerber, angegriffen, ist es für den Markeninhaber von entscheidender Bedeutung, dass er die ernsthafte Benutzung seiner Marke in einem Zeitraum von fünf Jahren vor Stellung des Verfallsantrags nachweisen kann. Die Nachweise müssen die Benutzung der Marke für die eingetragenen Waren und Dienstleistungen zweifelsfrei belegen können.
Das EuG hatte jüngst Gelegenheit, sich ausführlich mit den Anforderungen an derartige Benutzungsnachweise auseinander zu setzen (EuG, Urt. v. 09.02.2022 – Rs. T-520/19 – HEITEC). Gegenstand der Entscheidung ist die Wortmarke „HEITEC“, bezüglich derer ein Wettbewerber – die Hetec Datensysteme GmbH – einen Antrag auf Erklärung des Verfalls gemäß Art. 51 Abs. 1 Buchst. a GMV (jetzt Art. 58 Abs. 1 Buchst. a UMV) gestellt hat mit der Begründung, die Marke sei innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Europäischen Union nicht ernsthaft benutzt worden. Sowohl die Nichtigkeitsabteilung als auch die Beschwerdekammer waren zu der Auffassung gekommen, dass die vom Markeninhaber vorgelegten Nachweise die ernsthafte Benutzung der Marke nicht belegen konnten und erklärten die Marke „HEITEC“ daher wegen Nichtbenutzung für verfallen.
Das EuG bestätigt dies mit Urteil vom 09.02.2022: Die seitens der Markeninhaberin vorgelegten Benutzungsnachweise seien zum einen nicht innerhalb der gesetzten Frist eingereicht worden. Zwar könne die Beschwerdekammer auch verspätet vorgebrachte Nachweise im Rahmen eines ihr eingeräumten Ermessens grundsätzlich berücksichtigen. Weder die rechtzeitig, noch die verspätet vorgebrachten Nachweise seien aber geeignet gewesen, die ernsthafte Benutzung der Marke für die eingetragenen Waren und Dienstleistungen im relevanten Zeitraum nachzuweisen.
Die Feststellungen des EuG sind in mehrfacher Hinsicht für die Praxis bedeutend:
Das EuG stellt zunächst klar, dass die Frist, die das EUIPO (hier konkret die Nichtigkeitsabteilung) für die Erbringung der Benutzungsnachweise setze, zu unterscheiden sei von der Frist, die dem Markeninhaber für die Äußerung zur Stellungnahme der Gegenpartei gesetzt werde. Eine Verlängerung der letztgenannten Frist habe keine Auswirkungen auf die Frist für die Erbringung des Benutzungsnachweises, sodass entsprechende Unterlagen, die zwar innerhalb der für die Stellungnahme, aber nach Ablauf der für die Einreichung von Benutzungsnachweisen gesetzten Frist dem Amt vorgelegt werden, als verspätet anzusehen sind.
Ausführlich geht das EuG weiter auf die Frage der Berücksichtigung verspätet vorgebrachter Nachweise ein. Es stellt klar, dass das EUIPO dabei einen weiten Ermessenspielraum habe: Nach dem Wortlaut des Art. 95 Abs. 2 UMV „brauche“ das Amt Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen. Daraus folge, dass die Beteiligten zwar auch dann noch Tatsachen und Beweismittel vorbringen können, wenn die für dieses Vorbringen geltenden Fristen abgelaufen sind. Andererseits ergebe sich aus diesem Wortlaut ebenso eindeutig, dass ein verspätetes Vorbringen keinen „bedingungslosen Anspruch“ darauf verleihen könne, dass diese vom EUIPO noch berücksichtigt werden. Das der Beschwerdekammer eingeräumte Ermessen werde durch die zwei kumulativen Voraussetzungen des Art. 27 Abs. 4 der Delegierten Verordnung 2018/625 begrenzt: Tatsachen oder Beweismittel, die der Beschwerdekammer im Beschwerdeverfahren zum ersten Mal vorgelegt werden, darf sie nur dann berücksichtigen, wenn diese (1) auf den ersten Blick für den Ausgang des Falls von Relevanz scheinen und (2) aus berechtigten Gründen nicht fristgemäß vorgelegt wurden, insbesondere, wenn sie fristgemäß vorgelegte einschlägige Tatsachen und Beweismittel lediglich ergänzen.
Im vorliegenden Fall erfüllten die verspätet vorgelegten Nachweise diese Voraussetzungen nicht: So seien Deckblätter von Werbebroschüren vorgelegt und nur handschriftlich datiert worden, ohne Bestätigung dieser Datierungen durch andere Nachweise. Darüber hinaus enthielten die Dokumente keine konkreten Angaben, welche Waren und Dienstleistungen unter der angegriffenen Marke angeboten worden seien. Die verspätet vorgelegten Nachweise seien daher nicht „auf den ersten Blick für den Ausgang des Falles von Relevanz“. Es sei aber, so die entscheidende Feststellung des EuG, Sache der Klägerin, die Relevanz der verspätet vorgebrachten Beweismittel klar, präzise und eindeutig zu erläutern.
Praxistipp: Dies ist zugleich der entscheidende Hinweis für die Praxis: Kann ein Markeninhaber ergänzende Benutzungsnachweise erst im Beschwerdeverfahren vorbringen, müssen diese so klar und eindeutig bezeichnet und mit den einschlägigen Waren und Dienstleistungen in Verbindung gebracht werden, dass deren Relevanz für den Ausgang des Falls „auf den ersten Blick“ deutlich wird.
Schließlich ließ das EuG aber auch die von der Markeninhaberin im Verfahren rechtzeitig vorlegten Benutzungsnachweise nicht für den Nachweis einer ernsthaften Benutzung im relevanten Zeitraum genügen. Vorgelegt hatte sie neben zwei Handelsregisterauszügen und der Eintragungsurkunde der Marke diverse Rechnungen, drei Ausgaben von Firmenzeitschriften, eine Broschüre sowie einen Auszug aus der Website mit der Domain www.heitec.de.
Eine Marke wird nach der Rechtsprechung des EuGH ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion, die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren, benutzt wird. Symbolische Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen, reichen nicht aus. Die Ernsthaftigkeit der Benutzung der Marke ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu prüfen, die die tatsächliche geschäftliche Verwertung der Marke belegen können. Der Nachweis der Benutzung einer Marke muss Angaben zu Ort, Zeit, Umfang und Art der Benutzung der Marke umfassen und beschränkt sich grundsätzlich auf die Vorlage von Urkunden und Beweisstücken, wie Verpackungen, Etiketten, Preislisten, Kataloge, Rechnungen, Fotografien, Zeitungsanzeigen und auf die in Art. 97 Abs. 1 Buchst. f UMV genannten schriftlichen Erklärungen.
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung hat das EuG zunächst die Handelsregisterauszüge sowie die Eintragungsurkunde der Marke „als ihrer Natur nach ungeeignet“ erachtet, eine ernsthafte Benutzung der Marke zu belegen, da sie nicht erkennen ließen, ob die angegriffene Marke tatsächlich benutzt worden sei. Die in den drei aus dem relevanten Zeitraum stammenden Rechnungen abgerechneten Waren und Dienstleistungen seien für einen uneingeweihten Dritten nicht verständlich, sodass sie ohne weitere Erklärungen nicht speziell mit Waren oder Dienstleistungen, für die die angegriffene Marke eingetragen ist, in Verbindung gebracht werden könnten. Den vorgelegten Kundenmagazinen könne nicht entnommen werden, ob und in welchem Umfang die beschriebenen geschäftlichen Aktivitäten tatsächlich unter der angegriffenen Marke erfolgten. Die wiederholte Nennung von „Heitec“ darin beziehe sich auf die Firma, also den Namen der Klägerin, nicht aber auf die angegriffene Marke. Schließlich seien die in den Magazinen verwendeten Beschreibungen für die Tätigkeit der Klägerin so weit und allgemein gefasst, dass sie nicht klar und präzise erkennen ließen, für welche Waren und Dienstleistungen die angegriffene Marke benutzt wurde. Auch die Broschüre sowie die Auszüge aus dem Internetauftritt stellten keine hinreichenden Benutzungsnachweise dar, da auch hier der Name „Heitec“ als Firma und nicht als Marke in Bezug auf die genannten Waren und Dienstleistungen auftauche. Ein Nachweis der ernsthaften Benutzung der Marke sei nach alledem nicht erbracht und die Marke daher zurecht für verfallen erklärt worden.
Praxistipp: In der Praxis sollten schon mit der Aufnahme der Benutzung einer Marke Benutzungsnachweise in Form von Verpackungen, Etiketten, Preislisten, Kataloge, Rechnungen, Fotografien, Zeitungsanzeigen etc. gesammelt werden, die nachweisbar und genau datiert werden können und einen eindeutigen Bezug zu den geschützten Waren und Dienstleistungen aufweisen.
Die Marke „HEITEC“ beschäftigt in anderem Zusammenhang derzeit auch den Bundesgerichtshof sowie den EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren (Vorlagebeschluss: BGH, Beschl. v. 23.07.2020, I ZR 56/19 – HEITEC II, beim EuGH als Rs. C-466/20 anhängig). Dabei ist die Inhaberin der Marke „HEITEC“ selbst Klägerin: Sie begehrt Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz wegen Verletzung ihrer Marke durch die Marke „Heitech“. Deren Inhaberin hält der Klägerin allerdings die Duldung ihrer Marke über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren entgegen. Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und den EuGH um Vorabentscheidung gebeten u.a. zur Frage, welche Handlungen seitens des Inhabers einer prioritätsälteren Marke erforderlich sind, um eine „Duldung“ im Sinne von Art. 54 Abs. 1 und 2 sowie Art. 111 Abs. 2 GMV zu beenden. Konkret fragt der BGH, ob hierfür auch ein außergerichtlicher Rechtsbehelf wie die Abmahnung ausreiche. In dem Verfahren vor dem EuGH hat der Generalanwalt am 13. Januar 2022 die Schlussanträge gestellt, sodass mit einer baldigen Entscheidung des Gerichtshofs zu rechnen ist. Folgt der EuGH der Auffassung des Generalanwalts, wird dies Auswirkungen auf die Praxis haben: Dann nämlich wäre klargestellt, dass nur die Einleitung eines Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens durch den Inhaber der älteren Rechte die Duldung beenden kann, eine Abmahnung innerhalb der 5-Jahres-Frist hingegen regelmäßig nicht ausreicht.
Ob die Inhaberin der Marke „HEITEC“ ihre im Verletzungsverfahren geltend gemachten Ansprüche noch wird durchsetzen können, ist allerdings fraglich, da die Marke wie dargestellt für verfallen erklärt wurde.