Co-Autor: Marvin Dinges
Nicht selten stellen sich Brands die Frage, ob man nicht das „Revival“ einer einstmals bekannten, mittlerweile vom Markt verschwundenen Marke feiern – und damit (neue) Umsätze generieren – könnte. Das verlockt vor allem dann, wenn die betreffende Marke seit vielen Jahren nicht mehr benutzt wurde und die Markenrechte des Inhabers zwischenzeitlich erloschen sind.
Mit einem solchen Fall betreffend die Marke „Nehera“ hat sich nun das europäische Gericht erster Instanz (EuG) beschäftigt (Urteil v. 06.07.2022, Rs. T-250/21) und in seinem Urteil wertvolle Leitlinien für die Annahme einer Bösgläubigkeit bei demjenigen, der eine „alte“ Marke neu anmeldet, aufgestellt.
Der Fall „Nehera“
In der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg war „Nehera“ eine von Jan Nehera ins Leben gerufene, bekannte Modemarke in der Tschechoslowakei. Nach 1946 wurde sie in Europa allerdings nicht mehr verwendet. Fast 70 Jahre später meldete ein Dritter, der keine familiären Beziehungen zu Jan Nehera bzw. dessen Nachkommen hatte, die EU-Marke Nr. 11794112

für Waren der Klassen 18, 24 und 25 an und verwendete sie fortan zur Kennzeichnung für Damenbekleidung.
Die einstige Bekanntheit der Marke sowie ihres Namensgebers war dem Anmelder bekannt. Laut eigener Aussage beabsichtigte er mit seiner Neuanmeldung sogar das „goldene Zeitalter der tschechoslowakischen Textilindustrie“ zu ehren und tätigte beachtliche Investitionen zur Wiederbelebung der streitgegenständlichen Marke.
Die Nachkommen Jan Neheras erhoben 2019 einen auf Bösgläubigkeit gestützten Nichtigkeitsantrag (Art. 59 Abs.1 lit. b Unionsmarkenverordnung (UMV)). Nach Zurückweisung durch die Löschungsabteilung des EUIPO und anschließender Stattgabe durch die zweite Beschwerdekammer des EUIPO hob das EuG die Nichtigkeitsentscheidung der Beschwerdekammer auf.
Marken-Revival: Wann trifft den Anmelder der Vorwurf der Bösgläubigkeit?
Das EuG verdeutlicht in seiner Entscheidung zu „Nehera“, dass das Schutzhindernis der Bösgläubigkeit im Einzelfall zu entscheiden und einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen ist. Für „Nehera“ stützte sich das Gericht im Wesentlichen darauf, dass eine Bösgläubigkeit bereits deshalb auszuschließen sei, weil die Marke bzw. der Name „Nehera“
- nicht mehr in Benutzung war,
- eine Restbekanntheit zum Anmeldezeitpunkt nicht mehr bestand (d.h. die Marke vollkommen in Vergessenheit gefallen war),
- und angesichts der eigenen, umfangreichen Investitionen auch kein „parasitäres“ Verhalten des Anmelders zu erkennen war.
Ausgehend davon lässt sich für Markenanmelder, die beabsichtigen, eine „vergessene“ Marke wiederzubeleben, die folgende Richtschnur aufstellen:
Aspekte, die gegen die Annahme einer Bösgläubigkeit sprechen:
- Es fehlt an einer Restbekanntheit („certain surviving reputation“) bzw. die ältere Marke ist beim adressierten Verkehr gänzlich in Vergessenheit geraten.
- Die bloße Kenntnis der alten Marke (und ihrer Restbekanntheit) schadet nicht.
- Die „alte“ Marke ist nicht mehr für den Inhaber oder einen seiner Rechtsnachfolger registriert (oder sonst geschützt) und wird auch nicht mehr benutzt (fehlende Kontinuität).
- Eigene finanzielle sowie ideelle Bemühungen führen dazu, dass die alte Marke überhaupt erst wieder Bekanntheit erlangt.
- Der Neuanmelder gibt sich nicht als Rechtsnachfolger der älteren bekannten Marke oder des damit in Verbindung stehenden Unternehmens bzw. Inhabers aus.
Aspekte, die für die Annahme einer Bösgläubigkeit sprechen:
- Es existiert ein gewisser Bekanntheitsgrad der älteren Marke, die selbst zum Anmeldezeitpunkt nicht fortbestehen muss. Eine Restbekanntheit bzw. eine Jahrzehnte zurückliegende Bekanntheit reicht aus, sofern weitere Aspekte hinzutreten.
- Kenntnis der älteren Marke (samt Restbekanntheit) und „parasitäres“ Verhalten durch das die Bekanntheit ausgenutzt werden soll.
- Erwecken des Eindrucks, dass es sich um eine Unternehmensnachfolge oder Fortführung der Markentradition (corporate identity) handelt.
- Verhinderungsabsicht von Mitbewerbern
Praxishinweis
„Revivals“ alter Marken und sog. Vintage-Branding sind grundsätzlich möglich. Wer also Hommage an eine in Vergessenheit geratene Marke zollen möchte oder zu Werbezwecken auf diese anspielt oder gar direkt Bezug nimmt, weist nicht zwingend eine böswillige Gesinnung auf. Dennoch sollte er die von der Rechtsprechung aufgestellten, vorstehend genannten Kriterien beachten und im Zweifel einen auf das Markenrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu Rate ziehen.
Dass ein „Marken-Revival“ für den Neu-Anmelder auch negativ ausgehen kann, zeigt etwa die Entscheidung der Löschungsabteilung des EUIPO (Entscheidung vom 06.06.2022, No. C 47 448 (Invalidity)) zum Fall „Hispano Suiza“ (eine ehemalige, bekannte Sportwagenmarke). Im Unterschied zu „Nehera“ gestand das Amt „Hispano Suiza“ noch eine (Rest-)Bekanntheit und damit auch rechtlichen Schutz zu. In der Gesamtbetrachtung mit anderen Kriterien schloss das Amt darauf, dass die Neuanmeldung (erkennbar) den Zweck verfolgte, die Reputation der Drittmarke auszubeuten. Die neu angemeldete Marke wurde daher gelöscht.