Co-Autorin: Laura Tibi
Am 24. April 2024 hat das Europäische Parlament den Trilog-Entwurf zur Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle („Verpackungs-VO-E“) angenommen. Die neue Verordnung wird die bisherige Richtlinie 94/62/EG („Verpackungsrichtlinie“) ablösen und ist ebenso wie die Ökodesign-Verordnung und die sog. Recht auf Reparatur Richtlinie Teil des Green Deals und des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft der Europäischen Union („EU“).
Ziel der Verpackungs-VO-E ist es, die Umweltauswirkungen von Verpackungen zu minimieren, die Wiederverwendung und das Recycling zu fördern, den Einsatz gefährlicher Stoffe zu minimieren und damit die Kreislauffähigkeit von Verpackungen sicherzustellen.
Mit der Annahme aller Abänderungen aus dem Trilog-Entwurf durch die Europäische Kommission am 8. August 2024 befindet sich das Gesetzgebungsverfahren nun auf der Zielgeraden.
Anwendungsbereich
Die Verpackungs-VO-E umfasst alle Arten von Verpackungen, unabhängig vom verwendeten Material. Ebenso gilt sie für alle Verpackungsabfälle unabhängig davon, ob diese Abfälle in der Industrie, in sonstigen Herstellungs-, Einzelhandels- oder Vertriebsunternehmen, in der Verwaltung, im Dienstleistungsbereich oder in Haushalten anfallen oder verwendet werden.
In persönlicher Hinsicht gilt sie für alle Wirtschaftsakteure, die Verpackungen in Verkehr bringen. Dazu zählen Erzeuger, Lieferanten von Verpackungen, Importeure, Vertreiber, Bevollmächtigte, Endvertreiber und Fulfillment-Dienstleister.
Was ändert sich gegenüber der Richtlinie?
Verordnung statt Richtlinie
Die Verpackungs-VO-E löst die Verpackungsrichtlinie 12 Monate nach ihrem Inkrafttreten (vermutlich Ende 2025/Anfang 2026) ab. In Deutschland wurde die Richtlinie durch das sog. Verpackungsgesetz („VerpackG“) umgesetzt. Im Gegensatz zur Richtlinie entfällt bei einer Verordnung grundsätzlich die Umsetzung in nationales Recht. Denn die Verordnung gilt ab ihrem Inkrafttreten unmittelbar in jedem EU-Mitgliedstaat. Es bleiben regelmäßig nationale Rumpfakte, die etwa Behördenzuständigkeiten und Sanktionen regeln.
Gesteigerte Nachhaltigkeitsanforderungen
Die Verpackungs-VO-E konkretisiert die Anforderungen an die Recyclingfähigkeit von Verpackungen. Verpackungen müssen künftig so gestaltet sein, dass sie am Ende ihrer Lebensdauer recycelbar sind. Dies beinhaltet die Verwendung von Materialien, die in den vorhandenen Recyclinginfrastrukturen effizient verarbeitet werden können sowie die mögliche Trennbarkeit des Abfalls (ohne dabei andere Abfallströme zu beinträchtigen).
Durch Erlass delegierter Rechtsakte legt die Kommission bis 1. Januar 2028 weitere Kriterien der recyclingorientierten Gestaltung fest.
- Begrenzung von bedenklichen Stoffen:
Wie schon aus dem VerpackG bekannt, muss die Konzentration bedenklicher Stoffe (insbesondere Blei, Cadmium, Quecksilber und sechswertigem Chrom) auf ein Mindestmaß beschränkt werden.
- Einsatz von Rezyklaten:
Kunststoffverpackungen müssen ab dem 1. Januar 2030 Mindestprozentsätze an recycelten Materialien enthalten, die aus Verbraucher-Kunststoffabfällen zurückgewonnen wurden (z.B. 30 % bei Einwegflaschen aus Kunststoff, 30 % bei kontaktempfindlichen Verpackungen mit Polyethylenterephthalat (PET) als Hauptbestandteil (ausgenommen Einweggetränkeflaschen) oder 10 % bei kontaktempfindlichen Verpackungen aus anderen Kunststoffmaterialien als PET (ausgenommen Einweggetränkeflaschen). Der Mindestwert von 30 % ist bereits im VerpackG vorgegeben, wenngleich dieses nur auf Einwegkunststoffgetränkeflaschen mit PET als Hauptbestandteil eingeht. Die Verpackungs-VO-E sieht jedoch eine Erhöhung dieser Mindestwerte bis 1. Januar 2040 vor.
- Minimierung von Verpackungen:
Die aus dem VerpackG bekannte allgemeine Pflicht, Verpackungsvolumen und -masse zu begrenzen, wird nun durch die Verpackungs-VO-E konkretisiert. Wirtschaftsakteure müssen hiernach sicherstellen, dass das Leerraumverhältnis bei Umverpackungen, Transportverpackungen oder Verpackungen für den elektronischen Handel 50 % nicht überschreitet. Zudem müssen Erzeuger bzw. Importeure sicherzustellen, dass der Materialeinsatz minimiert wird, ohne dabei die Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen.
Für Wirtschaftsakteure, die Produkte an Endvertreiber oder Endabnehmer in Umverpackungen, Transportverpackungen oder Verpackungen für den elektronischen Handel liefern, gilt eine Grenze von 40 %.
- Einwegverpackungen:
Ab dem 1. Januar 2030 werden erstmalig bestimmte Einwegverpackungen verboten. Dies umfasst beispielsweise Einwegverpackungen für:
- frisches Obst und Gemüse,
- Lebensmittel und Getränke (die in Räumlichkeiten von Gastgewerben befüllt und verzehrt werden),
- Einzelportionen im Gastgewerbe (die z.B. für Würzmittel, konservierte Lebensmittel und Soßen verwendet werden), sowie
- kleine Kosmetik-, Hygiene- und Toilettenartikel (z.B. Shampooflaschen oder Flaschen für Hand- und Körperlotion mit weniger als 50 ml Inhalt), die in Hotels genutzt werden.
Der jährliche Verbrauch von leichten Kunststofftragetaschen darf bis Ende 2025 40 Taschen pro Person nicht überschreiten.
- Kompostierbare Verpackungen:
Verschiedene Verpackungen wie z.B. Tee- und Kaffeebeutel, an Obst und Gemüse angebrachte Aufkleber oder sehr leichte Kunststofftragetauschen müssen erstmals kompostierbar sein.
- Wiederverwendbare Verpackungen:
Wiederverwendbare Verpackungen müssen, ebenso wie vom VerpackG vorgegeben, so gestaltet sein, dass sie mehrfach wiederverwendet oder wiederbefüllt werden können.
Wirtschaftsakteure, die solche Verpackungen in Verkehr bringen, müssen sicherstellen, dass ein Wiederverwendungssystem für diese Verpackungen vorhanden ist.
- Etikettierungs-, Kennzeichnungs- und Informationsanforderungen:
Wie bereits aus der Verpackungsrichtlinie bekannt, müssen Verpackungen mit einem Etikett versehen werden, welches Angaben über die Materialzusammensetzung enthält. Dies soll Verbrauchern die Mülltrennung erleichtern.
Außerdem müssen Verpackungen, die unter ein Pfand- und Rücknahmesystem fallen, mit einem Etikett versehen werden. Neben diesem nationalen Etikett legt die Kommission mittels Durchführungsrechtsakten ein harmonisiertes Farbetikett fest, welches zusätzlich angebracht werden kann, je nach Umsetzung der Verpackungs-VO-E in den Mitgliedstaaten angebracht werden muss.
Zudem müssen wiederverwendbare Verpackungen mit einem Etikett versehen werden, welches Benutzer darüber informiert, dass die Verpackung wiederverwendbar ist. Weitere Informationen über die Wiederverwendbarkeit von Verpackungen (z.B. über Rücknahmestellen) sind erstmals über einen QR-Code oder einen anderen standardisierten, digitalen Datenträger zur Verfügung zu stellen.
- Pfandsysteme:
Mitgliedstaaten müssen bis 1. Januar 2029 sicherstellen, dass mindestens 90 % der Einweggetränkeflaschen aus Kunststoff oder Metall getrennt gesammelt werden. Hierzu müssen die Mitgliedstaaten – wie in Deutschland bereits seit längerem etabliert und zuletzt durch das VerpackG weiterentwickelt - Pfand- und Rücknahmesysteme einrichten.
- Erweiterte Herstellerverantwortung:
Wie bereits nach der Einwegkunststoffrichtlinie bekannt, enthält die Verpackungs-VO-E Vorschriften zur erweiterten Herstellerverantwortung. Diese gilt für Hersteller, die Verpackungen erstmals in einem Mitgliedsstaat auf dem Markt bereitstellen. Hierzu haben sie eine Zulassung bei der zuständigen Behörde zu beantragen. Um die Einhaltung dieser Anforderungen zu überwachen, haben die Mitgliedstaaten ein Herstellerregister einzurichten. In Deutschland besteht ein solches bereits mit dem Verpackungsregister LUCID.
Ausblick
Bevor die Verpackungs-VO-E in Kraft tritt, muss der Entwurf vom Europäischen Rat formell gebilligt werden, was noch in diesem Jahr erwartet wird. Die Verpackungs-VO-E wird dann 12 Monate nach ihrem Inkrafttreten – also frühstens 2025 – in allen Mitgliedsstaaten der EU unmittelbar gelten. Trotz der teilweise langen Übergangsfristen sollten sich Wirtschaftsakteure frühzeitig mit ihren Pflichten auseinandersetzen und rechtzeitig Maßnahmen ergreifen, um die neuen Anforderungen zu erfüllen. Überdies empfiehlt es sich, die Entwicklung bezüglich der delegierten Rechtsakte zu verfolgen, da die Europäische Kommission durch diese Rechtsakte einzelne Pflichten konkretisieren wird und damit weitere Anpassungen erforderlich werden können.