Seit dem 28. Juni 2025 verpflichtet das auf dem sog. European Accessibility Act („EAA“) basierende Barrierefreiheitsstärkungsgesetz („BFSG") dazu, bestimmte Produkte wie Hardwaresysteme für Universalrechner für Verbraucher und E-Books sowie bestimmte Dienstleistungen, beispielsweise Bankdienstleistungen, Telekommunikationsdienste aber auch Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr barrierefrei zu gestalten.
Bestandsschutz
Vor dem 28. Juni 2025 in Verkehr gebrachte Produkte bleiben – wie aus dem herkömmlichen Produktrecht bekannt – grundsätzlich von den Anforderungen des BFSG ausgenommen.
Grandfathering – Bestandsschutz mit Ablaufdatum?–
Der als „Grandfathering Rule“ bekannte Grundsatz schränkt vorgenannten Bestandsschutz ein. Insbesondere dürfen
- vor dem 28. Juni 2025 geschlossene Verträge über Dienstleistungen bis zum 27. Juni 2030 fortbestehen,
- Selbstbedienungsterminals, die vor dem 28. Juni 2025 rechtmäßig zur Erbringung von Dienstleistungen eingesetzt werden, bis zum Ende ihrer wirtschaftlichen Nutzungsdauer, aber nicht länger als maximal 20 Jahre (in Deutschland sogar nur 15 Jahre) nach ihrer Ingebrauchnahme, weiter zur Erbringung vergleichbarer Dienstleistungen eingesetzt werden und
- Dienstleistungserbringer Produkte bis zum 27. Juni 2030 verwenden, die sie bereits vor dem 28. Juni 2025 zur Erbringung der Dienstleistung eingesetzt haben.
Die Grandfathering Rule adressiert damit de facto alle, die mit BFSG-relevanten Produkten bzw. Dienstleistungen in Berührung kommen. Solche Personen sind zwingend gehalten, zu prüfen, ob
- ihre Dienstleistungen bzw. die von ihnen zur Erbringung der Dienstleistung eingesetzten Produkte unter den Anwendungsbereich des BFSG fallen;
- die Produkte bereits vor dem 28. Juni 2025 in Verkehr gebracht worden sind und – entscheidend –
- ob das jeweilige Produkt bereits vor dem 28. Juni 2025 zur Erbringung der Dienstleistung eingesetzt wurde.
Klar ist außerdem: Die bis zum 27. Juni 2030 gewährte Übergangsfrist stellt keine allgemeine Schonfrist für unter das BFSG fallende Dienstleistungen dar! Seit dem 28. Juni 2025 müssen unter das BFSG fallende Dienstleistungen barrierefrei gestaltet sein. Dies gilt insbesondere für Webseiten und Apps im Onlinehandel mit Verbrauchern.
Die dargestellten Ausnahmen betreffen ausschließlich „bereits abgeschlossene Verträge" und Produkte, die die Dienstleistungserbringer „zur Erbringung der Dienstleistung eingesetzt“ haben. Offen bleibt, wann genau ein Produkt erstmals eingesetzt bzw. genutzt wurde – hier ist im Einzelfall abzuwägen und zu begründen.
Beispielsweise dürfen Banken, die zur Anlageberatung von Verbrauchern (eine BFSG-relevante Bankdienstleistung) vor dem 28. Juni 2025 nicht-barrierefreie Tablets (Hardwaresysteme für Universalrechner) einsetzten, auf denen die vertriebenen Finanzprodukte interaktiv erklärt werden, diese Produkte auch nach dem 28. Juni 2025 einsetzen.
Fazit: Handlungsbedarf für jedes Unternehmen
Die restriktiven Übergangsbestimmungen des BFSG zeigen, dass der Gesetzgeber das Ziel Barrierefreiheit bemerkenswert „ernst meint“. Menschen mit Behinderungen ist seit dem 28. Juni 2025 möglichst umfassender und gleichberechtigter Zugang zu alltäglichen Produkten und Dienstleistungen zu gewähren.
Für Unternehmen bedeutet dies, dass rechtssicher geklärt sein sollte, dass die betroffenen Dienstleistungen und Produkte BFSG-konform sind. Denn bei Verstößen gegen das BFSG drohen Vermarktungsverbote – sowohl für Produkte als auch für die Dienstleistungserbringung – sowie Bußgelder von bis zu EUR 100.000,00 pro Einzelfall. Zu erwarten ist außerdem, dass in kompetitiven Märken die BFSG-Konformität mit Argusaugen überwacht und ggf. wettbewerbsrechtlich durchgesetzt wird.