17. Januar 2024
Digital Services Act (DSA) - ein Überblick
Seit der Geltung des Digital Services Act (DSA) für die von der EU-Kommission am 25. April 2023 benannten sehr großen Online-Plattformen (VLOPs) hat sich viel getan. Themen wie Desinformation, Terrorismus und Hate Speech, insbesondere nach den Ereignissen vom 7. Oktober 2023, sowie die Sicherheit und Transparenz großer App Stores stehen im Fokus der Maßnahmen, welche die EU-Kommission zwischenzeitlich ergriffen hat. Aber auch die effektive Durchsetzung des DSA mit Hilfe moderner Technik wird zunehmend vorbereitet. Aus der Praxis der EU-Kommission ergeben sich wichtige Einblicke, auch für die künftige Anwendung kleinerer Unternehmen.
Denn ab dem 17. Februar 2024 wird der DSA auch auf viele digitale Diensteanbieter in der Europäischen Union (EU) bzw. mit einer wesentlichen Verbindung zur EU unterhalb der VLOP-Schwelle (~ 45 Mio. durchschnittlich monatlich aktive Nutzer) anwendbar sein. Dieser Artikel bietet einen Überblick über die bisherigen Entwicklungen und was kleinere Unternehmen daraus ableiten können.
Die EU-Kommission hat bereits frühzeitig Schwerpunkte bei der Anwendung des DSA gesetzt. Dieser Abschnitt bietet einen Überblick über die aktuellen DSA-Verfahren der EU-Kommission und die Herausforderungen, denen sich VLOPs gegenübersehen, insbesondere in den Bereichen Inhaltemoderation und Nutzerschutz.
Die EU-Kommission hat ein förmliches Verfahren gegen X eingeleitet. Der Fokus liegt auf möglichen Verstößen gegen die Inhaltemoderation, irreführende Benutzeroberflächen, die Werbetransparenz und den Datenzugriff für Forscher. Die EU-Kommission befürchtet Verstöße gegen Artikel 34 Absätze 1 und 2, Artikel 35 Absatz 1, Artikel 16 Absätze 5 und 6, Artikel 25 Absatz 1, Artikel 39 und Artikel 40 Absatz 12 DSA. Auch ein anderes Unternehmen wurde von der EU-Kommission befragt, wie es die Verbreitung illegaler Inhalte unterbindet, ist aber nicht Gegenstand eines Verfahrens.
Einige Diensteanbieter haben von der EU-Kommission Anfragen bezüglich der Sicherheitsmaßnahmen in ihren App Stores erhalten. Die EU-Kommission verlangt Informationen über die Identifizierung systemischer Risiken und die Einhaltung von Transparenzstandards. Die EU-Kommission untersucht damit die Einhaltung von Artikeln 26, 27, 30 ff. und 34 DSA.
Die EU-Kommission fordert bei einigen großen Online-Handelsplattformen Details zu deren Bemühungen im Hinblick auf Risikobewertungen, den Verbraucherschutz und den Vertrieb illegaler Produkte. Die EU-Kommission untersucht damit die Einhaltung von Artikeln 27 und 30 ff. DSA.
Mehrere große Diensteanbieter wurden von der EU-Kommission aufgefordert, Informationen zum Schutz Minderjähriger zu liefern. Sie müssen ebenfalls Maßnahmen zur Risikobewertung und -minderung bezüglich etwaiger Gefahren für die psychische und physische Gesundheit der Nutzer offenlegen. Die EU-Kommission untersucht damit die Einhaltung von Artikeln 28 und 34 DSA.
Eine detaillierte Aufstellung mit den aktuellen Verfahren gegen die VLOPs/VLOSEs kann auf der Webseite der EU-Kommission abgerufen werden. Diese Seite bietet einen Überblick über die von der EU-Kommission beaufsichtigten sog. Very Large Online Platforms (VLOPs) und Very Large Online Search Engines (VLOSEs) sowie die wichtigsten Durchsetzungsaktivitäten.
Kleinere Unternehmen (unterhalb der VLOP/VLOSE-Schwelle) sollten damit rechnen, dass sich auch die nationalen Behörden – vergleichbar mit dem Fokus der EU-Kommission – auf die Themen “Bekämpfung illegaler Inhalte”, “Bekämpfung illegaler Produkte”, “Transparenz von Werbung”, “Transparenz von Empfehlungssystemen” und “Jugendschutz” konzentrieren werden. Dazu ist etwa in Deutschland eine zentrale Beschwerdestelle bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) geplant. Und das Bundeskriminalamt (BKA) soll erhebliche Mittel erhalten, um illegale Inhalte verfolgen zu können.
Sobald die nationale Durchsetzungsstruktur für den DSA implementiert ist, könnte sich zudem das Vorgehen von Verbänden und Interessenvertretern gegen rechtswidrige Inhalte verschärfen. Denn neben den Behörden könnten dann auch privilegierte Vereinigungen, sog. “vertrauenswürdige Hinweisgeber” (~ “trusted flaggers”) (Artikel 22 DSA) auf den Plan treten. Deren Beschwerden müssen von den Diensteanbietern besonders schnell und mit Priorität behandelt werden. Des Weiteren besteht dann die Möglichkeit, dass von Behörden aus anderen EU-Mitgliedstaaten Anordnungen zum Vorgehen gegen rechtswidrige Inhalte (Artikel 9 DSA) erlassen werden, denen dann Folge zu leisten ist.
Insbesondere die Durchsetzung bestehender Regelungen ist eine Herausforderung, die auch die EU-Kommission alleine nicht bewältigen kann. Daher wurden wie im DSA vorgesehen erste Schritte ergriffen, damit die zuständigen Behörden in der EU besser zusammenarbeiten können, und die Überwachung zu automatisieren.
Die EU-Kommission hat die DSA-Transparenzdatenbank (Artikel 24 Absatz 5 DSA) eingeführt, die eine wesentliche Neuerung darstellt. VLOPs müssen nun Daten zu ihren Inhaltemoderationsentscheidungen in diese Datenbank einpflegen. Ab dem 17. Februar 2024 werden auch andere Online-Plattformen die Datenbank entsprechend befüllen müssen.
Die EU-Kommission hat zudem eine Datenbank für die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) digitaler Dienste lanciert. Diese Datenbank sammelt die AGB von Online-Plattformen und ermöglicht es Regulierungsbehörden und Forschern, Änderungen “in Echtzeit” zu verfolgen. Auch Online-Plattformen unterhalb der VLOP-Schwelle werden hier ab dem 17. Februar 2024 einbezogen sein.
Es wurden administrative Vereinbarungen mit nationalen Behörden wie der ACM (Authority for Consumers and Markets) in den Niederlanden getroffen, um die Durchsetzung des DSA zu unterstützen. Diese Kooperationen zielen darauf ab, Expertise zu entwickeln und den grenzüberschreitenden Informationsaustausch zu erleichtern.
Die Einführung des DSA hat für VLOPs bereits tiefgreifende Änderungen gebracht. Diese Entwicklungen bieten erste wichtige Einsichten auch für kleinere Diensteanbieter, die ab dem 17. Februar 2024 ebenfalls von diesen Regelungen betroffen sein werden. Die Transparenzdatenbanken, die für VLOPs bereits verpflichtend sind, könnten für solche Diensteanbieter eine zukünftige Herausforderung wie auch Chance darstellen. Sie ermöglichen die maschinelle Überprüfung von Inhaltemoderationsentscheidungen und AGB, was die private Rechtsdurchsetzung begünstigen könnte.
Die aktive und stringente Durchsetzungspraxis der EU-Kommission gegenüber VLOPs deutet auf eine wahrscheinlich kohärentere Anwendung der DSA-Regelungen in der gesamten EU hin. Dies, zusammen mit den Verwaltungsvereinbarungen zwischen der EU-Kommission und nationalen Behörden, signalisiert eine zunehmend vereinheitlichte Herangehensweise im Bereich des digitalen Marktaufsichtsrechts. Auch kleinere Unternehmen sollten sich daher auf eine verstärkte Überwachung und mögliche Anpassungen ihrer Geschäftspraktiken vorbereiten.
Sobald ab dem 17. Februar 2024 die nationalen Behörden und die “vertrauenswürdigen Hinweisgeber” bei der Durchsetzung des DSA aktiv werden können, dürfte es eine weitere Dynamik geben. Diese Entwicklungen unterstreichen die Bedeutung einer proaktiven Anpassung an die sich ändernden regulatorischen Anforderungen im digitalen Raum.
17. January 2024
von mehreren Autoren
15. December 2023
15. September 2023
von Philipp Koehler
Philipp Koehler and Thomas Walter look at the issues faced by many media companies when deciding whether or not they fall within scope of the EU’s Digital Services Act.
12. June 2023
23. February 2023
23. February 2023
23. February 2023
21. November 2022
von Debbie Heywood
Philipp Koehler und Gregor Schmid beleuchten die wichtigsten Aspekte des neuen EU-Gesetzes über digitale Dienste (Digital Services Act)
3. November 2022
Gregor Schmid and Philipp Koehler highlight the key elements of the incoming EU Digital Services Act.
19. September 2022
Adam Rendle looks at the differences and similarities in the approach of the EU and UK to online safety under incoming legislation.
19. September 2022
von Adam Rendle
Alexander Schmalenberger looks at the scope of the Digital Services Act, what it covers and who is caught.
19. September 2022
Johanna Götz looks at the DSA's approach to online intermediary responsibility for illegal content.
19. September 2022
von Dr. Johanna Götz
Alexander Schmalenberger looks at the main obligations on intermediaries (other than those relating to illegal content).
19. September 2022
Maarten Rijks and Annemijn Schipper look at the impact of the DSA on targeted advertising and the use of dark patterns and recommender systems.
19. September 2022
Sasun Sepoyan and Otto Sleeking look at the impact of Article 24c of the DSA.
19. September 2022
Elisa-Marlen Eschborn looks at the Member State enforcement provisions of the DSA.
19. September 2022
22. August 2022
von Elisa-Marlen Eschborn, LL.M. (Turin), Thanos Rammos, LL.M.
von mehreren Autoren
von mehreren Autoren
von Fritz–Ulli Pieper, LL.M. und Alexander Schmalenberger, LL.B.