Rabattaktionen, Treueprogramme, „Punkte sammeln“ – diesen und vielen anderen Aktionen begegnen Millionen deutscher Verbraucher täglich bei ihren Lebensmitteleinkäufen. Große Lebensmittelhändler bieten zudem oftmals eigene Apps an, mit denen Verbraucher z.B. gezielt nach Rabattaktionen suchen oder Punkte sammeln können.
Zuletzt stand das hauseigene Vorteilsprogramm von Lidl, das „Loyalty-Programm Lidl Plus“, im Fokus des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände - Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv). Konkret beanstandete der vzbv, dass Lidl keinen Preis für das Vorteilsprogramm nannte und es fälschlicherweise als „kostenlos“ bezeichnete. Denn Verbraucher übermittelten ihre personenbezogenen Daten als Gegenleistung an Lidl.
Konkret ging es um folgende Fragen:
- Verstößt Lidl gegen die Preisangabepflicht aus § 312d Abs. 1 i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB, weil Lidl den Verbrauchern keinen „Gesamtpreis“ für das Loyalty-Programm Lidl Plus nennt, obwohl Verbraucher als Gegenleistung der Nutzung des Programms ihre personenbezogenen Daten an Lidl bereitstellen?
- Ist die Bewerbung des Loyalty-Programm Lidl Plus in den Teilnahmebedingungen als „kostenlos“ unzulässig nach Nr. 20 Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG, weil Verbraucher als Gegenleistung ihre personenbezogenen Daten an Lidl bereitstellen?
Das OLG Stuttgart urteilte zugunsten von Lidl (Urteil vom 23. September 2025 – 6 UKl 2/25, nicht rechtskräftig) und stellte nun klar: Das „Bezahlen mit Daten“ erfordert keine Preisangabe, im Übrigen ist auch die Bezeichnung als „kostenlos“ nicht irreführend.
Die streitentscheidenden Normen Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB und Nr. 20 Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG
Bei Fernabsatzverträgen treffen Unternehmern eine Vielzahl von Informationspflichten. So sieht § 312d Abs. 1 S. 1 BGB u.a. vor, dass der Unternehmer den Verbraucher nach Maßgabe des Art. 246a EGBGB zu informieren hat. Art. 246a § 1 Abs. 1 enthält eine umfassende Liste der zwingenden Informationen, die der Unternehmer dem Verbraucher zur Verfügung zu stellen hat. Unter anderem ist der Unternehmer nach Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB verpflichtet, Verbrauchern „den Gesamtpreis der Waren oder der Dienstleistungen“ mitzuteilen.
Nach § 3 Abs. 3 UWG sind die im Anhang zu Abs. 3 UWG aufgeführten Handlungen gegenüber Verbrauchern stets unzulässig (sog. „schwarze Liste“). Nach Nr. 20 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ist die unwahre Bewerbung von Waren oder Dienstleistungen als kostenlos mit Bezeichnungen als „gratis“, „umsonst“, „kostenfrei“ oder ähnlichen Bezeichnungen unzulässig, wenn für die Ware oder Dienstleistung tatsächlich Kosten zu tragen sind.
Die beanstandete Gestaltung des Loyalty-Programms Lidl Plus
Um an dem Loyalty-Programm Lidl Plus teilzunehmen, müssen Verbraucher die „Lidl Plus“-App herunterladen und dort ein Konto anlegen. Im Registrierungsprozess werden Verbraucher aufgefordert, u.a. den Teilnahmebedingungen von Lidl Plus zuzustimmen. In dem gesamten Registrierungsprozess wird den Verbrauchern kein Preis zur Nutzung des Programms genannt. Tatsächlich erfordert die Nutzung des Loyalty-Programms auch nicht die Zahlung eines Geldbetrags.
In den Teilnahmebedingungen findet sich u.a. der Hinweis:
„Der Zweck des Dienstes liegt insbesondere darin, Ihnen möglichst passende Informationenzuzusenden bzw. in den Online-Diensten anzuzeigen, die für Sie relevant sind und – soweit möglich – die Lidl-Angebote und Services persönlich für Sie zu gestalten.
Die Teilnahme an Lidl Plus ist kostenlos.“
Unmittelbar nach diesem Hinweis werden Verbraucher detailliert darüber informiert, welche Daten Lidl von den Verbrauchern zur Ermittlung der personalisierten Angebote erhebt und speichert.
Der vzbv klagte hiergegen und sah einen Verstoß gegen Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB und Nr. 20 der Anlage zu § 3 Abs. 3 UWG. Nach Auffassung des vzbv läge der Preis, bzw. die Kosten für die Nutzung der App in der Bereitstellung der personenbezogenen Daten der Verbraucher. Hierüber müsste Lidl entsprechend die Verbraucher informieren.
Im Übrigen sei das Angebot auch irreführend gem. § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Nr. 20 der Anlage zu § 3 Abs. 3 UWG. Denn die Bewerbung als „kostenlos“ in den Teilnahmebedingungen sei aufgrund der bereitgestellten Daten als Gegenleistung nicht „kostenlos“ und damit falsch.
Das OLG Stuttgart weist die Klage ab
Das OLG Stuttgart folgte dem vzbv nicht. Im Kern begründete der Senat seine Entscheidung wie folgt:
Daten ≠ „Gesamtpreis“ i.S.d. Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB
Mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB habe der deutsche Gesetzgeber Art. 6 Abs. 1e der Verbraucherrichtlinie (RL 2011/83/EU) umgesetzt. Was unter dem Begriff „Gesamtpreis“ zu verstehen sei, müsse daher unionsrechtlich ausgelegt werden. Die Verbraucherrichtlinie (RL 2011/83/EU) selbst enthalte zwar keine Legaldefinition zum Begriff „Gesamtpreis“. Allerdings diene die Verbraucherrichtlinie auch dem Ziel, Kohärenz mit der Richtlinie (EU) 2019/770 herzustellen.
In Art. 2 Nr. 7 Richtlinie (EU) 2019/770 wird „Preis“ legaldefiniert als „Geld oder eine digitale Darstellung eines Werts, das bzw. die im Austausch für die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen geschuldet wird“. Vor diesem Hintergrund müsse auch der Begriff „Gesamtpreis“ in der Verbraucherrichtlinie (RL 2011/83/EU) unionsrechtlich so ausgelegt werden, dass darunter nur eine Gegenleistung in Geld oder einer digitalen Darstellung eines Wertes zu verstehen ist. Daran fehlt es unstreitig beim Loyalty-Programm Lidl Plus, sodass auch kein Verstoß gegen Art. 246a Abs. 1 Nr. 5 EGBGB vorläge.
Bezeichnung als „kostenlos“ nicht irreführend
Daneben verneinte das OLG Stuttgart überzeugend einen Verstoß gegen Nr. 20 Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG. Die Norm solle Verbraucher insbesondere vor Täuschungen bei „Kostenfallen“ oder „Abofallen“ im Internet schützen. Nach Sinn und Zweck der Norm wären damit aber nur verdeckte Kosten gemeint, auf die der Verbraucher nicht ausdrücklich hingewiesen würde, d.h. stets erforderlich ist eine Täuschung des Verbrauchers. Daran fehle es hier. „Kosten“ i.S.d. Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB fielen für Verbraucher durch die Bereitstellung der Daten nicht an. Der Hinweis „kostenfrei“ fände sich zudem ausschließlich in den Teilnahmebedingungen. In den Teilnahmebedingungen würden Verbraucher unmittelbar nach diesem Hinweis darüber unterrichtet, welche Daten von Lidl erhoben und verwendet bei Teilnahme an dem Loyalty-Programm Lidl Plus würden. Der Verbraucher würde daher verständlich darüber informiert, dass er kein Geld für die Nutzung zahlen müsse. Er gehe aber nicht davon aus, dass ihm überhaupt keine Leistungspflichten träfen.
Praxishinweis
Die Entscheidung des OLG Stuttgart ist dogmatisch überzeugend und praxisgerecht. Sie berücksichtigt den unionsrechtlichen Hintergrund von Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB und legt dar, dass die Nennung eines Preises lediglich in Fällen einer Gegenleistung in Geld umfasst. Dies dürfte auch dem gängigen Verbraucherleitbild entsprechen. Verbraucher wissen, dass viele „kostenlose“ Dienste z.T. eine Vielzahl von personenbezogenen Daten erheben und Verbraucher bei der Nutzung dieser Dienste faktisch damit „bezahlen“.
Für den Handel ist die Entscheidung ein Rückenwind: Bonus-, Kundenkarten- und App-Programme können weiterhin mit „kostenlos“ werben, solange keine versteckten Geldentgelte erhoben und Verbraucher über ggfs. erhobene Daten unmissverständlich unterrichtet werden.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Revision ist beim Bundesgerichtshof anhängig unter dem Az. I ZR 198/25.
Ausblick: EuGH könnte Weichen neu stellen
In einem ähnlich gelagerten Fall hat der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 25. September 2025 – Az. I ZR 11/20) dem EuGH die Frage vorgelegt, ob der Begriff „Kosten“ im Sinne des Nr. 20 der Anlage zu § 3 Abs. 3 UWG die Preisgabe personenbezogener Daten und die Einwilligung in deren werbliche Nutzung umfasst. Streitgegenständlich war in diesem Verfahren die Angabe „Facebook ist und bliebt kostenlos.“, die Nutzern auf der Startseite von Facebook unmittelbar unter der Log-In-Maske bzw. Registrierung angezeigt wurde.
Der Fall unterscheidet sich insofern von der Entscheidung des OLG Stuttgart, weil Lidl ausschließlich in den Teilnahmebedingungen mit „Die Teilnahme an Lidl Plus ist kostenlos.“ wirbt. Wie das OLG Stuttgart überzeugend hervorgehoben hat, werden Verbraucher dort unmittelbar nach diesem Hinweis transparent über die Datenerhebung unterrichtet. Verbraucher verstehen also, dass sie eine Leistungspflicht trifft, womit eine Irreführung ausscheidet. Damit bleibt der Ausgang des EuGH-Verfahrens zur Auslegung des Nr. 20 der Anlage zu § 3 Abs. 3 UWG womöglich ohne unmittelbare Auswirkung auf die Beurteilung der (Un-)Zulässigkeit der Angaben als „kostenlos“ in den Teilnahmebedingungen des Loyalty-Programm Lidl Plus.