Hintergrund der Entscheidung
- Das Gericht der Europäischen Union hat entschieden, dass ein zwei Sekunden langer Jingle der Berliner Verkehrsbetriebe als Marke in Klasse 39 (für Transportdienstleistungen) eingetragen werden kann, und damit die Ablehnung durch die Beschwerdekammer des EUIPO aufgehoben.
- Aus der bisherigen Rechtsprechung wissen wir, dass die Kriterien für die Beurteilung der Eintragungsfähigkeit (Unterscheidungskraft) von Klangmarken sich nicht von denen für andere Arten von Marken unterscheiden. Insbesondere gilt die Anforderung, dass sich die Marke „von den Normen und Gepflogenheiten der Branche unterscheidet“, die für Formmarken gilt, nicht für Klangmarken.
- Dennoch wurden eine Reihe von Anmeldungen für Klangmarken mit der Begründung abgelehnt, dass ihnen die Unterscheidungskraft fehle. Diese Entscheidung scheint eine Wende zu bedeuten und legt nahe, dass selbst relativ einfache und kurze Klänge potenziell eintragungsfähig sind.
- Die Tatsache, dass der Klang auch eine Funktion erfüllte (die Aufmerksamkeit der Fahrgäste zu erregen), bedeutete nicht, dass er nicht auch als Marke fungieren konnte. Dies dürfte für manche im Vereinigten Königreich überraschend sein – dort werden Jingles im öffentlichen Nahverkehr wohl überwiegend als funktionale Elemente und nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft wahrgenommen. Möglicherweise sind die Menschen auf dem europäischen Festland stärker daran gewöhnt, solche Jingles – trotz ihres funktionalen Charakters – auch als Herkunftshinweis zu verstehen.
- Es ist zu beachten, dass in diesem speziellen Fall die Beanstandung nicht darauf gestützt wurde, dass die Marke ausschließlich aus Elementen besteht, die zur Erzielung eines technischen Ergebnisses erforderlich sind. Eine solche Beanstandung ist bei Klangmarken nämlich nur zulässig, wenn die angemeldete Marke Waren und nicht Dienstleistungen betrifft. Mit anderen Worten: Bei Dienstleistungen gibt es mehr Spielraum für die Eintragung von Klängen als bei Waren (bei denen der Klang wohl auch ein technisches Ergebnis erzielt).
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Die Entscheidung der Beschwerdekammer
In der vorherigen Entscheidung (gegen die Berufung eingelegt wurde) hatte die Beschwerdekammer des EUIPO festgestellt, dass Klangmarken eine bestimmte Resonanz haben müssen, damit sie als Marken wahrgenommen werden können. Sie stellte außerdem fest, dass der fragliche Jingle – aus dem Berliner Nahverkehrssystem – keine solche Resonanz hatte und daher nicht eintragungsfähig war.
Genauer gesagt befand sie, dass die Klangmarke „extrem kurz (zwei Sekunden) und einfach (… vier wahrnehmbare Töne)“ sei. Die Tatsache, dass Jingles im öffentlichen Nahverkehr üblich sind, war für die Ablehnung ebenso relevant wie die Tatsache, dass Jingles dazu dienen, die Aufmerksamkeit der Kunden zu erregen (im Gegensatz zur Angabe der betrieblichen Herkunft).
Dies stand im Einklang mit der Entscheidung des Gerichts in der Rechtssache Sound Mark (T 408/15), in der ein Klang, der sich durch Einfachheit und die bloße Wiederholung von zwei identischen Tönen (d. h. ein Klang ähnlich einem Telefonklingelton) auszeichnete, als nicht markenfähig angesehen wurde.
Entscheidung des Gerichts
In der Berufungsinstanz entschied das Gericht, dass Klangmarken genauso wie alle anderen Marken zu beurteilen sind und nur ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft erforderlich ist. Danach war in diesem Fall der betreffende Jingle eintragungsfähig – aus folgenden Gründen:
- Er ist kurz, wodurch er leicht zu merken ist.
- Solche „Jingles” werden von der Öffentlichkeit im Verkehrsbereich (d. h. auf Bahnsteigen oder in Flughäfen) als akustisches Pendant zu einer visuellen Herkunftskennzeichnung wahrgenommen.
- Der Klang selbst besteht aus vier verschiedenen wahrnehmbaren Tönen (nacheinander) und steht nicht in direktem Zusammenhang mit der Nutzung von Verkehrsdienstleistungen (wie es beispielsweise bei dem Geräusch eines Flugzeugs oder eines vorbeifahrenden Zuges der Fall wäre) – sein Zweck entspricht demnach dem eines Jingles.
- Der Jingle ist originell.
- Ein Klang selbst kann sowohl funktional als auch unterscheidungskräftig sein.
Was bedeutet das für Sie?
- Vorausgesetzt, es handelt sich nicht um eine Ausnahme, senkt die Entscheidung wohl die Hürden für die Eintragungsfähigkeit von Klangmarken. Das könnte (teilweise) eine politische Entscheidung sein.
- Tatsächlich war das Gericht der Ansicht, dass der durchschnittliche EU-Verbraucher Transportjingles als Hinweis auf die betriebliche Herkunft ansieht. Das dürfte für britische Verbraucher etwas überraschend sein, die sie (sofern wir nichts übersehen haben) wahrscheinlich nicht als solche betrachten. Es könnte sein, dass die Praxis in der EU indes anders ist und verschiedene Jingles von den Verbrauchern als Hinweis auf verschiedene Bahnbetreiber bekannt sind und verstanden werden.
- Abgesehen von der Frage, ob diese Marke als Hinweis auf die betriebliche Herkunft angesehen würde, deutet der Fall darauf hin, dass „kurze und markante” Klänge einprägsam genug sein könnten, um als europäische Marken eingetragen zu werden.
- Der Fall macht auch leichte Unterschiede in den Bestimmungen zu absoluten Eintragungshindernissen deutlich: Die Bestimmungen, die die Eintragung von Zeichen verbieten, die ausschließlich aus der Form oder anderen Merkmalen bestehen, die zur Erzielung eines technischen Ergebnisses erforderlich sind (und die anderen damit zusammenhängenden Bestimmungen), gelten nur für Waren. Das bedeutet, dass es etwas mehr Spielraum für die Eintragung von Klängen für Dienstleistungen als für Waren gibt (bei denen der Klang auch eine funktionale Komponente hat).
- Für Unternehmen, die Klänge als Marken einsetzen möchten, könnte im Ergebnis jetzt ein günstiger Zeitpunkt sein, eine Unionsmarke anzumelden, um diesen Schutz zu sichern.