13. November 2025
Newsletter Marke Design Wettbewerb November 2025 – 2 von 9 Insights
Mogelpackungen und Shrinkflation sorgen regelmäßig für Beschwerden bei Verbraucherzentralen – ein Anlass, die lauterkeitsrechtlichen Grenzen dieser Marketingstrategien genauer zu beleuchten.
Mogelpackungen sind im allgemeinen Sprachgebrauch Verpackungen, die den Eindruck erwecken, mehr Inhalt oder mehr Wert zu liefern als tatsächlich vorhanden ist. Entscheidend ist das Missverhältnis zwischen der (scheinbar) möglichen und der tatsächlichen Füllmenge der Produktverpackung.
Shrinkflation bezeichnet eine Preiserhöhung, bei der die Produktgröße oder der Inhalt bei gleichem oder sogar höherem Preis reduziert wird. Es steigt also typischerweise der Grundpreis des Produktes.
Gerade im Bereich von Mengenangaben und Verpackungsgröße im Verhältnis zum Inhalt sind zahlreiche gesetzliche Vorschriften zu beachten. Trotz der Menge an zu beachtenden Regularien, lassen die bestehenden Regeln keine Aussage darüber zu, ab wann eine Verpackung Verbraucher über dessen Inhalt in die Irre führt. Was die Irreführungstatbestände der Art. 20 Abs. 1 EU-Kosmetik-VO, Art. 7 Abs. 1 LMIV und § 5 UWG aber gemeinsam haben ist, dass eine Irreführung nicht nur unmittelbar durch eine falsche Angabe auf der Verpackung, sondern auch durch die Verpackung selbst oder deren Begleitumstände hervorgerufen werden kann. Schließlich lässt eine größere Verpackung auch eine größere Warenmenge erwarten. Nach Auffassung des BGH geht der Verbraucher in der Regel davon aus, dass die Verpackung eines Produkts zu deutlich mehr als nur zu zwei Dritteln befüllt ist (BGH, Urt. v. 29.5.2024 – I ZR 43/23 – Hydra Energy). Grundlage dieser etwas willkürlich anmutenden Grenzziehung des BGH ist eine jahrzehntealte und unverbindliche Verwaltungsrichtlinie zum § 17a EichG a.F.
Während der BGH bei verpackungsimmanenten Irreführungen (Mogelpackungen) schon einen groben Rahmen abgesteckt hat, wie viel Freiraum in einer Verkaufsverpackung in der Regel zulässig ist, ist die lauterkeitsrechtliche Behandlung von Shrinkflation weitgehend ungeklärt. Daraus folgt Rechtsunsicherheit bei Herstellern und Einzelfallentscheidungen der Gerichte, die mal mehr und mal weniger nachvollziehbar sind.
Das Landgericht Heilbronn urteilte jüngst, dass eine Tofu-Verpackung, die nur zu rund 36 % mit Ware gefüllt ist, gegen das Irreführungsverbot nach § 5 Abs. 1, 2 Nr. 1 UWG verstößt (LG Heilbronn, Urt. v. 10. September 2025 – Me 8 O 227/24).
Ein Verbraucherverband hatte gegen einen großen Lebensmitteldiscounter geklagt, der unter seiner Eigenmarke geräucherten Tofu in einem blickdichten Karton verkaufte. Dieser Karton überzeichnete die tatsächlich angebotene Warenmenge deutlich. Nur 36% des Kartonvolumens waren tatsächlich mit Ware befüllt. Nach Auffassung des Gerichts enttäuschte die genutzte Verpackung dadurch die Verbrauchererwartung. Der Durchschnittsverbraucher gehe davon aus, dass eine Lebensmittelverpackung zu deutlich mehr als zwei Dritteln befüllt sei. Wäre dies zutreffend gewesen, wäre das Produkt pro Kilogramm nur halb so teuer gewesen.
Technische Gründe für die überdimensionierte Tofu-Verpackung konnte der Händler nicht vorbringen. Der ausdrückliche Hinweis auf die tatsächliche Füllmenge auf der Verpackung reiche laut Gericht ebenfalls nicht aus, um den täuschenden Eindruck zu korrigieren.
Das Gericht untersagte dem Händler den weiteren Vertrieb des Produkts in dieser Aufmachung.
Das Landgericht Stuttgart wies hingegen die Klage einer Verbraucherzentrale wegen angeblicher Irreführung durch die Aufmachung einer Müsliverpackung ab (LG Stuttgart, Urt. v. 23. Mai 2025 - Az.: 33 O 56/24 KfH). Nach den Feststellungen des Gerichts betrug der Füllgrad des im Karton befindlichen Plastikbeutels rund 54 % des möglichen Gesamtvolumens.
Nach Auffassung des Gerichts liegt keine Irreführung vor. Der durchschnittliche Verbraucher wisse, dass sich das Müsli in einem gesonderten, lose im Karton liegenden Plastikbeutel befindet. Er erwarte nicht, dass dieser Beutel nahezu vollständig gefüllt ist, zumal eine randvolle Befüllung die Entnahme des Produkts erschweren würde. Auch sei die Beschaffenheit des Müslis zu berücksichtigen: Da das Produkt aus unterschiedlich großen Bestandteilen besteht, können Erschütterungen dazu führen, dass das Füllvolumen schwankt. Diese Umstände seien dem Verbraucher bekannt, weshalb die vom BGH angenommene Zwei-Drittel-Grenze hier nicht maßgeblich sei.
Das Urteil des Landgerichts Stuttgart verdeutlicht, dass die vom BGH formulierte „Regelerwartung“ des Verbrauchers hinsichtlich einer überwiegenden Befüllung der Verpackung keine starre Grenze darstellt. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an – insbesondere auf die Beschaffenheit des Produkts sowie auf die durch ähnliche Verpackungen im Marktumfeld geprägte Verbrauchergewöhnung. Auch bei deutlicher Unterschreiten der Zwei-Drittel-Grenze kann daher eine Irreführung über die Füllmenge ausgeschlossen sein.
Die Verbraucherzentrale hat gegen die Entscheidung Berufung eingelegt.
Das Landgericht Hamburg untersagte einem Streichfett-Hersteller den weiteren Vertrieb seines Produkts in unveränderter Verpackung, nachdem dieser den Inhalt von 500 g auf 400 g reduziert hatte (LG Hamburg, Urt. v. 13. Februar 2024 – 406 HKO 121/22).
Das Gericht sah hierin eine Irreführung nach §§ 3, 5 Abs. 1 UWG bzw. Art. 7 LMIV, da Verbraucher wegen der unveränderten Verpackung von der bisherigen Füllmenge ausgingen. Die angepasste Mengenangabe auf der Verpackung reiche nicht aus, um diese Fehlvorstellung auszuräumen.
Nach Auffassung des Gerichts besteht die Irreführungsgefahr jedenfalls für eine Übergangszeit von drei Monaten nach der Umstellung. Danach gewöhnten sich Verbraucher an die neue Füllmenge. Eine darüberhinausgehende verpackungsimmanente Täuschung (also eine Mogelpackung) läge aber in diesem Fall nicht vor, da die 400 g-Packung zu rund 80 % gefüllt sei und somit oberhalb der zwei Drittel-Grenze liegt.
Das Gericht etablierte damit – auf Antrag der Verbraucherzentrale –eine „Dreimonatsfrist“ für die Beurteilung einer Irreführung bei Füllmengenreduzierungen. Diese zeitliche Grenze ist neu und bislang nicht höchstrichterlich bestätigt.
Die Verbraucherzentrale klagt aktuell gegen einen Schokoladentafel-Hersteller, weil dieser nur noch 90 statt bisher 100 Gramm schwere Tafeln anbietet, ohne darauf ausdrücklich hinzuweisen. Bei identischem Verpackungsdesign sei das Produkt laut Verbraucherzentrale „unmerklich rund einen Millimeter dünner geworden“. Auf Basis der Erwägungen im zuvor genannten Verfahren erscheint auch hier nicht unwahrscheinlich, dass das Gericht eine Irreführung der Verbraucher annimmt.
Die ernüchternde Antwort lautet: Nein.
Mit der Verordnung (EU) 2025/40 über Verpackungen und Verpackungsabfälle (Packaging and Packaging Waste Regulation – PPWR) liegt zwar erstmals ein einheitlicher europäischer, aber dennoch kein eindeutiger Rechtsrahmen für die wettbewerbsrechtliche Einordnung von Mogelpackungen vor. Nach Art. 10 Abs. 2 PPWR ist es künftig untersagt, Verpackungen mit Merkmalen in Verkehr zu bringen, die lediglich das wahrgenommene Volumen des Produkts vergrößern – etwa durch „Doppelwände, falsche Böden und unnötige Schichten“. Damit etabliert die PPWR faktisch ein EU-weites Verbot von Mogelpackungen.
Außerdem müssen Akteure, die Verkaufsverpackungen befüllen gemäß Art. 24 Abs. 4 PPWR ab dem 12. Februar 2028 sicherstellen, dass der Leerraum in Verkaufsverpackungen auf das technisch erforderliche Minimum begrenzt ist. Konkrete Grenzwerte hat der europäische Gesetzgeber aber bislang nicht festgelegt. Die vom BGH festgesetzte, aber in der Rechtsprechung nicht konsequent durchgesetzte, zwei-Drittel-Grenze – dürfte also vorerst maßgeblich bleiben. Perspektivisch ist allerdings mit harmonisierten europäischen Normen zu rechnen, die den zulässigen Freiraum in Verpackungen EU-weit definieren.
Shrinkflation wird in der PPWR nicht adressiert. Das liegt daran, dass die Verordnung vorrangig dem Umwelt- und Klimaschutz und nicht der Schaffung von fairem Wettbewerb dienen soll.
Politische Akteure und Verbraucherverbände in Deutschland fordern weitergehende Transparenzpflichten für Hersteller und/oder Händler. Im Gespräch sind eine Hinweispflicht nach französischem Vorbild, wonach Händler reduzierte Inhaltsmengen einzelner Produkte am Regal für sechs Monate kennzeichnen müssen oder direkt auf dem Produkt angebrachte Warnhinweise, wenn Produkte bei gleichbleibendem Preis weniger Inhalt aufweisen. Ob der Gesetzgeber sich dazu entschließt, Verkaufsverpackungen auch aus wettbewerbsrechtlicher Perspektive strenger zu regulieren oder ob er die bestehenden Regelungen als ausreichend erachtet, bleibt abzuwarten.
Eines aber ist klar, Mogelpackungen bleiben wettbewerbsrechtlich brisant und in den Medien präsent. Unternehmen, die ihre Produkte in überdimensionierten Verpackungen anbieten oder auf schrumpfende Produkte nicht angemessen hinweisen, sehen sich nicht nur Beseitigungs-, Unterlassungs- und Schadensansprüche ausgesetzt, sondern setzen auch ihren Ruf aufs Spiel.
Damit es nicht so weit kommt, unterstützen wir Sie gerne mit unserer Erfahrung und beraten Sie individuell zu diesem Thema.
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