1. Vorgaben der EU: EmpCo- und Green Claims-Richtlinie
Im Rahmen des von ihr ausgerufenen „Green Deals“ – bis 2050 erster klimaneutraler Kontinent werden – will die EU auch Verbraucherinnen und Verbraucher besser schützen und u.a. irreführende Umweltaussagen und damit „Greenwashing“ eindämmen. Um dies zu erreichen, hat sie zwei Richtlinien auf den Weg gebracht, die seit der Vorlage der Entwürfe 2023 in der Praxis intensiv diskutiert werden: Die sog. Empowering Consumers-Richtlinie (EmpCo-Richtlinie) sowie die Green Claims-Richtlinie.
- Die EmpCo-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2024/825) trat bereits am 26. März 2024 in Kraft. Sie soll Verbraucher vor unfairen Praktiken v.a. im Bereich der Umweltwerbung schützen und ihnen durch verbesserte Informationsbereitstellung eine bewusstere Entscheidung im Hinblick auf nachhaltigen Konsum zu ermöglichen. Die Mitgliedstaaten haben bis zum 27. März 2026 Zeit, diese Vorgaben in das jeweilige nationale Recht umzusetzen, wobei die neuen Regelungen ab dem 27. September 2026 gelten sollen. Zu Einzelheiten der EmpCo-Richtlinie siehe unser Insight hier.
- Die Green Claims-Richtlinie ergänzt die EmpCo-Richtlinie und legt detaillierte Vorgaben zur Substantiierung und Kommunikation sowie der Kontrolle von Umweltaussagen fest. Der Kommissionsentwurf stammt aus dem März 2023, im März 2024 verabschiedete das Europäische Parlament in erster Lesung seinen Standpunkt. Der EU-Umweltministerrat legte am 17. Juni 2024 seine Position fest. Aktuell finden die Trilog-Verhandlungen statt. Es wird erwartet, dass die Richtlinie im Laufe des Jahres 2025 verabschiedet wird, da diese Richtlinie nicht zu den 37 Gesetzesvorschlägen gehört, die die EU laut ihres „Arbeitsprogramms 2025“ nicht mehr umsetzen möchte. Den Entwurf der Green Claims-Richtlinie haben wir hier besprochen.
2. Umsetzung der EmpCo ins deutsche UWG
Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) veröffentlichte am 9. Dezember 2024 einen ersten Diskussionsentwurf für das „Dritte Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb“. Die Umsetzung der Vorgaben der EmpCo-Richtlinie erfolgt demnach - wenig überraschend - im „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)“. Der Entwurf sieht eine Änderung bzw. Erweiterung mehrerer Bestimmungen sowie eine Erweiterung des Anhangs zu § 3 Absatz 3 UWG, der sog. „Schwarzen Liste“, vor. Die in der „Schwarzen Liste“ aufgeführten Geschäftspraktiken sind stets („per se“) unzulässig.
- „Umweltaussage“ als neue Begriffsbestimmung in § 2 UWG
Besonders bedeutsam ist die neue Begriffsbestimmung der „Umweltaussage, die in § 2 UWG („Begriffsbestimmungen“) aufgenommen werden soll. Nach dem Entwurf wird unter einer „Umweltaussage“ künftig verstanden
„jede Aussage oder Darstellung im Kontext einer geschäftlichen Handlung, einschließlich Darstellungen durch Text, Bilder, grafische Elemente oder Symbole wie beispielsweise Etiketten, Markennamen, Firmennamen oder Produktbezeichnungen, die rechtlich nicht verpflichtend ist und in der ausdrücklich oder stillschweigend angegeben wird, dass
a) ein Produkt, eine Marke oder ein Gewerbetreibender eine positive oder keine Auswirkung auf die Umwelt hat oder weniger schädlich für die Umwelt ist als andere Produkte, Produktkategorien, Marken oder Gewerbetreibende oder
b) die Auswirkung eines Produkts, einer Produktkategorie, einer Marke oder eines Gewerbetreibenden auf die Umwelt im Laufe der Zeit verbessert wurde.“
Diese sehr weite Definition, die ausdrücklich auch Bilder und grafische Elemente umfasst, entspricht im Wesentlichen derjenigen aus der EmpCo-Richtlinie. Künftig könnte daher z.B. schon alleine eine grüne Gestaltung eines Markennamens eine Umweltaussage darstellen. Selbst der Name eines Unternehmens und das Firmenbranding können hierunter fallen, wenn dort Nachhaltigkeitsaspekte anklingen.
- Vier neue per se-Verbote in der „Schwarzen Liste“ (Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG)
- Verbot „allgemeiner Umweltaussagen“
Neu in den Anhang, also die schwarze Liste, aufgenommen wird ein Verbot „allgemeiner Umweltaussagen“ wie z.B. „umweltfreundlich“, „ökologisch“, „klimafreundlich“, CO2-reduziert“, wenn der Gewerbetreibende keine „anerkannte hervorragende Umweltleistung“, auf die sich die Aussage bezieht, nachweisen kann.
Derart pauschale Aussagen werden künftig somit verboten sein, wenn nicht einer der beiden nachfolgenden Fälle vorliegt:
✅ Keine „allgemeine Umweltaussage“ liegt vor (und fällt damit nicht unter das per se-Verbot), wenn die Aussage hinreichend erläutert bzw. spezifiziert wird. Dazu muss sie klar und in hervorgehobener Weise auf demselben Medium erläutert werden. Der Diskussionsentwurf nimmt hierbei Bezug auf Erwägungsgrund 9 der Empco-RL, der davon spricht, dass die Aussage „im selben Fernseh- oder Radiowerbespot, auf der Produktverpackung oder auf der Online-Verkaufsoberfläche“ spezifiziert werden müsse, wobei der Grad der Spezifizierung der Aussage auch von dem jeweiligen Medium abhängt. Ob die Spezifizierung ausreicht, muss daher dann wohl stets für den jeweiligen Einzelfall entschieden werden.
✅ Erlaubt ist eine „allgemeine Umweltaussage“ ferner dann, wenn der Werbende eine „anerkannte hervorragende Umweltleistung“ nachweisen kann. Nach dem Diskussionsentwurf, der dies so aus der EmpCo-Richtlinie übernommen hat, sollen dazu neben Umwelthöchstleistungen nach geltendem Unionsrecht (wie z.B. dem EU-Umweltzeichen) auch „nationale oder regionale Umweltkennzeichenregelungen nach DIN EN ISO 14024 Typ I“ zählen (wie z.B. Blauer Engel).
- Verbot des Anbringens von Nachhaltigkeitssiegeln ohne zugrunde liegendem Zertifizierungssystem
Das Verbot des Anbringens von Nachhaltigkeitssiegeln („Vertrauenssiegel, Gütezeichen oder Ähnliches“), die nicht auf einem Zertifizierungssystem beruhen oder von staatlichen Stellen vergeben werden, übernimmt der Diskussionsentwurf fast wortgleich aus der EmpCo-Richtlinie. Das Zertifizierungssystem wird künftig in den Begriffsbestimmungen des § 2 UWG definiert und muss zahlreiche Voraussetzungen erfüllen Es muss allen Gewerbetreibenden offen stehen, die Anforderungen müssen vom Systeminhaber mit einem Sachverständigen ausgearbeitet werden, der Umgang mit etwaigen Verstößen muss festgelegt sein und die Überwachung der Einhaltung der Anforderungen muss nach einem objektiven Verfahren und durch einen Dritten durchgeführt werden.
Es bleibt somit auch im Diskussionsentwurf des BMJ dabei, dass es „selbst erfundene“ bzw. „selbst verliehene“ Siegel künftig nicht mehr geben wird. Da der deutsche Diskussionsentwurf bei der Begriffsbestimmung des Nachhaltigkeitssiegels leider die unbestimmte Formulierung „oder Ähnliches“ aus der EmpCo übernimmt, bleibt unklar, welche Art von Zeichen nun letztendlich in den Anwendungsbereich dieses Verbots fallen.
Verwendet man als Werbender das Nachhaltigkeitssiegel eines Dritten, sollte man künftig vorab prüfen, ob von diesem die strengen Vorgaben hierfür erfüllt werden, da die Verwendung eines Nachhaltigkeitssiegels, das nicht gesetzeskonform ist, zu Lasten des Werbenden geht.
- Verbot unwahrer Angaben zur Reichweite einer Umweltaussage
Verboten wird damit das Treffen einer Umweltaussage zum gesamten Produkt oder der gesamten Geschäftstätigkeit des Gewerbetreibenden, wenn sie sich nur auf einen bestimmten Aspekt des Produkts oder eine bestimmte Aktivität der Geschäftstätigkeit des Gewerbetreibenden bezieht. Damit soll gewissermaßen ein „cherry picking“ verhindert werden.
- Verbot produktbezogener Treibhausgasemissionsaussagen bei Kompensation
Schließlich sieht auch der Diskussionsentwurf des BJM vor, dass eine Angabe, die sich auf die Kompensation von Treibhausgasemissionen gründet und wonach ein Produkt in Bezug auf CO2-Emissionen neutrale, reduzierte oder positive Auswirkungen auf die Umwelt hat, künftig per se verboten ist. Oder andersherum formuliert: solche Angaben sind nur dann noch zulässig, wenn sie sich tatsächlich auf den Lebenszyklus des Produkts beziehen.
Verboten ist demnach aber nur die produktbezogene Werbung. In seiner Begründung stellt der deutsche Gesetzgeber ausdrücklich klar, dass Unternehmen dadurch nicht daran gehindert werden, für ihre Investitionen in Umweltinitiativen (einschließlich Erwerb von CO2-Zertifikaten) zu werben.
- Änderung des Irreführungstatbestands § 5 UWG
Der Entwurf sieht auch eine Änderung des Irreführungstatbestands in § 5 UWG vor. So sollen künftig zu den wesentlichen Merkmalen der Ware oder Dienstleistung, über die getäuscht werden kann (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG), auch „ökologische oder soziale Merkmale“ sowie „Zirkularitätsaspekte wie Reparierbarkeit oder Recyclingfähigkeit“ zählen.
In § 5 Abs. 3 UWG soll eine neue Nr. 4 eingefügt werden, die eine Irreführung für Aussagen über künftige Umweltleistungen dann vorsieht, wenn diese ohne einen detaillierten und realistischen Umsetzungsplan getroffen werden. In einem solchen Umsetzungsplan, der öffentlich einsehbar sein muss, müssen insbesondere messbare und zeitgebundene Ziele sowie die Zuweisung von Ressourcen enthalten sein. Darüber hinaus muss der Umsetzungsplan regelmäßig von einem unabhängigen externen Sachverständigen überprüft und dessen Erkenntnisse Verbrauchern zur Verfügung gestellt werden. Pauschale Aussagen wie „Klimaneutral bis 2050“ sollen damit ebenfalls der Vergangenheit angehören.
3. Was bedeutet das für Unternehmen?
Der Entwurf bringt keine großen Überraschungen, da die Regelungen weitgehend schon aus der EmpCo-Richtlinie bekannt waren. Leider sorgt der Entwurf aber auch bei solchen Aspekten, die bereits bei der EmpCo-RL zu Diskussionen und Unsicherheiten geführt haben (wie z.B. das genaue Verständnis eines Nachhaltigkeitssiegels), nicht für Klarheit. Dass die geplanten Änderungen Unternehmen vor große Herausforderungen stellen, ist somit nicht erst mit dem Entwurf für das „Dritte Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb“ klar.
Nach Einschätzung des BMJ sollen sich die wirtschaftlichen Auswirkungen für Unternehmen dabei in Grenzen halten, was jedoch an der Realität vorbeigehen dürfte. So findet sich in der Begründung des Entwurfs die Aussage:
„Es wird angenommen, dass die Unternehmen ihre Produkte sehr gut kennen und somit das Identifizieren von potentiell unzulässigen Angaben keinen allzu großen Aufwand verursacht.“
Das Ministerium rechnet mit einem Zeitaufwand von ca. 3 Stunden für die Überprüfung („Überarbeitung bzw. Löschung von unzulässigen Angaben“) eines einzelnen Produkts. Dass dies in der Praxis zutrifft, darf angesichts der Komplexität der neuen Regelungen stark bezweifelt werden.
Bis das Gesetz in Kraft tritt, ist zwar noch ein wenig Zeit und sicherlich wird es im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch einige Änderungen geben. Spätestens am 27. September 2026 werden die neuen Vorgaben jedoch gelten. Unternehmen sollten sich daher schon jetzt vorbereiten und insbesondere sicherstellen, dass ihre Aussagen zu Nachhaltigkeit nachvollziehbar und gut dokumentiert sind.