26. Februar 2025
Newsletter Marke Design Wettbewerb Februar 2025 – 6 von 9 Insights
Stellen Sie sich vor, Sie möchten eine Marke anmelden, die Sie bereits als Name eines beliebten Produktes verwenden. Die Marke ist einprägsam und provokant – so provokant, dass sie nicht nur die Aufmerksamkeit Ihrer Kunden erregt, sondern auch die des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO). - Genau dies widerfuhr der Produktionsfirma der spanischen TNT-Serie "Maricón Perdido" — zu Deutsch "hoffnungslose Schwuchtel".
Die beliebte Fernseh-Serie basiert auf den autobiografischen Erlebnissen des offen homosexuell lebenden, spanischen Autors und Kritikers Bob Pop. Sie erzählt humorvoll und zugleich tiefgründig von den Herausforderungen eines jungen Mannes auf seinem Weg zur Selbstakzeptanz. Die Serie wurde 2021 erstmals im spanischen Fernsehen ausgestrahlt und erfreute sich dort großer Beliebtheit; unter anderem gewann sie noch im selben Jahr den „Ondas-Preis“ als beste spanische Comedy-Serie. In Spanien wird der Begriff "Maricón Perdido" seitdem mit der Fernsehserie in Verbindung gebracht.
Zuvor – im Jahr 2020 – beantragte die Produktionsfirma die Eintragung des Serientitels „MARICÓN PERDIDO“ als Marke beim EUIPO für verschiedene Waren und Dienstleistungen im Unterhaltungsbereich. Das EUIPO lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass der Begriff MARICÓN PERDIDO" eine homophobe Beleidigung darstelle und daher gegen die guten Sitten verstoße (Art. 7 Abs. 1 Buchst. f UMV). Gegen diese Entscheidung legte die Produktionsfirma Beschwerde ein. Die danach eigentlich zuständige Beschwerdekammer des EUIPO verwies den Fall 2021 an die Große Beschwerdekammer des EUIPO.
Die Große Beschwerdekammer ist das höchste Entscheidungsgremium beim EUIPO. Statt wie die Beschwerdekammern aus drei besteht sie aus neun Mitgliedern: Dem Präsidenten der Beschwerdekammern als Vorsitzender, den Vorsitzenden der Kammern sowie ordentlichen Mitgliedern, die nach dem Rotationsprinzip ausgewählt werden. In dieser Zusammensetzung erfüllt die Große Beschwerdekammer eine wichtige Harmonisierungsrolle: Die Beschwerdekammern können eine Beschwerde an die Große Kammer verweisen, wenn sie dies aufgrund der rechtlichen Komplexität oder der Bedeutung des Falls oder aufgrund besonderer Umstände für erforderlich halten, z.B. wenn es unterschiedliche Entscheidungen der Beschwerdekammern zu einem vergleichbaren Sachverhalt gibt.
Vorliegend wurde der Fall an die Große Kammer verwiesen, da es eine uneinheitliche Rechtsprechung der Kammern gibt zum Verhältnis zwischen den absoluten Eintragungshindernissen für Marken aufgrund eines Verstoßes gegen die guten Sitten gem. Art. 7 Abs. 1 Buchst. f UMV und dem Recht auf freie Meinungsäußerung gem. Art. 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.
Die Große Beschwerdekammer bestätigt im Ergebnis die Entscheidung der ersten Instanz (Entscheidung vom 24.11.2024, R2307/2020-G). Sie argumentiert, dass der Ausdruck trotz Bemühungen der LGBTQ+-Gemeinschaft, ihn positiv umzudeuten, weiterhin für einen nicht unerheblichen Teil der Öffentlichkeit als beleidigend empfunden werde und daher einen Verstoß gegen die guten Sitten darstellt.
Diese Auffassung ist kontrovers und wurde im Anschluss an die Entscheidung in den spanischen Medien vielfach diskutiert, so z.B. in einem erst jüngst erschienen Artikel der El País.
Hintergrund ist, dass der potenziell herabwürdigende Begriff "Maricón" jedenfalls innerhalb der spanisch-sprachigen LGBTQ+-Gemeinschaft nicht (mehr) als Beleidigung, sondern als Selbstbezeichnung wahrgenommen und von Homosexuellen selbst verwendet wird. Weiter gibt es im spanischen Sprachraum, beeinflusst durch die Vielzahl von Kulturen und Sprachbesonderheiten, auch ähnliche Ausdrücke, die im alltäglichen Gebrauch (eher) nicht als offensiv empfunden werden. Verwandte Ausdrücke wie z.B. das Wort „Mariconerías" (eine Abwandlung des Wortes „Maricón", was so viel bedeutet wie „Schwuchtelkram“) wurden in der Vergangenheit sogar vom spanischen Markenamt als Marke eingetragen. Die Anmelderin hatte daher argumentiert, dass der Begriff eben gerade nicht (mehr) als Beleidigung empfunden wird und daher auch nicht gegen die guten Sitten verstoße.
Es handelt sich bei dem hier entschiedenen Fall sicherlich um eine Einzelfall-Entscheidung. Interessant ist jedoch, dass die Große Beschwerdekammer eingeschaltet wurde, um die Grenzen der „guten Sitten“ zu beurteilen. Zudem verdeutlicht der Fall „MARICÓN PERDIDO“ einmal mehr, dass im Markenrecht ein Verstoß gegen allgemein akzeptierte moralische Grundsätze nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. f UMV oft von der individuellen Sensibilität der prüfenden Instanz (bzw. dem Prüfer!) abhängt.
Ein früheres – in Deutschland bekanntes – Beispiel zeigt, dass moralische Grenzen im Markenrecht aber durchaus „wandelbar“ sind: Während das EUIPO und das Gericht die Eintragung von „Fack Ju Göhte“ – insofern vergleichbar, als es sich auch dabei um den Titel eines bekannten Films handelt - zunächst verweigerten (T-69/17), kippte der EuGH diese Entscheidung später und ließ die Marke zu (C-240/18 P). Auch im Fall „MARICÓN PERDIDO“ könnte eine gerichtliche Neubewertung sein, wenn die Anmeldering gegen die Entscheidung der Großen Kammer vorgehen würde (Anmerkung: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags hatte sie noch kein Rechtsmittel eingelegt).
Unser Tipp: Bevor Sie eine Marke anmelden, die potenziell kontroverse oder provokative Begriffe enthält, sollten Sie eine strategische Prüfung der kulturellen und rechtlichen Implikationen vornehmen: Während eine Eintragung auf EU-Ebene scheitern bzw. mit Hürden versehen sein kann, könnte sie in einzelnen Mitgliedstaaten oder außerhalb der EU gleichwohl möglich sein. Ein Paradebeispiel hierfür ist auch der US-Markenfall „Dykes on Bikes“. Dort folgten die U.S. Richter einem gänzlich anderen Denkmuster und argumentierten, dass es Minderheiten möglich sein muss, Begriffe „zurückzuerobern“, die einst gegen sie verwendet wurden. Ob sich Ähnliches in der Zukunft auch in der EU etablieren könnte, bleibt abzuwarten.
Haben Sie Fragen oder benötigen Sie Unterstützung bei der Markenanmeldung? Mit unserer Expertise begleiten wir Sie gerne durch den gesamten Prozess!
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