2024 war ein Jahr der EU-Gesetzgebung – gefühlt täglich wurde ein neues Regelungsvorhaben veröffentlicht, vom Parlament verabschiedet oder im Amtsblatt veröffentlicht: Von AI Act über Digital Markets und Digital Services Act, Data Act und Data Governance Act bis hin zum Cyber Resilience Act betrafen viele Gesetze vor allem die Regulierung der digitalen Welt (siehe dazu unseren kurzen Überblick hier).
Darüber hinaus hat die EU aber auch – vor allem im Rahmen ihres sog. Green Deal - zahlreiche Regelungen auf den Weg gebracht, die zum Teil erhebliche Auswirkungen für Unternehmen und Werbetreibende haben. Zu den wichtigsten Neuerungen zählen strengere Vorgaben für die Werbung mit Umweltversprechen und die Reform des Designrechts. Aber auch die neuen Vorgaben für Produkte (Ökodesign-VO, Produkthaftungs-Richtlinie) und Verpackungen (Verpackungs-VO) stellen Hersteller und Händler vor Herausforderungen.
Die Umsetzung der neuen EU-Richtlinien muss meist bis 2026 erfolgen, die neuen Verordnungen gelten meist schon ab 2025. Es empfiehlt sich daher, sich frühzeitig mit den neuen Gesetzen vertraut zu machen, um rechtliche Risiken zu vermeiden.
Unsere „Gesetzgebungs-Highlights“ im Überblick:
1. “EmpCo”-Richtlinie: Strenge Regelungen für Umweltwerbung
"EmpCo“-Richtlinie: Richtlinie (EU) 2024/825 hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und durch bessere Informationen -
- In Kraft getreten: 27. März 2024
- Umsetzung durch Mitgliedstaaten erforderlich bis 27. März 2026 (mit Geltung ab 27. September 2026)
- Inhalt: Die Richtlinie sieht strenge Vorgaben für umweltbezogene Werbung vor: Neben einigen per se-Verboten (Treffen einer allgemeinen Umweltaussage, Anbringen eines nicht auf einem Zertifizierungssystem beruhenden Nachhaltigkeitssiegels, produktbezogenes Werben mit Kompensationsmaßnahmen) wird auch die Werbung mit künftigen Umweltleistungen stark reglementiert.
- Detaillierte Ausführungen zu den Regelungen finden Sie hier.
- Das Bundesjustizministerium hat am 9. Dezember 2024 einen Diskussionsentwurf zur Umsetzung veröffentlicht (siehe hier), d.h. die Umsetzung hat in Deutschland bereits begonnen.
- Darüber hinaus wird voraussichtlich im ersten Halbjahr 2025 die Green Claims-Richtlinie verabschiedet werden, die die Vorgaben für Umweltwerbung noch einmal verschärfen wird, z.B. durch eine erforderliche Vorab-Zertifizierung von Green Claims (siehe dazu hier).
2. EU-Designrechtsreform: Stärkung der Rechte von Designinhabern
Die EU hat nach einem zehn Jahre dauernden Prozess und langem Ringen endlich ein Paket zur Reform des Designrechts auf den Weg gebracht, das kurz vor Ende des Jahres 2024 in Kraft getreten ist:
Design-Richtlinie: Richtlinie (EU) 2024/2823 über den rechtlichen Schutz von Designs (Neufassung)
Diese ersetzt die Richtlinie 98/71/EG über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen.
- In Kraft getreten: 9. Dezember 2024
- Umsetzung durch Mitgliedstaaten erforderlich bis 9. Dezember 2027
Design-Verordnung: Verordnung (EU) 2024/2822 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster
- In Kraft getreten: 9. Dezember 2024
- Die Verordnung gilt ab dem 1. Mai 2025 unmittelbar in allen Mitgliedstaaten.
- Inhalt von Richtlinie und Verordnung: Die Neuregelung sieht zum einen neue Begrifflichkeiten sowie Gebührenänderungen vor, zum anderen bringt sie wichtige inhaltliche Veränderungen mit sich. Die EU hat die längst überfällige Änderung der Bezeichnung von „Geschmacksmuster“ zu „Design“ leider nicht konsequent umgesetzt - die Verordnung spricht von „Unions-Geschmacksmuster“. Die Gebührenstruktur wurde vereinfacht, das „one class“-Erfordernis bei Sammeldesigns ist entfallen. Die Rechte der Designinhaber werden gestärkt: So wurden die Ausschließlichkeitsrechte auf Verbreitung von Software und Medien zur Herstellung designverletzender Erzeugnisse erweitert, eine Transitregelung eingeführt und die Möglichkeit geschaffen, ein geschütztes Design durch ein „D im Kreis“ zu kennzeichnen. Erhebliche praktische Auswirkungen dürfte auch die Einführung einer verbindlichen Reparaturklausel haben.
- Detaillierte Ausführungen zu den neuen Regelungen finden Sie hier.
3. Verordnung über geografische Angaben für Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse (g.A.-VO): Alles einfacher?
Geografische Angaben-Verordnung: Verordnung (EU) 2024/1143 über geografische Angaben für Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse und über garantiert traditionelle Spezialitäten und fakultative Qualitätsangaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse
- In Kraft getreten: 31. April 2024
- Die Verordnung gilt seit dem 13. Mai 2024 unmittelbar in allen Mitgliedstaaten.
- Inhalt: Durch die neue Verordnung werden die über Jahre nach und nach entstandenen EU-weiten Rechte an geografischen Angaben für die verschiedenen Erzeugniskategorien Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse in einer Verordnung statt wie bislang in vier Rechtsakten geregelt. Dadurch wird Vieles einfacher, dennoch gelten weiterhin unterschiedliche Regelungen für die Erzeugnisse. Die langwierigen Eintragungs- und Änderungsverfahren sollen vereinfacht und beschleunigt werden. Von praktischer Bedeutung ist die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, ein System der „anerkannten Erzeugervereinigungen“ einzuführen.
- Detaillierte Ausführungen zu den neuen Regelungen finden Sie hier.
4. Digital Services Act: Neue Pflichten für Online-Marktplätze
Digital Services Act (DSA): Verordnung (EU) 2022/2065 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Gesetz über digitale Dienste)
Der Digital Services Act ist zwar schon im November 2022 in Kraft getreten, allgemeine Geltung hat er aber erst in diesem Jahr erlangt.
- In Kraft getreten: 16. November 2022
- Die Verordnung gilt seit dem 17. Februar 2024 unmittelbar in allen Mitgliedstaaten; für von der Kommission nach Art. 33 (4) DSA benannte sehr große Online-Plattformen (Very Large Online Platforms – VLOPs) und sehr große Online-Suchmaschinen (Very Large Online Search Engines -VLOSEs) galt der DSA schon vier Monate nach der Benennung. Auch sind einige Regelungen schon seit dem 16. November 2022 anwendbar (Art. 93(2) DSA).
- Inhalt: Die Vorschriften des Digital Services Act sind ein einheitliches gemeinsames Regelwerk für die gesamte EU. Sie gelten für alle Online-Vermittler, die Waren, Dienstleistungen oder Inhalte vermitteln und in der EU anbieten, unabhängig davon, ob sie in der EU oder außerhalb niedergelassen sind, also z.B. für Hosting-Dienste (Cloud- und Webhosting), Online-Marktplätze, App-Stores und Social-Media-Plattformen. Für sehr große Online-Plattformen (VLOPs) und Suchmaschinen (VLOSEs) gelten besondere Vorschriften. Für Online-Marktplätze führt der DSA zahlreiche Pflichten ein und verbietet sog. „Dark Patterns“.
- Detaillierte Ausführungen zu den neuen Regelungen finden Sie hier und - speziell für Online-Marktplätze - hier. Die Aufzeichnung unseres Webinars zu Dark Patterns ist hier abrufbar.
5. Ökodesign-Verordnung: Nachhaltiges Produktdesign und Informationspflichten
Ökodesign-Verordnung: Verordnung (EU) 2024/1781 zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte
- In Kraft getreten: 18. Juli 2024
- Die Verordnung gilt seit dem 18. Juli 2024 unmittelbar in allen Mitgliedstaaten. Sie enthält jedoch zahlreiche Übergangsbestimmungen, sodass für einen Übergangszeitraum von ca. zweieinhalb Jahren viele Regelungen der durch die Verordnung ersetzten Ökodesign-Richtlinie weiterhin gültig bleiben.
- Inhalt: Die Verordnung ist Teil des „Green Deals“ der EU, mit dem die Europäische Kommission die EU zu einer wettbewerbsfähigen und klimaneutralen Kreislaufwirtschaft umgestalten möchte. Die Verordnung sieht daher Mindestkriterien für Produkte vor, um deren Kreislauffähigkeit und Energieeffizienz zu verbessern und den CO2- und Umweltfußabdruck der EU dauerhaft zu reduzieren. Die Verordnung regelt ein nachhaltig(er)es Produktdesign, zudem sieht sie erweiterte Informationspflichten der Wirtschaftsteilnehmer und die Einführung eines Digitalen Produktpasses vor. Auch, wenn relativ lange Übergangsfristen vorgesehen sind, empfehlen wir betroffenen Unternehmen, die Entwicklungen zu verfolgen, um rechtzeitig notwendige Anpassungen vorzunehmen und Sanktionen zu vermeiden.
- Detaillierte Ausführungen zu den neuen Regelungen finden Sie hier.
6. EU-Verpackungsverordnung: Gesteigerte Nachhaltigkeitsanforderungen
Verpackungs-Verordnung: Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (COM/2022/677 final)
- noch nicht verabschiedet
- Die Verordnung gilt unmittelbar in allen Mitgliedstaaten, voraussichtlich ab Anfang 2025.
- Inhalt: Die neue Verordnung wird die bisherige Richtlinie 94/62/EG („Verpackungsrichtlinie“) ablösen und ist ebenso wie die Ökodesign-Verordnung und die Recht auf Reparatur-Richtlinie Teil des „Green Deals“ der EU. Ziel der Verpackungs-VO ist es, die Umweltauswirkungen von Verpackungen zu minimieren, die Wiederverwendung und das Recycling zu fördern, den Einsatz gefährlicher Stoffe zu minimieren und damit die Kreislauffähigkeit von Verpackungen sicherzustellen. Sie umfasst alle Arten von Verpackungen, unabhängig vom verwendeten Material. Ebenso gilt sie für alle Verpackungsabfälle. In persönlicher Hinsicht gilt sie für alle Wirtschaftsakteure, die Verpackungen in Verkehr bringen.
- Detaillierte Ausführungen zu den neuen Regelungen finden Sie hier.
7. Richtlinie zur Förderung der Reparatur von Waren: Stärkung von Verbraucherrechten
Recht auf Reparatur-Richtlinie: Richtlinie (EU) 2024/1799 über gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren
- In Kraft getreten: 30. Juli 2024
- Umsetzung durch Mitgliedstaaten erforderlich bis 31. Juli 2026.
- Inhalt: Auch die Richtlinie zum Recht auf Reparatur ist Teil des „Green Deals“ der EU. Im Mittelpunkt der Richtlinie steht die Pflicht des Herstellers, auf Verlangen eines Verbrauchers Waren zu reparieren. Dementsprechend stärkt die Richtlinie in erster Linie die Rechte von Verbrauchern und ist somit nur im B2C-Verhältnis anwendbar. Primär ist der Hersteller in der Pflicht. Es werden zunächst sämtliche Waren erfasst, d.h. bewegliche körperliche Gegenstände, mit Ausnahme von Wasser, Gas und Strom, beschränkt auf Produktgruppen, für die die EU durch delegierte Rechtsakte Anforderungen an die Reparierbarkeit festgelegt.
- Detaillierte Ausführungen zu den neuen Regelungen finden Sie hier.
8. Produkthaftungs-Richtlinie: Fit fürs digitale Zeitalter
Produkthaftungs-Richtlinie: Richtlinie (EU) 2024/2853 über die Haftung für fehlerhafte Produkte
- In Kraft getreten: 8. Dezember 2024
- Umsetzung durch Mitgliedstaaten erforderlich bis 9. Dezember 2026.
- Inhalt: Die neue Produkthaftungsrichtlinie verschärft die Produkthaftung. Sie betrifft nicht mehr nur Hersteller – den Endhersteller, den Teileherstellerster, den Importeur, den Quasi-Hersteller und den Lieferanten, sondern – neu – Fulfillment-Dienstleister sowie Online-Plattformen. Die Haftung verläuft damit in einer nun noch längeren Haftungskaskade. Die verschuldensunabhängige Produkthaftung trifft Hersteller jeglicher beweglicher, fehlerhafter Produkte – und zwar einschließlich Elektrizität (wie bislang) und Rohstoffe (wie bislang) sowie – neu – ausdrücklich digitale Bauunterlagen und Software.
- Detaillierte Ausführungen zu den neuen Regelungen finden Sie hier.
Ein „bunter Strauß“ an Neuregelungen, um den sich Unternehmen kümmern müssen. Wir helfen Ihnen gerne, im „EU-Regelungs-Dschungel“ den Überblick zu bewahren.