Die Legislaturperiode 2019-2024 der Europäischen Union war geprägt von tiefgreifenden Veränderungen im digitalen Raum. Mit dem Digital Services Act und dem Digital Markets Act wurden wegweisende Regelungen eingeführt, die die Verantwortung von Online-Plattformen klären und einen fairen Wettbewerb sicherstellen sollen.
Der Data Governance Act und der Data Act sollen den Rahmen für den sicheren Austausch und die Nutzung von Daten bilden, während der AI Act einen regulatorischen Rahmen für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz schaffen soll. Trotz dieser Fortschritte blieben einige bedeutende Projekte, wie die Verordnung zur Bekämpfung von Kindesmissbrauchsmaterial und die Einführung des digitalen Euro, unvollendet. Die kommende Legislaturperiode 2024-2029 verspricht, diese Herausforderungen anzugehen und neue Initiativen voranzutreiben. Im Fokus stehen dabei die Sicherheit im digitalen Raum, die Transparenz digitaler Werbung und die Anpassung der Regelungen an die fortschreitende Digitalisierung. Diese Entwicklungen sind entscheidend, um die digitalen Rechte der Bürger zu schützen und das Vertrauen in digitale Technologien zu stärken.
Erreichte Ziele 2019-2024
Die im Folgenden genannten Gesetze wurden in der Legislaturperiode 2019-2024 beschlossen. Allerdings wurden nicht alle bereits im Amtsblatt der EU verkündet.
Digitale Dienste und Märkte
Digital Services Act (DSA): Der DSA zielt darauf ab, die Verantwortlichkeiten von Online-Plattformen klar zu regeln, die Transparenz in der Werbung zu erhöhen und den Schutz vor illegalen Inhalten zu verbessern. Durch diese Verordnung wurden Maßnahmen eingeführt, um Nutzer besser zu schützen und die Verbreitung illegaler Inhalte zu verhindern.
Digital Markets Act (DMA): Der DMA fokussiert sich auf die Regulierung großer Plattformen, die als "Gatekeeper" fungieren. Ziel ist es, einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten und Marktmissbrauch zu verhindern. Diese Verordnung stellt sicher, dass große digitale Plattformen ihre Marktmacht nicht missbrauchen und fairen Wettbewerb ermöglichen.
Datenschutz und Datennutzung
Data Governance Act und Data Act: Diese Verordnungen fördern das Teilen und die Nutzung von Daten innerhalb der EU, während die Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen und der Datenschutz und die Rechte der Bürger gewahrt bleiben sollen. Der Data Governance Act ist dabei ein Rahmenwerk für die Verwaltung und Verteilung von Daten, während der Data Act den Zugang und die Nutzung von Daten regeln wird, um Innovation und Effizienz zu fördern.
European Health Data Space (EHDS): Diese Initiative zielt darauf ab, den sicheren Austausch von Gesundheitsdaten zu fördern, um die Gesundheitsversorgung und Forschung innerhalb der EU zu verbessern. Der EHDS ermöglicht es, Gesundheitsdaten sicher und effizient zu nutzen, um bessere medizinische Ergebnisse zu erzielen und die Forschung zu unterstützen. Das Gesetz wird voraussichtlich im Laufe des Herbstes 2024 finalisiert.
Künstliche Intelligenz (KI)
AI Act: Der AI Act setzt einen regulatorischen Rahmen für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und adressiert dabei Fragen der Haftung und Transparenz bei der Nutzung von KI-Technologien. Diese Verordnung stellt sicher, dass KI-Anwendungen sicher und verantwortungsvoll entwickelt und eingesetzt werden. Der AI Act wird voraussichtlich im Juli 2024 verkündet.
Cybersicherheitskapazitäten
Der Cyber Solidarity Act soll die Cyberabwehr der EU stärken. Diese Verordnung wird dazu beitragen, die EU besser gegen Cyberangriffe zu schützen und die Widerstandsfähigkeit der digitalen Infrastruktur zu erhöhen. Das Gesetz wird voraussichtlich im Laufe des Herbstes 2024 finalisiert.
Cybersicherheitsanforderungen (Cyber Resilience Act)
Der Cyber Resilience Act fokussiert auf die Sicherheit digitaler Produkte. Diese Verordnung wird sicherstellen, dass digitale Produkte sicher und widerstandsfähig gegen Cyberbedrohungen sind, was das Vertrauen der Verbraucher und Unternehmen in digitale Technologien stärken wird. Das Gesetz wird voraussichtlich im Laufe des Herbstes 2024 finalisiert.
Haftung für fehlerhafte Produkte
Die neue Produkthaftungsrichtlinie wird die Haftung für fehlerhafte Produkte neu regeln. Sie wird sicherstellen, dass Hersteller und Anbieter für Schäden, die durch fehlerhafte Produkte verursacht werden, zur Verantwortung gezogen werden können. Das Gesetz wird voraussichtlich im Laufe des Herbstes 2024 finalisiert.
Vorausreisendaten (API)
Die (Advance Passenger Information) zielt darauf ab, Terrorismus und schwere Kriminalität zu bekämpfen. Diese Initiative wird die Sicherheit in der EU erhöhen, indem sie den Strafverfolgungsbehörden ermöglicht, potenzielle Bedrohungen frühzeitig zu identifizieren und zu verhindern.
Offene Projekte und Herausforderungen
CSAM-Verordnung (Chatkontrolle)
Trotz der Festlegung einer Position durch das Parlament im November wurde der Entwurf einer Verordnung zur Bekämpfung von Kindesmissbrauchsmaterial (CSAM) nicht abgeschlossen. Die Verhandlungen im Rat dauern an, und die kommenden Wahlen könnten die Verhandlungen beeinflussen. Es besteht dringender Handlungsbedarf, um den Schutz von Kindern im digitalen Raum zu stärken.
Digitaler Euro
Der Fortschritt bei der Einführung des digitalen Euro blieb ebenfalls aus. Das im Juni 2023 vorgelegte „Paket zur einheitlichen Währung“ wartet noch auf die Einigung von Parlament und Rat. Es wird erwartet, dass die Trilogverhandlungen nicht vor Sommer 2025 beginnen. Die Einführung des digitalen Euro könnte die digitale Wirtschaft stärken und die finanzielle Inklusion fördern.
KI-Haftungsrichtlinie
Die Arbeiten an der KI-Haftungsrichtlinie, die die Verantwortlichkeit bei Problemen mit KI-Anwendungen klären soll, stagnieren derzeit in den Ausschüssen. Eine Fortsetzung der Arbeiten wird erst im Herbst erwartet. Möglicherweise wird das Projekt aber auch aufgegeben – insbesondere im Parlament stellt man sich die Frage, ob es neben der neuen Produkthaftungsrichtlinie, dem Cyber Resilience Act und dem AI Act noch Schutzlücken gibt, die die Haftungsrichtlinie schließen müsste.
Geplante Initiativen für 2024-2029
Basierend auf veröffentlichten Informationen und Presseberichten lassen sich folgende fundierte Vermutungen über geplante Initiativen in der kommenden Legislaturperiode machen:
Datenspeicherung, Cookies und digitale Werbung
Die ePrivacy Verordnung soll aufgegeben werden. In ihre Stelle sollen folgende Gesetze treten:
Datenaufbewahrung
Ein neuer Vorschlag zur Datenaufbewahrung wird von der Kommission vorbereitet. Diese Verordnung soll die strittige Frage des Zugriffs von Strafverfolgungsbehörden auf elektronische Kommunikationsdaten regeln. Dies könnte zu intensiven Debatten über Datenschutz und Privatsphäre führen, da ein Gleichgewicht zwischen Sicherheitsanforderungen und dem Schutz der Bürgerrechte gefunden werden muss.
Digital Fairness Act
Der Digital Fairness Act soll Themen wie Web-Cookies, Influencer-Marketing, Dark Patterns und Vertragskündigungen abdecken. Ziel ist es, mehr Transparenz und Fairness im digitalen Raum zu schaffen. Diese Verordnung könnte das Vertrauen der Verbraucher in digitale Dienstleistungen erhöhen, indem sie irreführende Praktiken reduziert und klare Regeln für den Umgang mit Nutzerdaten festlegt.
Digitale Werbung
Eine weitere Gesetzesinitiative könnte darauf abzielen, die Transparenz im digitalen Werbesektor zu erhöhen und Machtungleichgewichte zugunsten großer Tech-Unternehmen anzugehen. Diese Initiative könnte zu einem gerechteren und transparenteren Werbemarkt führen, der sowohl den Verbrauchern als auch kleineren Unternehmen zugutekommt.
Audiovisuelle Medien und Altersverifikation
Überarbeitung der Audiovisuellen Mediendienste-Richtlinie (AVMSD)
Eine Überarbeitung soll die Regelungen an die fortschreitende Digitalisierung und die sich wandelnden Medienlandschaften anpassen. Ziel ist es, die Marktbedingungen für audiovisuelle Mediendienste zu verbessern und sicherzustellen, dass die EU-Medienregulierung den modernen Anforderungen entspricht.
Digitale Altersverifikations-Brieftasche
Eine digitale Brieftasche zur Altersverifikation soll die Sicherheit von Minderjährigen im digitalen Raum erhöhen und den DSA ergänzen. Diese Lösung würde es ermöglichen, das Alter von Nutzern verlässlich zu überprüfen, bevor sie Zugang zu altersbeschränkten Inhalten erhalten. Dies könnte das Vertrauen der Eltern und Erziehungsberechtigten in digitale Dienste stärken.
Anpassungen der Urheberrechtsrichtlinie bezüglich generativer KI
Angesichts der zunehmenden Nutzung generativer KI soll die Urheberrechtsrichtlinie angepasst werden, um die illegale Nutzung von Inhalten zu verhindern und die Rechte von Kreativen zu schützen. Diese Anpassungen könnten sicherstellen, dass KI-Systeme verantwortungsvoll und im Einklang mit den Rechten der Urheber entwickelt und genutzt werden.
Lizenzvereinbarungen für KI-Training
Die EU-Kommission plant die Entwicklung eines Lizenzmarktes für Trainingsdaten, um urheberrechtlich geschützte Inhalte für das Training generativer KI-Anwendungen zu nutzen. Dies umfasst die Einführung eines Opt-out-Protokolls für Rechteinhaber, um ihre Inhalte vor Daten-Scraping zu schützen. Diese Initiative wird sicherstellen, dass KI-Unternehmen faire und nicht diskriminierende Bedingungen für den Zugang zu Trainingsdaten haben und gleichzeitig die Rechte der Urheber respektieren.
Ein Blick in die Zukunft
In der Legislaturperiode 2019-2024 wurden bedeutende Fortschritte in der EU-Gesetzgebung erzielt, insbesondere im Bereich digitaler Dienste und Märkte. Der Digital Services Act und der Digital Markets Act wurden verabschiedet, um die Verantwortung von Online-Plattformen zu klären und den fairen Wettbewerb zu fördern. Im Datenschutz und der Datennutzung wurden der Data Governance Act und der Data Act implementiert, während der AI Act einen rechtlichen Rahmen für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz setzt. Maßnahmen zur Cybersicherheit, wie der Cyber Solidarity Act und der Cyber Resilience Act, wurden ebenfalls eingeführt, um die digitale Infrastruktur der EU zu stärken. Trotz dieser Fortschritte bleiben einige Initiativen, wie die Einführung des digitalen Euro und die KI-Haftungsrichtlinie, offen und bedürfen weiterer Arbeit in der kommenden Legislaturperiode. Alles in Allem dürfte der Gesetzestsunami der letzten Legislaturperiode aber abebben – nun geht es darum, die beschlossenen Regeln anzuwenden und bestehende Gesetze an die neue Umwelt anzupassen. Auch Unternehmen sollten ihre Vertragsbeziehungen daraufhin prüfen, ob diese mit den neuen Regeln kompatibel sind.