1. Juni 2022
Newsletter Marke-Design-Wettbewerb Juni 22 – 1 von 5 Insights
In einer hochaktuellen Entscheidung (Urteil vom 19. Mai 2022, Rs. C-466/20 – HEITEC) stellt der EuGH strenge Anforderungen an den Markeninhaber, um die Duldung einer Rechtsverletzung zu beenden. Diese Entscheidung hat erhebliche praktische Bedeutung, denn der Inhaber einer Marke oder eines Unternehmenskennzeichens, der die Benutzung einer jüngeren eingetragenen Marke über einen Zeitraum von fünf Jahren duldet, verwirkt die Ansprüche gegen die jüngere Marke (§ 21 Abs. 1 und 2 MarkenG bzw. Art. 61, 138 Abs.2 UMV).
Anlass für die Entscheidung waren Vorlagefragen des BGH zum Verfahren HEITEC II, Az: I ZR 56/19 (GRUR 2020, 1198). Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die HEITEC AG, ging als Inhaberin der prioritätsälteren Unionsmarke „HEITEC“ gegen die Benutzung der deutschen Marke „HEITECH PROMOTION“, der Unionsmarke „HEITECH“ sowie des Unternehmenskennzeichens der HEITECH Promotion AG vor. Nachdem sie die Beklagte im April 2009 erfolglos abgemahnt hatte, reichte sie im Dezember 2012 per Fax Klage beim Landgericht Nürnberg-Fürth wegen markenrechtlicher Unterlassungs- und Annexansprüche ein. Die Klage wurde jedoch erst im Mai 2014 zugestellt, da die Klägerin der wiederholten gerichtlichen Aufforderung, die Originale der Klageschrift nachzureichen und den Gerichtskostenvorschuss einzuzahlen, nur mit erheblicher Verzögerung nachkam. Nachdem die Vorinstanzen die Klageansprüche für verwirkt hielten, sah der BGH die Notwendigkeit, die Anforderungen an die Beendigung der Duldung durch den EuGH klären zu lassen, so insbesondere, ob eine die Verwirkung begründende Duldung durch eine Abmahnung, mit der der Inhaber des älteren Zeichens vor Einleitung gerichtlicher Schritte den Inhaber des jüngeren Zeichens zur strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordert, ausgeschlossen werden kann.
Der EuGH hatte bereits entschieden (Urteil vom 22. September 2011, Rs. C‑482/09 – Budějovický Budvar), dass jedenfalls die Einlegung eines behördlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs – als größtmögliche Formalisierung des Widerstands gegen die Rechtsverletzung – die Duldung beendet und folglich die Verwirkung verhindert. Nun stellte der EuGH fest: Eine Abmahnung kann die Verwirkungsfrist nicht unterbrechen, wenn sich der Adressat der Abmahnung weigert, dieser nachzukommen oder Verhandlungen aufzunehmen und der Markeninhaber nun nicht weiterhin seinen Widerstand gegen die Benutzung der jüngeren Marke zum Ausdruck bringt und innerhalb einer angemessenen Frist die ihm zur Verfügung stehenden – gerichtlichen – Maßnahmen ergreift. Der Markeninhaber darf sich also nicht mit dem Versenden einer Abmahnung begnügen; er hat vielmehr nach erfolgloser Abmahnung die für die Herbeiführung einer rechtsverbindlichen Lösung notwendigen Schritte zu unternehmen, um eine Verwirkung seiner Ansprüche zu verhindern.
Auf die weitere Vorlagefrage, ob es für die Berechnung des fünfjährigen Duldungszeitraums bei gerichtlichen Rechtsbehelfen auf deren Einreichung bei Gericht oder ihre Zustellung beim Anspruchsgegner ankommt und ob insofern von Bedeutung ist, wenn sich diese Zustellung aufgrund Verschuldens des Inhabers der älteren Marke bis über den Ablauf der Fünfjahresfrist verzögert, antwortete der EuGH: Maßgeblich ist die Einlegung des gerichtlichen Rechtsbehelf, konkret die Einreichung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes, vor Ablauf der Verwirkungsfrist. Denn durch die Einreichung der Klageschrift bringt der Markeninhaber eindeutig die klare und ernsthafte Absicht zum Ausdruck, seine Rechte geltend zu machen. Erfüllt der Kläger jedoch nicht die Anforderungen des nationalen Rechts, die für die Zwecke der Zustellung der Klageschrift gelten, und werden diese Mängel aus Gründen, die dem Kläger zuzurechnen sind, erst nach Ablauf der Verwirkungsfrist behoben, verhindert die Einreichung der Klageschrift nicht die Verwirkung markenrechtlicher Ansprüche. Der BGH hat nun zu prüfen, ob es hauptsächlich dem Verhalten der Klägerin – im Sinne einer mangelnden Sorgfalt – geschuldet war, dass die Mängelbehebung erst nach Ablauf der Verwirkungsfrist erfolgte.
Schließlich hatte sich der EuGH auch mit der Reichweite der Verwirkung zu befassen, nämlich ob die Verwirkung neben Unterlassungsansprüchen auch markenrechtliche Folgeansprüche wie auf Schadensersatz, Auskunft und Vernichtung erfasst. Dies bejahte der EuGH mit Blick auf die Wahrung der Rechtssicherheit. Der Inhaber der jüngeren Marke hat also mit Ablauf der Verwirkungsfrist Gewissheit, nicht mehr zur Zahlung von Schadensersatz oder gar zur Vernichtung von Ware verurteilt zu werden.
Die Entscheidung des EuGHs erhöht den Aufwand, den der Markeninhaber betreiben muss, um einer Verwirkung seiner markenrechtlichen Ansprüche entgegenzutreten. Auch nach einer (erfolglosen) Abmahnung hat der Markeninhaber die Durchsetzung seiner Ansprüche nachdrücklich weiterzuverfolgen und gerichtliche Maßnahmen zu ergreifen, um eine rechtsverbindliche Lösung herbeizuführen. Dass bereits die Einreichung der Klageschrift vor Ablauf der Verwirkungsfrist ausreicht, ist konsequent. Allerdings darf der Markeninhaber es auch hier nicht versäumen, alle ihm obliegenden Maßnahmen – wie insbesondere die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses – mit der notwendigen Sorgfalt durchzuführen, damit dem Anspruchsgegner die Klage zugestellt wird.
Ob die Klärung der Vorlagefragen durch den EuGH für das zugrunde liegende Verletzungsverfahren überhaupt noch Bedeutung haben wird, ist hingegen fraglich, denn die Klagemarke „HEITEC“ wurde in der Zwischenzeit ohnehin wegen mangelnder rechtserhaltender Benutzung für verfallen erklärt (EuG, Urteil vom 09.02.2022, Rs. T-520/19 – HEITEC). Auch diese Entscheidung ist für Markeninhaber bedeutsam, denn das EuG trifft praxisrelevante Feststellungen zu den Anforderungen an den Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung einer Marke.
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