Corporate Social Responsibility (CSR) hat in den letzten Jahren weltweit an Bedeutung gewonnen. Unternehmen haben die Notwendigkeit erkannt, die Interessen der Share- und Stakeholder im Einklang mit Umwelt-, Arbeits-, Sozial- und Menschenrechtsbelangen zu berücksichtigen, nicht nur um ihr Unternehmensimage zu verbessern, sondern auch um ein gutnachbarschaftliches Leben mit der Gemeinschaft zu führen, in der sie tätig sind.
CSR wird von immer mehr Start-ups, Familien- und mittelständischen Unternehmen verinnerlicht und praktiziert. Sie definieren sich als Purpose Unternehmer und wollen ihre Unternehmen zu Purpose Unternehmen (Unternehmen in Verantwortungseigentum bzw. VE-Unternehmen) transformieren. Ein VE-Unternehmen dient nicht in erster Linie dem Kapitalmarkt, sondern zielt darauf ab, die gesunde Balance zwischen Gewinn, Konkurrenzfähigkeit, Gemeinwohl und Nachhaltigkeit auf die Dauer herzustellen und aufrechtzuerhalten.
Die Philosophie des VE-Unternehmens
Das VE-Unternehmen soll die Grundidee der sozialen Marktwirtschaft leben:
Der Zweck des VE-Unternehmens ist nicht der Profit und dessen Ausschüttung an die Anteilseigner, sondern die Reinvestition von erwirtschafteten Gewinnen in nachhaltige Ziele des Unternehmens.
Bei einem VE-Unternehmen dürfen Investoren nicht mitbestimmen, stattdessen liegen die Stimmrechte beim Unternehmer. So behält der Unternehmer die Kontrolle über die Unternehmensaktivitäten und stellt die Mission des Unternehmens immer im Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns. Der Unternehmer sieht sich eher als Treuhänder und nicht als Eigentümer des VE-Unternehmens.
Er hat eine treuhänderische Funktion und kann die Firma nicht verkaufen oder vererben. Bei seinem Ausscheiden gibt er sie an den nächsten (treuhänderischen) Geschäftsführer weiter. Das VE-Unternehmen gehört also „sich selbst“.
Deutsche Rechtsformen und Eigentümerstrukturen für Verantwortungseigentum
In Deutschland lässt sich Verantwortungseigentum mit Hilfe verschiedener Rechtsformen und Eigentümerstrukturen umsetzen:
- Die gGmbH
Die gGmbH unterscheidet sich im Wesen von einer klassischen GmbH, indem sie ihre Gewinne für gemeinnützige Zwecke einsetzt. Eine gGmbH ist grundsätzlich selbstlos und gemeinwohlorientiert. Nicht die Profitmaximierung, sondern die Gemeinnützigkeit steht im Vordergrund. Um den Status der Gemeinnützigkeit zu erhalten, erfolgt eine Überprüfung durch die Finanzverwaltung, denn die gGmbH ist von der Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer befreit. Die Gewinne dürfen nur ausgeschüttet werden, wenn der Gesellschafter selbst gemeinnützig ist.
- Das Veto-Anteil-Modell
Das Unternehmen wird von Treuhandeigentümern geführt, die stimmberechtigte, jedoch nicht frei veräußerliche oder vererbliche Anteile halten und über keine bzw. bedingte Gewinnbezugsrechte sowie keine Liquidationserlösrechte verfügen. Eine Änderung dieser in der Satzung des Unternehmens festgelegten Rechtsposition der „Verantwortungs-„Eigentümer ist nur mit Zustimmung des bzw. der Veto-Anteil-Inhabers möglich. In der Regel handelt es sich dabei um eine auf Veto-Recht spezialisierte Stiftung, die als Minderheitsgesellschafterin mit dem Recht ausgestattet wird, gegen einen Unternehmensverkauf oder Satzungsänderungen, die die Trennung von Stimm- und Dividendenrechten unterminieren, ein Veto einzulegen. Beim Ausscheiden der Treuhandeigentümer werden die Anteile an nach festgelegten Regeln ausgewählte Nachfolgerinnen und Nachfolger oder an das Unternehmen weiter- bzw. zurückgegeben.
- Das Einzelstiftungsmodell
Das Unternehmen gehört mehrheitlich einer sich selbst verwaltenden, meist gemeinnützigen Stiftung, die keine Gewinne an private Personen ausschüttet. In der Regel hat die Stiftung zwei Entscheidungsgremien – den Unternehmensrat, der die Stimmrechte ausübt, und den gemeinnützigen Stiftungsrat, der für die Verteilung von Gewinnen für gemeinnützige Zwecke verantwortlich ist und häufig den Unternehmensrat bestimmt.
- Das Doppelstiftungsmodell
In der Unternehmenssatzung werden zwei Anteilsklassen geschaffen: Anteile mit Stimmrechten ohne Dividendenrechte und Anteile mit Dividendenrechten ohne Stimmrechte. Die Anteilsklassen werden in einem dafür geschaffenen Rechtsträger gehalten: Die Anteile mit Dividendenrechten werden meist einer gemeinnützigen Stiftung, einer gGmbH oder einem Verein gespendet oder verkauft, die Anteile mit Stimmrechten werden von Treuhandeigentümer gehalten wird, z.B. mithilfe einer zweiten Stiftung, eines Vereins oder einer KG.
Ausländische Rechtsformen und Eigentümerstrukturen für Verantwortungseigentum
In Dänemark ist die Eigentümerstruktur des Einzelstiftungsmodells weit verbreitet.
In den Niederlanden sind Einzelstiftungsmodelle in sog. STAK-Strukturen organisiert – eine Sonderform der Stiftung, die aktienähnliche Zertifikate/Derivate ausstellen darf.
In Großbritannien wird das Trust-Partnership-Modell praktiziert: Das Unternehmen gehört einem Trust, den Partnerinnen und Partnern des Unternehmens und ihre Interessen mittels eines demokratisch gewählten Partnerrates vertritt. Die Geschäftsführung wird dagegen meritokratisch gewählt und von dem Partnerrat überwacht und kontrolliert. Die Partnerinnen und Partner des Unternehmens können nur beschränkt an den Gewinnen partizipieren. Das Unternehmen selbst wird als unverkäuflich ausgestaltet.
Schließlich ist noch der Perpetual Purpose Trust (PPT) aus den USA zu erwähnen: Der PPT hält die Mehrheit der Stimmrechte am Unternehmen und bestimmt die Geschäftsführung. Der Trust wird von einem sog. Trust Protector Committee geleitet, dessen Zusammensetzung flexibel ausgestaltet ist und in der Regel eine Vielzahl von Stakeholdern einbindet.
Unzulänglichkeiten der bestehenden Rechtsformen und Eigentümerstrukturen
Aufgrund der sehr hohen und engen rechtlichen Anforderungen an die steuerliche Anerkennung der Gemeinnützigkeit eignet sich die gGmbH nur selten als Rechtsform, die dem Flexibilitätsbedürfnis eines VE-Unternehmens als aktiven Akteur der Sozialmarktwirtschaft gerecht werden will.
Das Stiftungskonstrukt mag zum einen für Start-ups oder mittelständische Unternehmen zu kompliziert, zum anderen aber auch aufgrund des starren Stiftungszwecks und aufgrund der strikten Trennung von Eigentum und Verantwortung in den Stiftungsmodellen nicht interessensgerecht sein.
Schließlich unterliegt die Stiftung der Stiftungsaufsicht. Der Einsatz von ausländischen Rechtsformen und Eigentümerstrukturen erfordert eine einzelfallbezogene, fundierte Auseinandersetzung sowohl mit der ausländischen Rechtsordnung als auch mit der rechtlichen Behandlung der Rechtsform in Deutschland.
Vorschlag einer neuen alternativen Rechtsform für Verantwortungseigentum
Ende 2019 wurde die Stiftung Verantwortungseigentum in Berlin gegründet, die die Verbreitung und Förderung des alternativen Modells Verantwortungseigentum anstrebt. Dazu liegt bereits ein „Entwurf eines Gesetzes für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum“ (GmbHG-E) vor, der die Ergänzung des GmbH-Rechts und die Schaffung einer neuen Rechtsform, der GmbH-VE (GmbH im Verantwortungseigentum), wie folgt vorsieht:
- Dauerhafte Vermögensbindung/Asset-lock
Gesellschafter haben keinen Anspruch auf die Gewinne und das Vermögen der Gesellschaft weder im laufenden Unternehmen noch bei Auflösung und Liquidation der Gesellschaft (§§ 77e Abs. 1 und 2, 77f, 77j Abs. 1 GmbHG-E). Nur die Einlage wird im Fall der Auflösung der Gesellschaft und bei Ausscheiden eines Gesellschafters erstattet (§§ 77i Abs. 1, 77j Abs. 2 GmbHG-E).
- Sicherung der Fähigkeiten- und Wertefamilie
Die GmbH-VE soll über die Generation der Gründer hinaus langfristig nur mit Gesellschaftern erfolgreich sein, die von dem Konzept des Verantwortungseigentums und der Vision des konkreten Unternehmens überzeugt sind. Daher wird die Übertragbarkeit der Geschäftsanteile stark beschränkt: Die Anteile werden vinkuliert und grundsätzlich nur auf natürliche Personen, andere Gesellschaften in VE oder Rechtsträger mit in gleicher Weise gesetzlich dauerhaft gebundenem Vermögen übertragbar (§ 77b Abs. 2 GmbHG-E) bzw. vererbbar (§ 77b Abs. 3 S. 7 bis 9 GmbHG-E). Gänzlicher Ausschluss der Vererblichkeit der Anteile ist möglich (§ 77b Abs. 3 und 4 GmbHG-E).
- Absicherung der Vermögensbindung durch geeignete Governance
Eine geeignete Governance muss die zwingende Vermögensbindung der GmbH-VE sicherstellen und Missbrauchs- bzw. Umgehungsversuchen entgegenwirken (§ 77h GmbHG-E). Gestaltungsfreiheit Am Grundsatz der Satzungsautonomie der Gesellschafter wird weitestgehend festgehalten. Einige Vorschriften, die das VE-Konzept umsetzen, sollen jedoch zwingend und unumkehrbar sein. Insbesondere die Vermögensbindung bzw. die Wahl der VE-GmbH als Rechtsform im Sinne eines echten Asset Locks sollen nicht mehr rückgängig gemacht werden können, § 77a Abs. 2 S. 2 GmbHG-E.
Fazit
Der Vorschlag hat medial hohe Wellen geschlagen und ein geteiltes Echo ausgelöst. In der Beratungspraxis spielen auf Verantwortungseigentum ausgelegte Gestaltungen zunehmend eine wichtige Rolle. Sollte der vorgelegte Gesetzesentwurf zum GmbHG in so oder in ähnlicher Form umgesetzt werden, steht in Zukunft eine deutlich weniger komplexe Gestaltung zur Verfügung.
Autor: Nikolay Stoykov