Nun liegt er also vor, der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Wir haben den Vertrag mit der „IP- und UWG-Brille“ durchgesehen und stellen nachfolgend die aus unserer Sicht wichtigsten Punkte zusammen.
Bekenntnis zur „guten Gesetzgebung“
Vorab unser Highlight: Die künftige Koalition verspricht unter der Überschrift „Gute Gesetzgebung“ wörtlich: „Gesetze, Verordnungen und Regelungen, die nicht gemacht werden müssen, werden wir nicht machen.“ (Zeile 1866). Ein guter Gedanke, wir sind gespannt!
Geistiges Eigentum
Viel gibt der Koalitionsvertrag nicht her zum Thema Geistiges Eigentum bzw. IP-Rechte. Hier und da tauchen sie auf, v.a. der Schutz von Urheberrechten im Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz. An ein paar wenigen Stellen wird geistiges Eigentum explizit erwähnt:
- Nationale IP-Strategie im Rahmen der Forschung
Unter der großen Überschrift „Bildung, Forschung, Innovation“ wird ein Innovationsfreiheitsgesetz angekündigt. In diesem Rahmen kündigt die künftige Koalition an: „Wir legen eine nationale IP-Strategie (geistiges Eigentum) vor.“
- Stärkung von Urheberrechten
Explizite Erwähnung findet das Urheberrecht im Abschnitt „Recht“ (ab Zeile 2824). Die Parteien wollen für einen „fairen Ausgleich der Interessen aller Akteure“ (Kreative, Wirtschaft und Nutzer) sorgen. Bei der Entwicklung generativer KI müssen Urheber für die Nutzung ihrer Werke angemessen vergütet werden, im digitalen Musikmarkt die Kreativen von Streamingplattformen angemessen beteiligt werden. Es soll ein unabdingbares Recht auf eine regelgerechte Abrechnungsprüfung eingeführt werden (Zeile 2830).
- Entwicklung fairer und transparenter Vergütungsmodelle
Im großen Abschnitt „Kultur und Medien“ bekräftigen die Koalitionspartner „Wir setzen Recht an geistigem Eigentum konsequent durch und schützen kreative Produkte.“ (Zeile 3902). Im Musikmarkt sollen faire und transparente Vergütungsmodelle entwickelt werden.
Verbraucherschutz
Dem Schutz von Verbraucherrechten scheinen sich die Parteien ausführlicher gewidmet zu haben. Ihn erwähnt der Koalitionsvertrag an mehreren Stellen und in unterschiedlichen Zusammenhängen, von ganz allgemein bis sehr konkret.
- Stärkung von Verbraucherrechten
Zunächst finden Verbraucherrechte eine Erwähnung im ersten großen Abschnitt „Ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung, Umwelt“, wo man sie nicht unbedingt vermutet hätte. Dort heißt es unter der Überschrift „Verbraucherinnen und Verbraucher“ zunächst ganz allgemein „Verbraucherinnen und Verbraucher sollen selbstbestimmt entscheiden können. Wir unterstützen sie durch starke Rechte, Transparenz und Information, Beratung und Bildung, Schutz und Vorsorge.“ (Zeilen 1286-1288).
- Mehr Transparenz bei versteckten Preiserhöhungen
Im selben Abschnitt steht auch die Absicht, sich für mehr Transparenz bei versteckten Preiserhöhungen einzusetzen (Zeilen 1295f.). Die seit Mai 2022 gültige Preisangabenverordnung (PAngV), die die Vorgaben aus Preisangaben-Richtlinie der EU umsetzt, hat diesbezüglich die Anforderungen an die Transparenz schon deutlich erhöht (siehe dazu unser Insight hier). Die Vorgaben aus § 11 PAngV wurden und werden von der Rechtsprechung derzeit in zahlreichen Verfahren konkretisiert. Ob die Absichtserklärung der Koalitionspartner nun dazu führt, dass auch die gesetzlichen Regelungen nochmals verschärft werden, bleibt abzuwarten.
- Verbot von Dark Patterns
Der Abschnitt „Digitales“ (ab Zeile 2138) widmet sich ausführlich der Digitalpolitik, dem Ausbau und der Stärkung der Digitalinfrastruktur sowie der Künstlichen Intelligenz. Deutschland soll Spitzenstandort für Zukunftstechnologien werden (Zeile 2256). Aus Verbrauchersicht relevant: Die Koalitionspartner wollen die EU-Plattformgesetze konsequent durchsetzen und sich für ein Verbot unlauterer Geschäftspraktiken wie Dark Patterns und süchtig machenden Designs einsetzen (Zeilen 2291f.).
- Entschädigungen über automatisierte Lösung (Smart Contracts)
Eine für Verbraucher sicher erfreuliche Möglichkeit sieht die künftige Koalition für die Geltendmachung von Entschädigungs- oder Ausgleichszahlungen vor: Liegen die relevanten Daten auf Grund der Buchung über eine App oder online dem Anbieter bereits vor, soll eine Entschädigung digital über vorausgefüllte Formulare möglich werden (Zeilen 2777f.).
- Regulierung des Ticketzweitmarkts
Unter der großen Überschrift „Recht“ erhält der sog. Ticketzweitmarkt einen eigenen Abschnitt (Zeilen 2790-2797). Die künftige Koalition will diesen Zweitmarkt für Sport- und Kulturveranstaltungen stärker regulieren, „um Verbraucher vor überhöhten Preisen, Intransparenz und betrügerischen Verkaufspraktiken zu schützen und Veranstalter besser in die Lage zu versetzen, sich gegen unlauteres Verhalten von Ticketspekulanten zur Wehr zu setzen.“ Es sollen Preisobergrenzen ermöglicht, Transparenz hergestellt und Plattformen verpflichtet werden, nach dem „notice and takedown“-Prinzip ein Meldesystem vorzuhalten.
- Bestätigungslösung für telefonisch angebahnte Dauerschuldverhältnisse
Gleich nach dem Ticketzweitmarkt wird der Verbraucherschutz zunächst ganz konkret und danach sehr allgemein angesprochen: Konkret soll eine Bestätigungslösung für telefonisch angebahnte Dauerschuldverhältnisse eingeführt werden (Zeilen 2799f.). Etwas allgemeiner führen die Koalitionspartner aus: Wir setzen uns auf europäischer Ebene für Verbraucherinteressen im digitalen Raum und insbesondere für die Schließung von Schutzlücken im Verbraucherrecht ein. Unser Ziel ist, dass digitale Angebote schon „by design“ und „by default“ verbraucherfreundlich gestaltet werden.“ (Zeilen 2800-2803).
Bürokratierückbau, Staatsmodernisierung und moderne Justiz
Sieht man sich den Koalitionsvertrag mit der etwas größeren „allgemeinen“ Juristen-Brille an, erscheint noch erwähnenswert, was sich die künftige Koalition zur Modernisierung der Justiz vorgenommen hat.
So soll der Zugang zum Recht erleichtert und die Justiz „in der Fläche“ gefestigt werden (Zeile 2033). Im Hinblick auf die Zuständigkeiten der Instanzen legt der Koalitionsvertrag fest, dass der Zuständigkeitsstreitwert der Amtsgerichte und die Rechtsmittelstreitwerte erhöht werden sollen. Außerdem soll ein Online-Verfahren in der Zivilgerichtsbarkeit eingeführt werden (Zeilen 2033-2035).
Das Verfahrensrecht soll ins digitale Zeitalter überführt werden: Nach Wunsch der Koalition sollen Verfahrensplattformen an die Stelle klassischer Akten treten und digitale Beweismittel ermöglicht werden. Erfreulich: Die Verfahrensdauern sollen „generell erheblich verkürzt“ werden. Für Richter sollen weitere Möglichkeiten der Verfahrensstrukturierung geschaffen werden, etwa durch Vorgaben zur Strukturierung des Parteivortrags. (Zeilen 2038-2043).
Und was bedeutet das nun?
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Koalitionsvertrag dem Medien- und Wettbewerbsrecht, insbesondere im Kontext digitaler Plattformen, KI und fairer Marktbedingungen, erhebliche Aufmerksamkeit widmet. Das geistige Eigentum kommt, mit Ausnahme des Urheberrechts, etwas kurz: So werden Marken-, Design-, Geschäftsgeheimnis- oder Patentrecht nicht explizit genannt, auch wenn Maßnahmen zur Innovations- bzw. Wirtschaftsförderung diese ggf. tangieren können. Auffällig ist, dass im Rahmen des Verbraucherschutzes die Nachhaltigkeitswerbung zum Schutz vor Greenwashing keinerlei Erwähnung findet. Ein Grund dafür könnte sein, dass mit dem Entwurf der Green Claims -Richtlinie derzeit ein Regelungsvorhaben der EU auf dem Tisch liegt, das äußerst umstritten ist, sodass die künftigen Koalitionspartner die weitere Entwicklung erst einmal abwarten wollen.
Und aus vergangenen Koalitionsverträgen wissen wir: Was von den zahlreichen Vorhaben letztlich auch umgesetzt wird bzw. werden kann, steht ohnehin in den Sternen.