Update vom 19. April 2023: Die neue PAngV – was hat sich seit Inkrafttreten getan?
Am 28. Mai 2022 ist die neue Preisangabenverordnung (PAngV) in Kraft getreten. Seither gilt bei der Werbung mit Rabatten eine neue preisangabenrechtliche Informationspflicht. Es muss der sog. niedrigste 30-Tage-Preis als Referenzpreis angegeben werden. Dies stellte und stellt Verkäufer bzw. Händler vor nicht unerhebliche neue Herausforderungen.
Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die neue Regelung und die sich daraus ergebenden Implikationen für Werbetreibende, die Rabatte als Absatzförderungsmittel einsetzen.
Europäischer Kontext
Mit der Richtlinie (EU) 2019/2161 (sog. Omnibus-Richtlinie), die im Januar 2020 in Kraft getreten ist und mit der der sog. „New Deal for Consumers“ umgesetzt wurde, ging auch eine Änderung der sog. Preisangaben-Richtlinie (Richtlinie 98/6/EG ) einher. Dies führte dazu, dass der deutsche Gesetzgeber die Preisangabenverordnung (PAngV) anpassen musste.
Die neue PAngV gilt in Deutschland seit dem 28. Mai 2022. Übergangsfristen gab es nicht.
Besonders praxisrelevant sind in diesem Zusammenhang die neuen Regelungen zur Transparenz von Preisermäßigungen. Diese sind in dem neuen § 11 PAngV n.F. verankert. Sie begründen für den Verkäufer/Händler eine gänzlich neue Informationspflicht mit weitreichenden praktischen Auswirkungen für alle Werbetreibenden. Daher werden diese Neuerungen nachfolgend genauer beleuchtet. Den weiteren Änderungen der PAngV kommt dagegen eine eher untergeordnete Bedeutung zu, sie werden hier daher ausgeklammert.
Neue Regelungen zur Transparenz von Preisermäßigungen = neue Informationspflicht!
Die neue Informationspflicht bei der Werbung mit Preisermäßigungen gegenüber Verbrauchern ergibt sich aus § 11 PAngV n.F., der die Vorgaben des Art. 6a der Preisangaben-Richtlinie in deutsches Recht umsetzt. Ziel ist, Verbrauchern zu ermöglichen, Preisermäßigungen besser einschätzen und Preise aufgrund einheitlicher Informationen besser bewerten zu können. § 11 PAngV n.F. soll insbesondere verhindern, dass bei Werbung mit Preisermäßigungen mit „künstlich“ hohen Vergleichspreisen geworben wird, die vor der Ermäßigung nur für sehr kurze Zeit oder sogar nie verlangt worden sind.
Der neue „niedrigste Preis der letzten 30 Tage“ als Referenzpreis
Nach § 11 PAngV n.F. ist nun jeder bekanntgegebenen Preisermäßigung der sog. niedrigste Preis des Verkäufers/Händlers der letzten 30 Tage vor Anwendung des ermäßigten Preises zugrunde zu legen. Dieser muss künftig als Referenzpreis zusätzlich angegeben werden!
Beispiel 1:
Beispiel 2:
Dieser niedrigste 30-Tage-Preis muss für den jeweiligen Verkaufskanal individuell ermittelt werden. Dabei gelten der stationäre Handel und der Online-Vertrieb als verschiedene Vertriebskanäle. Auch verschiedene Filialen können als jeweils eigene Vertriebskanäle gelten. Werden unterschiedliche Ausführungsformen bzw. Produktvarianten (unterschiedliche Größen/Farben usw.) zu abweichenden Preisen verkauft, muss seit dem 28. Mai darauf geachtet werden, den jeweils niedrigsten Preis der letzten 30 Tage für die jeweilige Ausführung als Referenzpreis für die Ermäßigung anzugeben.
Eine Ausnahme gilt bei einer schrittweisen, ohne Unterbrechung ansteigenden Preisermäßigung, § 11 Abs. 2 PAngV n.F. In einem solchen Fall kann der Händler bei der Ermittlung des niedrigsten 30-Tage-Preises auf den Preis abstellen, der vor Beginn der fortlaufenden und schrittweisen Preisermäßigung galt.
Beispiel 3:
Art und Weise der Angabe des Referenzpreises
Zur Art und Weise der Preisangabe enthält die neue PangV keine Vorgaben. Bei einer allgemeinen Rabattankündigung, wie z.B. in einem Newsletter, einem Prospekt oder als Online-Banner, reicht die Angabe des Referenzpreises im Geschäft an der Ware selbst (z.B. Preisschild) oder in der Preissektion des Webshops. Die Referenzpreisangabe muss somit nicht zwingend schon mit der Werbung für die Preisermäßigung erfolgen. Auch ein sog. Medienbruch ist möglich.
Bekanntgabe von Preisermäßigungen - Anwendungsbereiche
Welche Arten von Preiswerbungen lösen die neue Informationspflicht aber nun aus? Das Gesetz formuliert in § 11 Abs. 1 PAngV ganz allgemein „bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung“.
Hierunter fallen zunächst alle messbaren Preisermäßigungen, wie insbesondere
- „10 Prozent Rabatt“
- „10 Euro Abzug/weniger“
- Gegenüberstellung alter und neuer Preis („jetzt nur 50 Euro statt 70 Euro“), insbes. in Form von Statt- oder Streichpreisen
- „Heute Mehrwertsteuer geschenkt“ (o.ä.)
Der Anwendungsbereich ist allerdings auch dann eröffnet, wenn zwar keine unmittelbar messbare Preisermäßigung bekanntgegeben wird, durch die konkrete Gestaltung/Formulierung der Werbung aber dennoch der Eindruck einer Preisermäßigung erweckt wird, wie z.B. bei Verwendung von Begriffen wie
- „Schlussverkaufspreis“
- „Sonderangebot“
- „Sale“
- „Black Friday-Angebot“
Unerheblich ist auch, ob sich die Preisermäßigung lediglich auf einzelne Produkte oder auf eine bestimmte Warengattung („20 Prozent auf alle Winterjacken“) oder sogar auf das gesamte Sortiment („10 Prozent auf Alles“) bezieht. In allen Fällen wird der Anwendungsbereich des § 11 PAngV eröffnet.
Ausnahmen
Bewegt man sich als Werbetreibender im Rahmen der folgenden Ausnahmen, unterliegt man der neuen Informationspflicht nicht:
- Bloße Angabe des ermäßigten Preises (ohne Erwähnung des vorherigen Preises)
- Verwendung allgemeiner Preisaussagen ohne Eindruck einer Ermäßigung, wie z.B. Dauerniedrigpreis, Bestpreis
- Bloße Preisgegenüberstellungen mit Hersteller-UVP
- Individuelle Rabatte (z.B. Geburtstagsrabatt, 10Prozent-Gutschein für den nächsten Einkauf) = gesetzliche Ausnahme, § 11 Abs. 4 Nr. 1 PAngV n.F.
- Rabatte im Rahmen von Loyalitätsprogrammen/Kundentreueprogrammen
- Wiederkommerrabatte
- Drauf- und Dreingaben bzw. Mengenrabatte („3 zum Preis von 2“ oder „1 + 1 gratis“ oder „10 Prozent Rabatt ab 10 Stück“)
- Preisermäßigungen für schnell verderbliche Waren oder Waren mit kurzer Haltbarkeit, wenn die Preisermäßigung aus diesem Grunde erfolgt und auf diesen Grund hingewiesen wird = gesetzliche Ausnahme, § 11 Abs. 4 Nr. 2 PAngV n.F.
- Rabattierungen in Bezug auf Dienstleistungen (siehe hierzu auch nachfolgend „Adressat der Neuregelung“)
Adressat der Neuregelung
Die neue Informationspflicht gilt für jeden Unternehmer, der Verbrauchern Waren anbietet oder als Anbieter von Waren gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt. Keine Rolle spielt, ob die Werbung mit der Preisermäßigung durch den Händler selbst oder einen von ihm beauftragten Dritten erfolgt.
Die Neuregelung gilt zudem für alle Vertriebswege, also sowohl für den stationären Handel als auch für den Online-Handel sowie für alle sonstigen Vertriebswege.
Keine Anwendung findet die neue Regelung hingegen auf die Preiswerbung betreffend Dienstleistungen, § 11 PAngV n.F.
Fazit
- Die Neuregelung des § 11 PAngV hat in der Praxis enorme Auswirkungen auf die Werbung mit Preisermäßigungen. De facto ist dadurch so manche Rabatt-Aktion nicht mehr möglich bzw. aufgrund der sich daraus ergebenden Konsequenzen nicht mehr im Sinne des Werbetreibenden. Insbesondere muss berücksichtigt werden, dass jede Werbung mit einer Preisermäßigung nicht nur zu der neuen Pflichtangabe führt, sondern der reduzierte Preis gleichzeitig auch einen neuen, niedrigsten 30-Tage-Preis begründet, auf den referenziert werden muss.
- Von der Neuregelung ist die Preiswerbung mit prozentualen Rabatten daher besonders betroffen. Hier ist darauf zu achten, dass der richtige Bezugspreis für die Preisermäßigung angegeben wird, nämlich der niedrigste Preis der letzten 30 Tage, selbst wenn dieser bereits ein reduzierter Preis war. Das heißt, die beworbenen Prozente müssen auch von diesem niedrigsten Preis der letzten 30 Tage abgezogen/berechnet werden. Gleichzeitig gilt dann z.B. bei Aktionen wie „30 Prozent auf alle Jacken“ oder „10 Prozent auf Alles“, dass für jedes Produkt, für das diese Rabattaktion gilt, ein neuer niedrigster 30-Tage-Preis entsteht. Dies kann zu unerwünschten Effekten beim Verkäufer/Händler führen.
- Bei der Werbung mit Preisermäßigungen ist daher besondere Vorsicht geboten. Auch bedingt die neue Regelung erheblichen Dokumentationsaufwand zu Lasten der Händler, da sie bei einer Werbung mit Preisermäßigungen stets in der Lage sein müssen, für das jeweilige Produkt den jeweiligen niedrigsten 30-Tage-Preis zu ermitteln und im Streitfall nachzuweisen, ggf. auch gesondert für jeden Vertriebsweg und für jede Ausführungsform.
- Die Neuregelung bietet aber auch durchaus Spielraum für kreative Gestaltungen. Insbesondere die Ausnahme von individuellen Rabatten und Loyalitätsprogrammen sowie die weiterhin bestehende Möglichkeit der Werbung bzw. Gegenüberstellung mit einer Hersteller-UVP geben hierfür Raum.
- Wie so oft bei neuen Gesetzen wird eine gewisse Rechtsunsicherheit zunächst unvermeidbar sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn man sich mit seinen Werbemaßnahmen in die Graubereiche des neuen Gesetzes hineinbewegt. Einige Begriffe bedürfen der Auslegung und Konkretisierung. Die Begründung des Gesetzgebers ist zum Teil recht dürftig. Die Europäische Kommission hat zwar inzwischen in Bezug auf den der Neuregelung zugrundeliegenden Art. 6a der Richtlinie 98/6/EG Auslegungs- und Anwendungsleitlinien erlassen. Diesen kommt aber keine, die deutschen Gerichte unmittelbar bindende Wirkung zu. Erst die Rechtsprechung wird daher hier im Laufe der Jahre für Klarheit sorgen. Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass insbesondere die Verbraucherverbände entsprechende Fälle aufgreifen und zu den Gerichten tragen werden.
- Auch die Frage einer möglichen Umgehung der gesetzgeberischen Wertungen wird dabei eine wichtige Rolle spielen. So muss es sich z.B. bei der Ausnahme von individuellen Rabatten tatsächlich um echte individuelle Rabatte (z.B. Geburtstagsgutscheine) handeln, die nicht tatsächlich einem Großteil der Verbraucher gewährt werden (z.B. „heute 20 Prozent Rabatt bei Eingabe des Rabattcodes 123“).
Es bleibt daher mit Spannung abzuwarten, wie streng sich die Gerichte bei der Anwendung dieser neuen Vorschrift zeigen und welche neuen Fallgruppen sich dabei herauskristallisieren werden.