Online-Händler mussten Verbraucher im Rahmen ihrer Online-Präsenz bisher auf die Plattform der EU zur Online-Streitbeilegung (Online Dispute Resolution/ ODR) hinweisen. Die Abschaffung dieser ODR-Plattform ist nun beschlossene Sache. Gleichzeitig plant die EU eine umfassende Reform der Richtlinie zur Alternativen Streitbeilegung (Alternative Dispute Resolution / ADR-Richtlinie), um Verbraucherrechte zu stärken und Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung zu modernisieren. Unternehmen müssen aktiv werden, um den neuen Regelungen zu entsprechen.
Hintergrund
Seit dem Jahr 2016 galt in der EU die Verordnung über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (Verordnung (EU) Nr. 524/2013, ODR-VO). Auf Grundlage der Verordnung hat die EU die ODR-Plattform eingerichtet und betrieben, über die Verbraucher grenzüberschreitende Streitigkeiten mit Online-Händlern schnell und effektiv außergerichtlich beilegen können sollen. Alle Online-Anbieter und -Marktplätze müssen prominent auf die ODR-Plattform hinweisen, sofern ihr Angebot an Verbraucher gerichtet ist (B2C).
Die ODR-Plattform fand aber kaum Anklang und soll wegen geringer Nutzung konsequenterweise eingestellt werden. Die sehr kurze Verordnung (EU) 2024/3228, die die Aufhebung der bisherigen ODR-Plattform regelt, ist bereits am 19. Januar 2025 in Kraft getreten. Ab dem 20. März 2025 können keine neuen Beschwerden mehr über die Plattform eingereicht werden. Zum 20. Juli 2025 wird die Plattform endgültig eingestellt, und alle zugehörigen Daten werden gelöscht.
Notwendige Maßnahmen
Unternehmen, die in AGB, im Impressum oder an anderen Stellen ihrer Website auf die ODR-Plattform verweisen, sollten diese Hinweise zum 20. Juli 2025 entfernen. Hinweise gemäß Art. 14 ODR-VO sind erst ab diesem Datum nicht mehr verpflichtend, denn die ODR-VO gilt bis zu diesem Zeitpunkt fort und die VO (EU) 2024/3228 setzt Art. 14 ODR-VO nicht früher außer Kraft. Zur Vermeidung lästiger Abmahnungen sollte der Hinweis nicht früher entfernt werden.
Reform der ADR-Richtlinie
Parallel zur Abschaffung der ODR-Plattform wird die ADR-Richtlinie (2013/11/EU) umfassend überarbeitet. Ziel ist es, die alternative Streitbeilegung effizienter zu gestalten und Verbraucherrechte zu stärken.
Die ADR-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten seit Sommer 2015 zur Einrichtung alternativer Streitbeilegungsstellen für Streitigkeiten zwischen in der EU niedergelassenen Unternehmern und in der EU wohnhaften Verbrauchern im Zusammenhang mit Dienstleistungs- und Kaufverträgen. Deutschland hat die Richtlinie vor allem im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) in nationales Recht umgesetzt. Nur wenige Branchen müssen derzeit verpflichtend an alternativen Streitbelegungsverfahren teilnehmen. Alle mit Verbrauchern Verträge schließenden Unternehmen müssen aber auf ihrer Website und in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen über ihre verpflichtende oder freiwillige Teilnahme an alternativen Streitbeilegungsverfahren informieren.
Mögliche Erweiterung des Anwendungsbereichs
- Geografische Ausweitung: Diskutiert wird die Einbeziehung von Händlern außerhalb der EU.
- Sachliche Ausweitung: Geplant ist die Einbeziehung digitaler Produkte, vorvertraglicher Ansprüche sowie nichtvertraglicher Streitigkeiten, etwa Diskriminierung oder unfaire Handelspraktiken.
Mögliche Änderungen bei Verfahren und Händlerpflichten
Folgende Änderungen werden konkret diskutiert:
- Es sollen Antwortfristen eingeführt werden, um Unternehmen zur Teilnahme an verbraucherseitig initiierten alternativen Streitbeilegungsverfahren zu bewegen. Wenn eine ADR-Stelle eine Anfrage übermittelt, wären Unternehmen dann verpflichtet, fristgemäß eine Erklärung über ihre freiwillige Teilnahme am Verfahren abzugeben. Diskutiert wird primär eine Frist von 20 Arbeitstagen. Allerdings hat der Ablauf der Frist in keinem der Vorschläge eine für den Händler nachteilige Wirkung.
- Unternehmer sollen die Ablehnungen oder die Nichtumsetzung von Entscheidungen der alternativen Streitbeilegungsstelle schriftlich begründen müssen.
- Einführung von Mindestqualifikationen für Personal alternativer Streitbeilegungsstellen und die Möglichkeit, Massenverfahren zu bündeln.
- Verbraucher sollen automatisierte Entscheidungen auf Wunsch von einer natürlichen Person überprüfen lassen können.
Geltende Regelungen
Auf absehbare Zeit bleiben die Vorgaben des Digital Services Act (DSA), insbesondere die Streitbeilegungsregelungen nach Art. 21 DSA, bestehen. Auch das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) und sektorale Regelungen bleiben unverändert gültig. Denn sollte die ADR-Richtlinie reformiert werden, wird den Mitgliedsstaaten eine Umsetzungsfrist eingeräumt, innerhalb derer die Regelungen in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Erst ab diesem Zeitpunkt werden neue Vorgaben gültig.
Zusammenfassung
Die Abschaffung der ODR-Plattform erfordert konkrete Maßnahmen, die bis spätestens 20. Juli 2025 umgesetzt werden müssen: Unternehmen sollten Verweise auf die Plattform in ihren AGB, auf ihrer Website und in anderen Dokumenten überprüfen und fristgerecht anpassen.
Während bei der ODR-Plattform unmittelbarer Handlungsbedarf besteht, ist im Hinblick auf die Reformpläne für die ADR-Richtlinie (2013/11/EU) kein Tätigwerden erforderlich. Die geplanten Änderungen, wie die mögliche Verpflichtung einzelner Branchen zur Teilnahme an ADR-Verfahren, werden gegebenenfalls erst nach längerer Umsetzungszeit in nationales Recht überführt.