Autor

Regina Geßner, LL.M. (QMUL)

Associate

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7. Juni 2023

Newsletter Marke Design Wettbewerb Juni 2023

Von großem und kleinem Spielzeug – der Streit um die Markennutzung auf bzw. für Modellautos geht weiter

  • Briefing

BGH: Zulässige Verwendung einer bekannten Marke auf Modellen (DACHSER)

Mit Urteil vom 12. Januar 2023 hat der BGH erneut in Sachen Markennutzung für bzw. auf Modellautos entschieden (BGH, Urteil vom 12. Januar 2023 – I ZR 86/22 – DACHSER). In dem aktuellen Urteil bleibt er seiner bisherigen Rechtsprechung treu und überträgt diese nun auch auf Marken, die nicht für die Kraftfahrzeuge selbst, sondern für auf Kraftfahrzeugen beworbene Dienstleistungen geschützt sind.

Im konkreten Fall ging es darum, ob die Verwendung der Wort-Bild-Marke eines Logistikunternehmens durch Aufdruck auf realitätsgetreuen Nachbildungen von Modell-LKWs sowie einer Modell-Lagerhalle die Markenrechte des Logistikunternehmens verletzt.

Als Verletzungstatbestand kam vorliegend (nur) eine Verletzung einer bekannten Marke gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG in Betracht, da die Marken des Logistikunternehmens zwar für die entsprechenden Dienstleistungen, nicht aber für Modellspielzeug geschützt sind. Eine Verletzung aufgrund von Waren- bzw. und Dienstleistungsidentität bzw. -ähnlichkeit schied daher von vornherein aus.

Für die Verletzung einer bekannten Marke ist – neben der Bekanntheit der Marke und der Identität bzw. Ähnlichkeit der verwendeten Zeichen – erforderlich, dass die Benutzung des Zeichens „die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt“ (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG). Der BGH nahm vorliegend mit dem Berufungsgericht an, dass die Beklagte zwar die Wertschätzung der Klagemarken ausnutze, diese Ausnutzung jedoch nicht in unlauterer Weise erfolge:

Angesichts der jahrzehntelangen Üblichkeit detailgetreuer Nachbildungen im Modellspielzeugbau und der Erwartung, die der Verkehr hieran stellt, besteht ein berechtigtes Interesse, ein in der Realität vorkommendes Fahrzeug nachzubauen und darauf nicht nur - wie in der Wirklichkeit - das Kennzeichen des Herstellers des jeweiligen Fahrzeugs, sondern auch Kennzeichen anzubringen, die Unternehmen auf solchen Fahrzeugen zum Zwecke der Werbung für ihre Dienstleistungen verwenden. Wenn ein von einem Dritten detailgetreu nachgebildetes Kfz-Modell an der entsprechenden Stelle die Abbildung einer bekannten Dienstleistungsmarke trägt, ist eine Ausnutzung des Rufs "in unlauterer Weise" im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG nur dann gegeben, wenn über die bloße wirklichkeitsgetreue Abbildung hinaus in anderer Weise versucht wird, die Wertschätzung der bekannten Marke werblich zu nutzen. Ergibt sich beim Vertrieb solcher Spielzeugautos jeglicher Zusammenhang mit der Marke allein aus der spielzeughaft verkleinerten Nachbildung des Originals zwangsläufig wie beiläufig, fehlt es an dem Merkmal der unlauteren Rufausnutzung (Bestätigung und Fortführung von BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - I ZR 88/08, GRUR 2010, 726 = WRP 2010, 1039 - Opel-Blitz II). 
(Leitsatz des BGH, Urteil vom 12. Januar 2023 – I ZR 86/22 – DACHSER; Hervorhebung hinzugefügt)

 

Dies stehe auch mit dem in der Sache „Opel-Blitz II“ ergangenen Urteil des EuGH „Adam Opel“ aus dem Jahr 2007 in Einklang (Rs. C-48/05). Darin stellte der EuGH fest, dass die Verwendung von Automarken auf Spielzeugmodellen keine unter die Schranke des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der MarkenRL bzw. des § 23 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG fallende, zulässige Angabe über Merkmale oder Eigenschaften von Waren sei. Der BGH führt aus, dass sein Urteil in Sachen „Opel-Blitz II“ (BGH, Urteil vom 14. Januar 2012, I ZR 88/08) dem nicht widerspreche: Die Wertungen des § 23 MarkenG kämen im Tatbestand des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG bei der Frage der Unlauterkeit dahingehend zum Tragen, dass - sofern die Voraussetzungen des § 23 MarkenG vorliegen - der Vorwurf der Unlauterkeit zwingend ausscheide. Dies bedeute umgekehrt jedoch nicht, dass bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 23 MarkenG die Verwendung der bekannten Marke stets unlauter sei. Stattdessen sei die Frage der Unlauterkeit in Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten.

Eine erneute Vorlage an den EuGH lehnt der BGH ab: Der EuGH habe bereits erklärt, dass die Frage, ob die Verwendung einer bekannten Marke auf Modelspielzeugen im konkreten Fall unlauter ist, von den nationalen Gerichten unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu beantworten sei.

OLG Hamburg: Kein berechtigtes Interesse des Spielzeugherstellers an Markennutzung ohne Gegenleistung (VW Bulli)

Ganz anders sieht dies das OLG Hamburg in einem ebenfalls im Januar entschiedenen Fall (OLG Hamburg, Urteil vom 26. Januar 2023 – 5 U 61/21 – VW Bulli). Darin bejaht das Gericht bzgl. der Verwendung der Formmarke „Bulli“ von VW für Spielzeugautos – jeweils entgegen der Ansicht des BGH in „Opel-Blitz II“ – nicht nur die Verwechslungsgefahr gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MarkenG, sondern auch eine unlautere Rufausnutzung gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG. Die Annahme einer Verwechslungsgefahr ist deshalb möglich, weil die VW-Marke auch für Modell- bzw. Spielzeugautos geschützt ist, mithin Warenidentität besteht. Darüber hinaus argumentiert das Gericht, dass erhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs – auch beeinflusst durch den gewachsenen Merchandisingmarkt – bei Modell- und Spielzeugautos Lizenzbeziehungen erwarten würden, was für die Annahme einer Verwechslungsgefahr und die Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion ausreiche. Anders als der BGH ist das OLG Hamburg der Ansicht, dass ein berechtigtes Interesse des Spielzeugherstellers, die Marke des Automobilherstellers ohne Gegenleistung bzw. Lizenzierung zu benutzen, nicht bestehe. Auch die langjährige Gepflogenheit im Markt für Modellautos rechtfertige die Aufmerksamkeitsausbeutung nicht: Die Anerkennung eines die Unlauterkeit ausschließenden berechtigten Interesses des Markennutzers aufgrund jahrzehntelanger Marktgepflogenheiten wäre faktisch eine analoge Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, die von dem EuGH-Urteil „Adam Opel“ gerade nicht gedeckt sei. Mit einer solchen Bereichsausnahme für Modell-/Spielzeugautos würde eine markenrechtliche Schranke außerhalb der gesetzlichen Schranken geschaffen.

Es bleibt abzuwarten, was die Entscheidung des BGH in Sachen „DACHSER“ nun für den Bulli bedeutet. Die Spielzeugherstellerin hat gegen das Urteil des OLG Hamburg bereits Revision beim BGH eingelegt (Az. I ZR 23/23). Bis zu einer Entscheidung wird sich die Spielzeugwelt wohl noch etwas gedulden müssen. Wir halten Sie hier auf dem Laufenden.

Praxishinweis

Grundsätzlich dürfen nach (bisheriger) Meinung des BGH Hersteller von Modellen daher die Marken Dritter für ihre Modelle nutzen, ohne dass dies eine Markenverletzung darstellt – sofern die Nutzung nicht über eine bloße Abbildung auf den Modellen bzw. eine zwangsläufig damit verbundene Abbildung in der Werbung hinausgeht. So kann sich eine unlautere Rufausnutzung beispielsweise daraus ergeben, dass die fremde Marke in der Werbung nochmals besonders hervorgehoben, deren Wertschätzung also ausgenutzt wird. Ob sich daran durch den „Bulli-Fall“, der nun ebenfalls vor dem BGH verhandelt wird, etwas ändert, wird sich zeigen.

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