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28. Juni 2023

Newsletter Marke Design Wettbewerb August 23 – 4 von 5 Insights

Begründungspflichten in markenrechtlichen Nichtigkeitsentscheidungen des EUIPO (EuG, 24. Mai 2023, T-477/21, Glaxo Group/EUIPO – Cipla Europe)

Die Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum („EUIPO“) hat auf Antrag Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung vollumfänglich zu überprüfen, eine Neubewertung des Rechtsstreits in seiner Gesamtheit vorzunehmen und schließlich die eigene Entscheidung hinreichend zu begründen. Eine aktuelle Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union („EuG“) bietet neue Anhaltspunkte für den Umfang dieser Pflichten.

Was ist passiert?

Der Entscheidung des EuG vorausgegangen war ein Antrag auf Nichtigerklärung einer seit 2001 für verschiedene Pharmazeutische Erzeugnisse der Warenklassen 5 und 10 eingetragenen 3D-Farb-Marke der Klägerin:

Die Nichtigkeitsabteilung des EUIPO gab dem Antrag auf Grundlage von Art. 52 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchts. b VO (EG) 2017/1001 aufgrund mangelnder Unterscheidungskraft der Marke statt. Eine darauffolgende Beschwerde der Klägerin bei der Beschwerdekammer des EUIPO wurde auf selber Grundlage zurückgewiesen.

Die Klägerin beantragte anschließend vor dem EuG die Aufhebung der Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO und machte insbesondere Folgendes geltend:
  • Verstoß gegen Art. 41 Abs. 2 GrCH:
    Die Beschwerdekammer habe die originäre Unterscheidungskraft der Marke nicht geprüft, welche sich aus der Kombination der verschiedenen Elemente (Form und Farbe) ergebe. Dadurch sei das „Recht auf eine gute Verwaltung“ gem. Art. 41 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der EU (GrCH) verletzt.
  • Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b VO (EU) 2017/1001:
    Die Entscheidungsbegründung der Beschwerdekammer weise bezüglich der Beurteilung der Unterscheidungskraft Widersprüche auf.

 

Die Entscheidung des EuG

Das EuG gab der Klage statt und hob die Entscheidung der Beschwerdekammer des EUIPO unter folgender Begründung auf:

Prüfung der originären Unterscheidungskraft

Das Gericht pflichtete der Klägerin bei, die Beschwerdekammer habe zwar erkannt, dass es sich bei der streitgegenständlichen Marke um eine durch ihre Form und Farbgebung gekennzeichnete, komplexe Marke handelte, allerdings seien diese Markenbestandteile nur getrennt voneinander und nicht in ihrer Gesamtheit betrachtet worden.

Hinsichtlich der Form beschränkten sich die Ausführungen der Beschwerdekammer auf die Feststellung, diese sei in den 1950er Jahren durch ein Patent geschützt worden. Die Farbgebung sei nach der Auffassung der Beschwerdekammer von beschreibendem Charakter hinsichtlich der Wirkstoffe sowie des Zwecks und der Eigenschaften des Arzneimittels.

Daraus folgt aus der Sicht des EuG, dass die Beschwerdekammer pflichtwidrig keine Gesamtwürdigung der Bestandteile der angegriffenen Marke vorgenommen hat, denn: „der bloße Umstand, dass jeder Markenbestandteil für sich genommen keine Unterscheidungskraft hat, bedeutet nicht, dass ihre Kombination keine Unterscheidungskraft aufweisen kann“.

Begründungsmangel

Das EuG führte aus, dass die Beschwerdekammer nach Art. 94 Abs. 1 S. 1 VO (EU) 2017/1001 verpflichtet sei, eine klare und unmissverständliche Begründung für ihre Entscheidung offenzulegen. Eine solche Begründung sei nicht deshalb entbehrlich gewesen, weil sie im Ergebnis die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung bestätigt.

Eine vollumfängliche Bestätigung habe es im vorliegenden Fall auch nicht gegeben. Zunächst gehe aus der angefochtenen Entscheidung nicht hervor, dass die Beschwerdekammer auf die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung Bezug genommen habe. Darüber hinaus seien beide Spruchkörper nur auf Grundlage erheblich voneinander abweichender Begründungen zum selben Ergebnis gelangt.

Die Nichtigkeitsabteilung vertrat die Auffassung, dass die Farbgebung im Allgemeinen ein übliches Merkmal der betroffenen Produktkategorie sei und daher von den maßgeblichen Verkehrskreisen als gewöhnlicher Bestandteil der Waren, aber gerade nicht als Herkunftshinweis wahrgenommen werde. Hingegen vertrat die Beschwerdekammer die Auffassung, dass die Farbgebung von beschreibendem Charakter sei, da ihr eine informative Funktion bezüglich der Wirkstoffe sowie des Zwecks und der Eigenschaften des Arzneimittels zukomme.

 

Widersprüchliche Begründung

Darüber hinaus befand das Gericht die Begründung der Beschwerdekammer für teilweise widersprüchlich:

Die Beschwerdekammer habe einerseits festgestellt, dass die Antragstellerin im Nichtigkeitsverfahren keinen Nachweis gegen das Vorliegen einer originären Unterscheidungskraft erbracht habe; andererseits sei sie auf Grundlage derselben Beweismittel zu dem gegenteiligen Ergebnis gelangt, indem sie der Farbgebung der betreffenden Waren eine rein informative Funktion zuschrieb.

Zudem habe die Beschwerdekammer zunächst festgestellt, dass in der pharmazeutischen Industrie bereits Zeiträume von 10 Jahren ausreichend seien, damit sich die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise entsprechend neuer Trends erheblich verändert; anschließend jedoch für die Bestimmung des beschreibenden Charakters der Farbgebung Grundsätze herangezogen, die in einer Entscheidung aus dem Jahr 2020 und mithin zu einem Zeitpunkt entwickelt worden seien, den fast 14 Jahre von dem für die Bestimmung der Unterscheidungskraft maßgeblichen Zeitpunkt trennen.

Diese Widersprüche in der Begründung der Beschwerdekammer sind nach Auffassung des Gerichts einem Begründungsmangel gleichzustellen.

Praxishinweis

Während die Markeninhaberin der Nichtigerklärung ihrer Marke entkommen konnte, ist dieses Urteil für die anderen Beteiligten vermutlich schwer zu verdauen, denn die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung ist letztlich das Resultat von Ungenauigkeiten in der Entscheidungsbegründung und nicht zwangsläufig einer Fehlentscheidung im materiell-rechtlichen Sinne. Ob die 3D-Farbmarke in ihrer Gesamtheit tatsächlich Unterscheidungskraft besitzt, wurde bisher gar nicht geprüft, sodass diese kontroverse Frage vorerst offenbleibt und nun erneut von der Beschwerdekammer beurteilt werden muss.

Im Hinblick auf Rechtsschutz und Rechtssicherheit ist diese Entscheidung zu begrüßen. Die ausführliche Begründung der Entscheidung der Beschwerdekammer soll zum einen den Betroffenen in die Lage versetzen, die Gründe für die Maßnahme zu verstehen und zum anderen den Gerichten der Europäischen Union die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen ermöglichen. Ungeachtet der Tatsache, dass sie die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung im Ergebnis bestätigte, durfte die Beschwerdekammer weder die Prüfung, noch ihre Entscheidungsbegründung vor dem Hintergrund der bereits erfolgten Erörterungen der Nichtigkeitsabteilung verkürzen.

Angesichts der hohen Anforderungen, die an die Prüfung und Entscheidungsbegründung durch die Beschwerdekammer gestellt werden, sollte man als Empfänger einer belastenden Beschwerdeentscheidung des EUIPO jedenfalls nicht zögern, diese zunächst rechtsanwaltlich und gegebenenfalls gerichtlich überprüfen zu lassen. Dabei unterstützen wir Sie gern.

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