7. Dezember 2022

Newsletter Marke-Design-Wettbewerb Dezember 2022 – 1 von 6 Insights

EuGH zur Erschöpfung des Rechts aus der Marke bei Wiederverwendung bzw. Wiederbefüllung von Waren – Soda-Club (CO2) und SodaStream

  • Briefing
Mit einer aktuellen Entscheidung zum Weiterverkauf wiederbefüllter und neuetikettierter Kohlendioxid-Flaschen (Urteil vom 27.Oktober 2022, Rs. C‑197/21) präzisiert der EuGH die Ausnahmen vom Grundsatz der Erschöpfung von Markenrechten und stellt praxisrelevante Kriterien für die Zulässigkeit der Umetikettierung von Markenware auf. Danach kann sich der Markeninhaber der Wiederverwendung bzw. -befüllung seiner Ware nur widersetzen, wenn bei den Verbrauchern der irrige Eindruck einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen Markeninhaber und Wiederverkäufer entsteht.

Worum ging es?

Dem Vorabentscheidungsersuchen des finnischen Obersten Gerichts für Wirtschaftssachen (Korkein oikeus) lag eine markenrechtliche Auseinandersetzung zweier Hersteller von Karbonisierungsgeräten zu Grunde. Mit Hilfe von Karbonisierungsgeräten lassen sich aus Leitungswasser kohlensäurehaltige Getränke zubereiten. Die Klägerin SodaStream produziert und vertreibt derartige Geräte sowie die dazugehörigen Kohlendioxid-Flaschen unter ihren Unionsmarken SODASTREAM bzw. SODA CLUB in Finnland. Die Flaschen sind dazu bestimmt, wiederverwendet bzw. -befüllt zu werden. Auch die Beklagte MySoda vertreibt Karbonisierungsgeräte und Kohlendioxid-Flaschen, wobei die ihr vertriebenen Flaschen mit den Geräten von SodaStream kompatibel sind. Ein Teil der von Verbrauchern entleerten und zurückgeschickten Kohlendioxid-Flaschen von SodaStream gelangen über Händler zur Beklagten, MySoda. Diese befüllt die Flaschen erneut mit Kohlendioxid und ersetzt das Originaletikett durch ihr eigenes, bevor sie die Flaschen weiterverkauft. Die auf dem Flaschenhals eingravierten ursprünglichen Marken der Klägerin SODA CLUB und SODA STREAM bleiben dabei sichtbar. SodaStream sieht darin eine Verletzung ihrer Marken und will diese Praxis unterbinden.

Wie entschied der EuGH?

Das finnische Gericht möchte mit den vier Vorlagefragen im Wesentlichen wissen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen sich der Markeninhaber, der beschriebenen Praxis widersetzen darf. Das Recht eines Markeninhabers, sich dem weiteren Vertrieb von mit seiner Marke gekennzeichneten Waren zu widersetzen, besteht im Interesse des freien Warenverkehrs nämlich nicht uneingeschränkt: Sind die Waren von ihm oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden, kann er die (weitere) Benutzung seiner (Unions-)Marke nicht mehr untersagen. Ausnahmen von diesem sog. Erschöpfungsgrundsatz bestehen jedoch bei berechtigten Gründen, zum Beispiel bei einer Veränderung oder Verschlechterung des Zustands der Ware (Art. 15 Abs. 2 UMV).

Im Zusammenhang mit Parallelimporten umverpackter Arzneimittel hatte der EuGH schon in der Bristol-Myers Squibb-Entscheidung (Urteil vom 11. Juli 1996, Rs. C‑427/93, C‑429/93 und C‑436/93) Kriterien für das Vorliegen berechtigter Gründe in diesem besonderen Kontext aufgestellt, wie insbesondere die Erforderlichkeit des Umverpackens für ein Inverkehrbringen des betreffenden Produkts in einem anderen Mitgliedstaat. Auf dieses Erforderlichkeitskriterium zielten nicht nur explizit die ersten beiden Vorlagefragen des finnischen Gerichts ab, auch der Generalanwalt wollte das Kriterium im vorliegenden Fall anwenden. Bemerkenswert ist, dass der EuGH sich im nun ergangenen Soda-Club-Urteil nicht näher mit der Anwendbarkeit dieses Kriteriums befasst, sondern stattdessen auf die Viking-Gas-Entscheidung zum Wiederbefüllen von Gasflaschen zurückgreift (Urteil vom 14. Juli 2011, Rs.C 46/10), die dem Ausgangsverfahren näher sei. Darin hatte der Gerichtshof das Bestehen eines berechtigten Grundes auch für den Fall bejaht, dass durch die Benutzung der Marke der Eindruck einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen dem Markeninhaber und dem Dritten, der die Marke nach Wiederbefüllung weiter nutzt, entstehe.

Übertragen auf den vorliegenden Fall folgt daraus für den EuGH: Entsteht beim Verbraucher der irrige Eindruck einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen dem Markeninhaber und einem Wiederverkäufer, hat der Markeninhaber einen berechtigten Grund, sich dem weiteren Vertrieb der mit seiner Marke versehenen Waren durch einen Wiederverkäufer zu widersetzen. Dies gelte insbesondere, wenn, wie hier geschehen, der Wiederverkäufer das Etikett des Markeninhabers entfernt und sein eigenes anbringt, während die auf der Ware eingravierte ursprüngliche Marke (hier Soda-Club bzw. SodaStream) weiter sichtbar bleibt.

Der EuGH führt weiter aus, dass die Frage, ob in Bezug auf die wirtschaftliche Verbindung zwischen Markeninhabern und Wiederverkäufer ein irriger Eindruck entsteht, anhand der Angaben auf der Ware und ihrer Neuetikettierung sowie anhand der Vertriebspraktiken des betreffenden Wirtschaftszweigs und des Bekanntheitsgrades dieser Praktiken bei den Verbrauchern umfassend zu beurteilen ist. Ob dies vorliegend der Fall ist, muss nun das nationale finnische Gericht prüfen. Der Gerichtshof deutet jedenfalls an, dass ein Verbraucher, der sich unmittelbar an einen anderen Wirtschaftsteilnehmer als den Inhaber der ursprünglichen Marke wendet, um eine leere Flasche wieder befüllen zu lassen oder um sie gegen eine wiederbefüllte Flasche einzutauschen, leichter in der Lage sein wird, zu erkennen, dass zwischen diesem und dem Markeninhaber keine Verbindung besteht. Da aber im vorliegenden Fall weder Klägerin noch Beklagte ihre Flaschen dem Verbraucher direkt anbieten, der Verbraucher also keinen unmittelbaren Kontakt zum Wiederverkäufer hat, könne bei ihm in Bezug auf das Verhältnis zwischen dem Wiederverkäufer und dem Markeninhaber die Gefahr einer Verwechslung, mithin der irrige Eindruck einer wirtschaftlichen Verbindung, auftreten.

Praxishinweis:

Der Gerichtshof knüpft in seiner Begründung nicht an die strengen Anforderungen der Rechtsprechung zu Parallelimporten umverpackter Arzneimittel an. Ob das Umetikettieren erforderlich erscheint, um den Zugang von Dritten zum Markt für die Wiederbefüllung mit Kohlensäure zu gewährleisten, ist demnach nicht maßgeblich. Stattdessen stellt der EuGH darauf ab, ob für die Verbraucher der irrige Eindruck entsteht, zwischen Markeninhaber und Wiederverkäufer bestünden wirtschaftliche Verbindungen. Dies zu beurteilen ist Frage des Einzelfalls und hängt maßgeblich von der Gestaltung des neuen Etiketts sowie den Vertriebspraktiken im maßgeblichen Sektor ab. Zu berücksichtigen ist jedenfalls, ob die Neuetikettierung in Bezug auf den Markeninhaber, der die Ware hergestellt hat, und den Wiederverkäufer, der die Wiederbefüllung gewährleistet, eindeutig und unmissverständlich ist. Relevant ist zudem, ob die Verbraucher daran gewöhnt sind, dass die Ware von anderen Wirtschaftsteilnehmern als dem Markeninhaber wieder befüllt wird. Letztlich bleibt abzuwarten, wie die nationalen Gerichte die Kriterien des Gerichtshofs mit Leben füllen werden, insbesondere auch im Hinblick auf unterschiedliche landes- bzw. sektorspezifischen Vertriebspraktiken.
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