7. Dezember 2022
Newsletter Marke-Design-Wettbewerb Dezember 2022 – 3 von 6 Insights
Lange Zeit führten 3D- bzw. Formmarken, Farb- und Mustermarken eher ein Nischendasein. Nicht zuletzt durch Fälle wie „Sparkassen-Rot“ oder „Ritter Sport“ rückten diese „besonderen Markenformen“ bei Markeninhabern ins Bewusstsein, wobei die Zahl der Anmeldungen beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) und dem European Intellectual Property Office (EUIPO) trotz der gestiegenen Bekanntheit weiter relativ niedrig ist. Dies liegt vor allem daran, dass deren Eintragung in der Regel deutlich schwieriger zu erreichen ist als bei den „traditionellen“ Wort- oder Wort-/Bildmarken. Eine Reihe von aktuellen Entscheidungen zur (Nicht-)Eintragung von 3D, Farb- und Mustermarken als Unionsmarken belegt dies: Die Hürden für eine Eintragung sind hoch.
Für die Eintragung von 3D- oder Formmarken muss nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH nachgewiesen werden, dass die einzutragende Form erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und somit als Herkunftshinweis dienen kann. Ist dies nicht der Fall, besteht für Markenanmelder die Möglichkeit, eine durch Benutzung der Form erworbene Unterscheidungskraft nachzuweisen. Auch viele bekannte Marken sind bereits an dieser Hürde gescheitert – denn Bekanntheit bedeutet nicht zugleich (erworbene) Unterscheidungskraft!
Dies musste vor kurzem auch das Luxuslabel Christian Dior erfahren, das für seine von John Galliano im Jahr 1999 designte und seither in vielen Ausführungen weltweit verkaufte Leder-Handtasche „Saddle Bag“ Formmarkenschutz begehrte. Die Beschwerdekammer des EUIPO entschied nun, dass die „Saddle Bag“, die in der ganzen Welt bekannt ist, keine originäre Unterscheidungskraft für Taschen der Klasse 18 besitzt (siehe dazu ausführlich unten). Ähnliche Fälle hatten die Beschwerdekammern des EUIPO sowie das EuG zuletzt häufiger beschäftigt, so z.B. bezüglich der Form des Lippenbalsams von Eos (EuG, Rs. T-489/20), der Tablet-Hülle für Kinder von Samsonite/Speculative Product Design (Zweite Beschwerdekammer, no. R 503/2021-2) oder des ikonischen Moon Boot der Tecnica Group (siehe unseren früheren Beitrag dazu hier). In all diesen Fällen wurde der Schutz aufgrund der fehlenden originären Unterscheidungskraft versagt. Selten werden 3D-Marken als von Haus aus unterscheidungskräftig eingestuft, zuletzt z.B. die Form des Lippenstifts von Guerlain (EuG, Rs. T-488/20 (nur auf französisch), zur Pressemitteilung hier) oder die Flaschenform des Wodkas von Absolut Company (Fünfte Beschwerdekammer, no. R 1839/2021-5).
Weil nur in seltenen Fällen eine originäre Unterscheidungskraft der 3D-Marke anerkannt wird, kann für Anmelder in der Praxis daher nur der Nachweis einer durch (umfangreiche) Nutzung erworbenen Unterscheidungskraft der betreffenden Marke helfen. Aber: Bekanntheit ist nicht gleich Unterscheidungskraft! Der Nachweis, dass ein bestimmtes Produkt auf dem Markt bekannt oder berühmt ist, bedeutet nicht zugleich, dass eine entsprechende Marke auch die erforderliche Unterscheidungskraft erlangt hat oder dass die (maßgeblichen) Verbraucher die Marke als Herkunftshinweis betrachten. Dies zeigt anschaulich der Moon Boots-Fall, in dem das EuG feststellte, dass die Form nicht die erforderliche Unterscheidungskraft aufweise und daher nicht als Herkunftshinweis dienen könne, obwohl die Schuhe selbst ikonisch sein könnten. Die hier maßgeblichen Verkehrskreise seien nicht der Ansicht, dass die Marke deutlich von der Masse der auf dem Markt befindlichen Après-Ski-Schuhe abweiche.
Eine weitere Hürde: Anmelder müssen nachweisen, dass ihre Marke im gesamten Gebiet der EU, mithin in jedem Mitgliedstaat, Unterscheidungskraft erlangt hat. Dass dies keine leichte Aufgabe ist, zeigt der jüngst vom EuG entschiedene Fall der Mustermarke "Damier Azur" von Louis Vuitton, die mit der Begründung für die gesamte EU für ungültig erklärt wurde, dass keine ausreichenden Beweise für die erworbene Unterscheidungskraft in sechs EU-Mitgliedstaaten vorlagen (siehe dazu ausführlich unten). Auch die Marke für Kinder-Tablet-Hülle von Samsonite/Speculative Product Design wurde aus diesem Grund für ungültig erklärt.
Christian Dior Couture reichte im März 2021 eine Unionsmarkenanmeldung in den Klassen 9 (u.a. für Sonnenbrillen) und 18 (Lederwaren) für eine 3D-Marke ein, die aus einer Strichzeichnung der berühmten „Saddle Bag“ besteht (siehe hier). Das EUIPO wies die Anmeldung für einige Waren der Klasse 9 und die meisten Waren der Klasse 18 mit der Begründung zurück, dass die Marke "nicht hinreichend von der Norm und der Branchenüblichkeit abweicht".
Die Beschwerde von Dior war für alle Waren mit Ausnahme von "Taschen, Handtaschen, Beuteln (Lederwaren), Reisesets (Lederwaren), Toilettenartikeln und Schminktaschen (leer)" (Klasse 18) erfolgreich. Die Zweite Beschwerdekammer verwies in ihrer Begründung (no. R 32/2022-2 vom 5. Oktober 2022) auf ähnliche Waren, die durch eine einfache Internetrecherche ermittelt werden konnten. Eine 3D-Marke sei, so die Kammer, aber nur dann originär eintragungsfähig, wenn die Unterschiede in der Form bzw. im Erscheinungsbild gegenüber anderen auf dem Markt befindlichen Waren so groß seien, dass sie die Verbraucher unmittelbar auf die betriebliche Herkunft der Ware hinwiesen.
Über eine etwaige Unterscheidungskraft, die durch die Benutzung dieser Form als Marke erworben wurde, ist damit noch nichts gesagt. Die Beschwerdekammer verwies den Fall daher an das EUIPO zurück, um die von Dior geltend gemachte durch Benutzung erlangte Unterscheidungskraft zu prüfen. Im Ergebnis könnte Dior nun zwar erfolgreich sein, dennoch zeigt der Fall einmal mehr die Schwierigkeiten bei der Eintragung von 3D-Marken.
In diesem Fall geht es um die EU-Eintragung einer internationalen Marke für das von Luis Vuitton für viele Waren (u.a. Taschen) verwendete Schachbrettmuster „Damier Azur“ (zur Markenanmeldung hier). Die Anmeldung war im November 2009 vom EUIPO ursprünglich zur Eintragung angenommen worden, im Dezember 2016 aufgrund der Klage einer Einzelperson allerdings mit der Begründung gelöscht, dass die Marke keine Unterscheidungskraft habe.
Das EUIPO wies die dagegen gerichtete Beschwerde von Louis Vuitton zurück, und der Fall gelangte zum Europäischen Gericht (EuG). Dieses bestätigte im Ergebnis zwar die Entscheidung des EUIPO, verwies die Sache dennoch zur weiteren Prüfung zurück, weil nach Auffassung des EuG die Beweise für eine durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft nicht ordnungsgemäß bewertet worden waren. Das EUIPO und darauffolgend die Beschwerdekammer blieben allerdings auch nach Prüfung der Beweise bei ihrer Entscheidung der Löschung der Marke, weshalb die Sache erneut beim EuG landete. Auch das EuG (Urteil vom 19.10.2022, Rs. T-275/21) befand, Louis Vuitton habe nicht nachgewiesen, dass die Marke – mithin das Muster - in Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, der Slowakei und Slowenien (Länder, in denen Louis Vuitton keine eigenen Läden besitzt) Unterscheidungskraft erlangt hat. Da eine Unterscheidungskraft aber für das gesamte Gebiet der EU, also in allen Mitgliedstaaten, vorliegen muss, sei diese insgesamt nicht nachgewiesen. Die Argumentation, die Marke sei auch in den genannten Ländern bekannt, weil sie in den Nachbarländern stark benutzt werde, verwarf das Gericht. Ebenso wies es die Behauptung, die Verbraucher in der gesamten EU legten "in Bezug auf Luxusmarken ein homogenes Verhalten an den Tag ", weil sie reisten und regelmäßig das Internet nutzten, als "zu allgemein" zurück. Es müsse zwar nicht nachgewiesen werden, dass die Marke in jedem einzelnen Mitgliedstaat tatsächlich benutzt wurde, sie muss aber in der gesamten EU Unterscheidungskraft erlangt haben.
Auch Anmelder von Farbmarken müssen mitunter Hürden überwinden, wie der vom EuG am 5.10.2022 (Rs. T-168/21) entschiedene Fall Magnetec ./. EUIPO („Lichtblau“) zeigt. Die Magnetec GmbH meldete im Februar 2019 eine Unionsmarke in den Klassen 6 (Metalllegierungen, Kabelkanäle aus Metall etc.), 9 (Motorkabel und elektrische Leitungen etc.) und 17 (Isoliermäntel etc.) für eine Farbe an, die in der Anmeldung als "Light blue: RAL 5012" bezeichnet wird (siehe hier).
Das EUIPO wies die Anmeldung mit der Begründung zurück, der Marke fehle es an Unterscheidungskraft. Magnetec legte unter gleichzeitiger Beschränkung der Waren Beschwerde ein. Die Vierte Beschwerdekammer wies die Beschwerde zurück und befand zudem, dass die Beschränkung nicht den Vorschriften entspreche, woraufhin Magnetec das Gericht anrief. Das EuG hob die Entscheidung der Beschwerdekammer in vollem Umfang auf. Das Gericht befand, dass die von Magnetec vorgenommene Beschränkung der von der Anmeldung erfassten Waren zulässig war. Es stellte ferner fest, dass die Beschwerdekammer keine ausreichenden Gründe für die Annahme geliefert habe, dass die Marke keine Unterscheidungskraft habe. Das EUIPO und die Beschwerdekammer haben es nach Meinung des Gerichts versäumt, die maßgeblichen Verkehrskreise, an die sich die Waren von Magnetec richteten, klar und eindeutig zu bestimmen. Dies sei aber entscheidend für die Beurteilung, wie diese Verkehrskreise die Marke sehen werden und damit zugleich, ob sie originär unterscheidungskräftig ist. Das EuG verwies zudem ausdrücklich auf die Rechtsprechung des EuGH, wonach „Farben und abstrakten Farbkombinationen nur unter außergewöhnlichen Umständen inhärente Unterscheidungskraft zu[kommt], da sie mit dem Erscheinungsbild der gekennzeichneten Waren verschmelzen und grundsätzlich nicht als Mittel zur Identifizierung der betrieblichen Herkunft verwendet werden.“
Der Fall wird nun erneut von der Beschwerdekammer geprüft, die eine neue Entscheidung über die Einschränkung und die originäre Unterscheidungskraft treffen muss. Ob die Marke dann zur Eintragung zugelassen wird, ist offen. In jedem Fall wird die Beschwerdekammer eine ausführlichere Begründung für ihre Entscheidung liefern müssen.
Vor der Anmeldung einer besonderen Markenform wie der 3D-, der Farb- oder der Mustermarke sollte sorgfältig geprüft werden, welche anderen Zeichen auf dem betreffenden Markt schon verfügbar sind, wie sich die anzumeldende Marke von den bereits vorhandenen unterscheidet, welches die maßgeblichen Verkehrskreise sind, wie die Marke von diesen wahrgenommen wird und welche Nachweise für eine erworbene Unterscheidungskraft vorliegen bzw. ob diese für alle Mitgliedstaaten der EU eine Unterscheidungskraft belegen können. Wir helfen Ihnen gerne!
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