27. September 2022
Inside ESG & Compliance – 9 von 12 Insights
Gerade junge Tech-Unternehmen in der Rechtsform der AG schließen oft Beraterverträge mit Rechtsanwälten und Steuerberatern ab, die in dem Unternehmen ein Aufsichtsratsmandat gerade wegen ihrer fachlichen Expertise erhalten haben. Soweit junge Unternehmen noch keine eigene Rechts- oder Steuerabteilung aufgebaut haben, erfolgt auf Empfehlung des Aufsichtsratsmitglieds regelmäßig auch eine Mandatierung „seiner“ Beratungsgesellschaft. Nachfolgend stellen wir Ihnen einen Wegweiser durch das Minenfeld dieser Konstellation dar, die auch Gegenstand von zwei Urteilen des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2021 war. Die praktische Relevanz wird durch die missglückte steuerrechtliche Regelung in § 10 Nr. 4 KStG verstärkt, die ein hälftiges Abzugsverbot für Aufsichtsratsvergütungen vorsieht.
Das Gesetz verbietet Beratungsverträge nicht per se, sondern fordert über die Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats Transparenz im Aufsichtsrat (§ 114 AktG). Liegt die Zustimmung nicht vor, ist eine bereits gezahlte Vergütung zurückzugewähren. Der Beratungsvertrag ist also offenzulegen, um verdeckte Aufsichtsratsvergütungen zu vermeiden.
Um die Zustimmungspflicht nicht einfach zu umgehen, werden auch Beratungsverträge mit bestimmten Drittgesellschaften erfasst. Dabei sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden:
Die erste Gruppe betrifft Beratungsverträge der AG mit einer Drittgesellschaft, die eine besondere Verbindung zu einem Aufsichtsratsmitglied hat. Der BGH entschied in der Vergangenheit hierzu wie folgt: Darunter fallen zunächst solche Beratungsgesellschaften, die im Alleinbesitz eines Aufsichtsratsmitglieds stehen (BGH v. 3.7.2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188). Auch erfasst werden Verträge mit Drittgesellschaften, an der das Aufsichtsratsmitglied beteiligt ist und von der ihm mittelbar Zuwendungen in nicht unbedeutendem Umfang zufließen (BGH v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60; BGH v. 10.7.2012 – II ZR 48/11, BGHZ 194, 14).
In der Entscheidung vom 29.6.2021 (II ZR 75/20, BGHZ 230, 203) hat nun der BGH die Zustimmungspflicht auch auf Drittgesellschaften erstreckt, deren gesetzlicher Vertreter das entsprechende Aufsichtsratsmitglied ist. Eine zusätzliche Beteiligung ist also nicht erforderlich. Auch gibt es nach diesem Urteil keine summenmäßige Geringfügigkeitsgrenze mehr („in nicht unbedeutendem Umfang“). Das Verhältnis von Aufsichtsratsvergütung und Beraterhonorar ist also nicht mehr relevant.
Die zweite Fallgruppe wurde vom BGH entwickelt, um eine weitere Umgehung der oben genannten Konstellation zu verhindern. Von der Zustimmungspflicht sind demnach nicht nur Beraterverträge erfasst, die die AG mit einem Aufsichtsratsmitglied (oder „seinem“ Beratungsunternehmen) abschließt, sondern auch, wenn ein Drittunternehmen dazwischengeschaltet wird. Das Aufsichtsratsmitglied (oder „sein“ Beratungsunternehmen) schließt dabei einen Beratungsvertrag mit einem Drittunternehmen, welches wiederum die AG berät (BGH v. 22.6.2021 – II ZR 225/20, BGHZ 230, 190).
Die aktuelle BGH-Rechtsprechung ist also sehr rigide und untermauert damit die Umgehungsfestigkeit der §§ 113, 114 AktG.
Neben der Frage welche Vertragskonstellationen von der Zustimmungspflicht erfasst werden, ist weiter zu klären, welche Tätigkeiten überhaupt zustimmungsfähig sind. Ganz generell lässt sich sagen, dass nämlich solche Tätigkeiten nicht zustimmungsfähig sind, die ohnehin schon in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats fallen. Denn diese werden bereits durch die Aufsichtsratsvergütung nach § 113 AktG abgegolten.
Für die erforderliche Abgrenzung zwischen § 113 AktG und § 114 AktG erweisen sich jedoch weder Umfang und Intensität noch Schwierigkeit der Aufgabe als geeignete Kriterien. Vielmehr ist der Vertragsgegenstand als das entscheidende Kriterium heranzuziehen; es ist also die Art der Tätigkeit in ihrer durch den konkreten Vertrag individualisierten Gestalt zu betrachten.
Nach modernem Pflichtenverständnis erfordert eine gute Corporate Governance nicht nur eine nachgelagerte Kontrolle des Vorstandshandelns, sondern auch die zukunftsorientierte Beratung des Vorstands durch den Aufsichtsrat als mitunternehmerisches Organ. Auch übergeordnete Fragen der Unternehmenspolitik sind dem Aufgabengebiet des Aufsichtsrats zuzuordnen. Hierzu zählt die Entwicklung einer langfristigen Unternehmensstrategie.
Nach der restriktiven Rechtsprechung des BGH sind die allgemeine Beratung der Gesellschaft bei Abschluss von Unternehmens- und Beteiligungskaufverträgen, sowie bei Eingehung strategischer Allianzen (Joint Ventures), bei Kapitalerhöhungen, Ausgabe von Inhaber- und Wandelschuldverschreibungen und Abschluss von Kreditverträgen bereits dem organschaftlichen Pflichtenkreis eines Aufsichtsratsmitglieds zuzuordnen. Entsprechendes gilt für die Beratung in betriebswirtschaftlichen Fragen (siehe Nachweise bei Lorenz/Pospiech, NZG 2011, 81).
Im Hinblick auf die organschaftlichen Pflichten hat das einzelne Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft sowohl seine individuellen Fachkenntnisse als auch seine Erfahrungen zur Verfügung zu stellen. Die besondere Qualifikation eines Aufsichtsratsmitglieds kann nicht gesondert im Umweg eines Beratungsvertrags vergütet werden. Zumal gerade das individuelle Fachwissen regelmäßig ein wesentlicher Grund für die Berufung in den Aufsichtsrat gewesen sein dürfte.
Erfordern die Verhältnisse der Gesellschaft eine über den üblichen Einsatz des Aufsichtsrats hinausgehende Beanspruchung, so hat das Aufsichtsratsmitglied diesen Einsatz auf Grund der Organstellung zu erbringen. In der Krise eines Unternehmens verdichten sich die organschaftlichen Kontroll- und Beratungspflichten des Aufsichtsrats. Eine sauberere Aufteilung zwischen zumutbarem und unzumutbar hohem Aufwand lässt sich in diesem Zusammenhang nicht vornehmen. Dementsprechend kann ein Aufsichtsratsmitglied für einen erhöhten Einsatz, den die konkrete Lage der Gesellschaft erfordert, auch keine zusätzliche Vergütung beanspruchen. Eine Sondervergütung kann (abgesehen von Sitzungsgeldern für zusätzliche Aufsichtsratssitzungen) lediglich durch Beschluss der Hauptversammlung gewährt werden.
Raum für eine zustimmungsfähige Beratungstätigkeit besteht zunächst einmal für die Beurteilung von speziellen Fragen des operativen Geschäfts bzw. Tätigkeiten zur Vorbereitung oder Durchführung konkreter Geschäftsführungsmaßnahmen.
Des Weiteren kann eine Zustimmungsfähigkeit i.S. von § 114 AktG ggf. auch bei Verträgen gegeben sein, deren Gegenstand im Grundsatz der Überwachung des Aufsichtsrats unterliegt. Eine solche Ausnahme ist dann anzunehmen, wenn die vertraglich geschuldete Leistung im Einzelfall eine besondere Beratungstiefe aufweist. Dies gilt etwa für Sachverhaltskonstellationen, in denen ansonsten ein unabhängiger Experte von der Gesellschaft mandatiert worden wäre. Indiz für eine entsprechende Beratungstiefe ist regelmäßig eine konkrete Aufgabenstellung, die auf einen eng umgrenzten operativen Bereich bezogen ist.
Von der Rechtsprechung wurde als genehmigungsfähige Tätigkeit i.S. von § 114 AktG die Entwicklung eines EDV-gestützten Controlling-Systems angesehen. Weitere Beispiele sind die Auswahl eines neuen Abteilungsleiters in einem zentralen Unternehmensbereich, die Vorbereitung einer speziellen Emission, die spezielle Rechts- und Steuerberatung oder auch die technische Vorbereitung und Abwicklung eines Unternehmenskaufs. Ferner zählt die Prozessführung zu den beratungsfähigen operativen Tätigkeiten des Tagesgeschäfts. Auch die Durchführung einer umfangreichen M&A-Transaktion wird als Tätigkeit außerhalb des organschaftlichen Pflichtenkreises angesehen werden können.
Vor Abschluss eines Beratervertrags ist zu prüfen, ob eine Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats besteht. Neben Beraterverträgen mit Aufsichtsratsmitgliedern persönlich gilt dies auch für Verträge der AG mit einer Beratungsgesellschaft, die eine besondere Verbindung zu einem Aufsichtsratsmitglied hat, etwa weil es dort Partner oder Geschäftsführer/Vorstand ist. Die rigide Rechtsprechung bejaht auch eine Zustimmungspflicht bei Zwischenschaltung eines Dritten, also wenn das Aufsichtsratsmitglied (oder „sein“ Beratungsunternehmen) einen Beratungsvertrag mit einem Drittunternehmen abschließt, welches wiederum die AG berät. Liegt die erforderliche Zustimmung nicht vor, ist eine bereits gezahlte Vergütung zurückzugewähren.
Daneben ist zu prüfen welche Leistungen überhaupt zustimmungsfähig sind: Dies sind solche Tätigkeiten, die nicht schon in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats fallen und mit der Aufsichtsratsvergütung abgegolten sind. Die oft schwierige Abgrenzung erfolgt anhand des konkreten Vertragsgegenstands.
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