26. Juli 2021
Inside ESG & Compliance – 2 von 12 Insights
Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung werden unter dem Stichwort ESG-Compliance (Environmental Social Governance) auch in M&A-Transaktionen stärker in den Fokus genommen. Dem Käufer stellt sich dabei die Frage, welche Haftungsrisiken aus dem Zivil- und Ordnungswidrigkeitenrecht er sich auf Grundlage von neu in Kraft getretenen (ESG-)Gesetzen „einkauft“, wenn er ein Unternehmen erwirbt, welches nicht ESG-compliant ist. Der Käufer sollte dabei insbesondere prüfen, welche Reichweite diese Haftungsrisiken haben und ob er im Fall ihrer Realisierung neben seinem Vertragspartner, dem Verkäufer, eventuell auch bei einem Dritten Regress nehmen kann.
In Deutschland wurde im Bereich ESG jüngst das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verabschiedet. Neben diesem deutschen Gesetz plant auch die EU-Kommission eine europäische Lieferkettenregulierung mit strengen Anforderungen. Eine der in diesem Kontext aktuell heiß diskutierten Fragen lautet, ob die Verletzung von ESG-Pflichten neben einem behördlichen Bußgeld zusätzlich auch noch durch eine zivilrechtliche Haftung der verantwortlichen Unternehmen sanktioniert werden soll.
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hat auf den letzten Metern des Gesetzgebungsverfahrens auf Initiative der CDU/CSU-Fraktion noch eine Klarstellung zur zivilrechtlichen Haftung erhalten. § 3 Abs. 3 LkSG lautet nun: „Eine Verletzung der Pflichten aus diesem Gesetz begründet keine zivilrechtliche Haftung. Eine unabhängig von diesem Gesetz begründete zivilrechtliche Haftung bleibt unberührt.“ Nach dem Willen des Gesetzgebers werden also mit dem LkSG gegenüber der geltenden Rechtslage keine neuen, eigenständigen zivilrechtlichen Haftungsrisiken für Unternehmen geschaffen. Er geht stattdessen davon aus, dass die zum Zwecke einer Verbesserung der Menschenrechtslage und der Verringerung von Umweltrisiken in Lieferketten begründeten neuen Sorgfaltspflichten mit Mitteln des Ordnungswidrigkeitsrechts ausreichend sanktioniert werden.
Das LkSG stellt jedoch auch klar, dass eine zivilrechtliche Haftung deutscher Unternehmen auf Grundlage der bereits bestehenden Rechtslage nicht ausgeschlossen ist. Eine zivilrechtliche (Außen-)Haftung der Unternehmen gegenüber Dritten ist also nach den allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts möglich. Im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB kommen etwa Schadensersatzpflichten durch eigene Verletzungshandlungen des deutschen Unternehmens in Betracht, aber durchaus auch Ersatzpflichten für einen durch ausländische Zulieferer oder Tochterunternehmen verursachten Schaden, soweit z.B. das deutsche (Mutter-)Unternehmen Verkehrs- und Organisationspflichten verletzt hat.
Neben der zivilrechtlichen Haftung kommt im Fall einer Verletzung von ESG-Pflichten durch die Zielgesellschaft auch ein behördliches Bußgeld in Betracht. Das LkSG sieht hierzu vor, dass Verstöße gegen die neuen ESG-Sorgfaltspflichten eine Ordnungswidrigkeit darstellen, wobei ein Bußgeldrahmen von bis zu zwei Prozent des weltweiten Jahresumsatzes vorgesehen ist. Dies gilt zumindest für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als EUR 400 Millionen. Für Unternehmen mit einem unter diesem Schwellenwert liegenden Umsatz sind jedoch auch Bußgelder bis zu EUR 800.000 möglich. Neben der zivilrechtlichen Außenhaftung besteht damit für Unternehmen mit unzureichender ESG-Compliance ein weiteres empfindliches Sanktionsszenario.
Die beiden vorstehenden Haftungsszenarien sind auch für M&A-Transaktionen von Bedeutung. Wie das Beispiel des neuen LkSG zeigt, wird der Käufer eines Unternehmens, in welchem Risiken im Bereich ESG-Compliance bestehen, mit empfindlichen finanziellen Haftungsgefahren konfrontiert. Der Käufer muss sich folglich durch geeignete Maßnahmen schützen.
In einem ersten Schritt sollte der Käufer im Rahmen seiner Due Diligence des Zielunternehmens eine eigenständige Prüfung der ESG-Compliance durchführen. Der Umfang einer solchen Due Diligence Prüfung zu ESG-Risiken sollte sich jeweils adäquat an dem Risikoprofil des Zielunternehmens orientieren. Grundsätzlich lässt sich aber gerade bei Tech-Unternehmen aus westlichen Industrieländern festhalten, dass die ESG-Risiken eines solchen Unternehmens in dem Ausmaß zunehmen, wie das Unternehmen in globale Lieferketten integriert ist, z.B. im Fall der Zulieferung von Halbleitern und anderen Bauteilen sowie deren Ausgangsstoffe, insbesondere seltene Erden. Soweit in einer solchen Lieferantenbeziehung eine Verletzung von ESG-Pflichten, etwa nach dem LkSG, möglich ist, muss der Käufer im Rahmen der Due Diligence unbedingt auch eine ESG-Prüfung durchführen.
Nach Durchführung der Due Diligence und Identifizierung etwaiger ESG-Risiken sollte der Käufer im Rahmen der Verhandlungen über den Unternehmenskaufvertrag versuchen, Schutzmaßnahmen durchzusetzen. Zunächst sollte er versuchen, im Unternehmenskaufvertrag mit dem Verkäufer eine Freistellung für sämtliche Schäden aus ESG-Sorgfaltspflichtverletzungen der Zielgesellschaft zu vereinbaren, die ihren Ursprung in dem Zeitraum bis zum Signing haben. Soweit sich die oben dargestellten Haftungsgefahren bei der Zielgesellschaft im Nachgang der Transaktion in Form eines bezifferbaren Schadens realisieren, müsste dann der Verkäufer anstelle des Käufers die Bußgeldforderungen, bzw. die Forderungen außenstehender zivilrechtlicher Gläubiger abwehren oder begleichen.
Daneben kommt für den Käufer im tatsächlichen Schadensfall auch ein Innenregressanspruch auf gesetzlicher Grundlage in Betracht. Hier sind vor allem die bekannten Organhaftungsnormen relevant (§ 43 GmbHG, § 93 AktG), auf deren Grundlage die Mitglieder der Geschäftsleitung bei einer Pflichtverletzung gegenüber ihrem Unternehmen im Innenverhältnis schadensersatzpflichtig sind. Diese bleiben auch bei Verstößen gegen ESG-Sorgfaltspflichten anwendbar. Grundsätzlich gilt demnach, dass der Geschäftsführer eines Unternehmens im Fall der schuldhaften Nichtbeachtung der ESG-Pflichten aus dem LkSG gegenüber seiner Gesellschaft persönlich zum Ersatz des dadurch entstandenen Schadens verpflichtet sein kann. Soweit sich also nach einer Transaktion eine Haftung der Zielgesellschaft aus einem ESG-Risiko realisiert, sollte der Käufer als neuer Eigentümer der Zielgesellschaft unbedingt prüfen, ob er diesen Schaden des Unternehmens von der dafür verantwortlichen – aktuellen oder ehemaligen – Geschäftsleitung ersetzt verlangen kann.
Noch nicht gänzlich geklärt ist die mögliche Reichweite eines solchen Innenregresses. Wie oben dargestellt, drohen im Zusammenhang mit ESG-Gesetzen insbesondere deliktische Ansprüche Dritter und behördliche Bußgelder. Dabei ist insbesondere umstritten, ob Unternehmen behördliche Bußgelder mittels Innenregress von ihren Geschäftsleitern ersetzt verlangen können. Die Argumente für und gegen die Möglichkeit einen solchen Bußgeldregresses wurden in den letzten Jahren kontrovers in unterschiedlichen Rechtsgebieten wie etwa für Kartellbußgelder ausgetauscht, ohne dass sich hierzu bereits eine einheitliche Linie entwickelt hätte. Für die Möglichkeit eines internen Bußgeldregresses bei den verantwortlichen natürlichen Personen spricht jedenfalls die daraus folgende erhebliche Lenkungswirkung auf das Handeln der Verantwortlichen und ihr Engagement bei der Erfüllung der Sorgfaltspflichten aus dem LkSG und anderen ESG-Gesetzen.
Als dritte Schutzmaßnahme des Käufers gegen ESG-Risiken, neben der Freistellung durch den Verkäufer und einem Innenregress gegen die Geschäftsleitung, kommt eine Ausfallhaftung des Verkäufers in Betracht. Der zuvor dargestellte Innenregressanspruch gegen die Geschäftsleitung ist mit einigen Unwägbarkeiten verbunden. Dazu gehört u.a. auch die Zahlungsfähigkeit des für die Pflichtverletzung verantwortlichen Geschäftsleiters, bzw. die Zahlungsbereitschaft einer etwaigen D&O-Versicherung. Hier kann der Käufer in den Verhandlungen zum Unternehmenskaufvertrag mit dem Verkäufer eine Ausfallhaftung dergestalt vereinbaren, dass der Verkäufer einen gegen den Geschäftsleiter bestehenden Innenregressanspruch der Zielgesellschaft befriedigt, soweit dieser Anspruch bei dem Geschäftsleiter selbst nicht durchsetzbar ist. Gerade dann, wenn der Käufer eine eher schwache Verhandlungsposition hat, kann diese Schutzmaßnahme für den Käufer von besonderem Interesse sein, da der Verkäufer sich mutmaßlich schneller auf solch eine Regelung zur Ausfallhaftung einlassen wird, als auf die oben dargestellte weitreichende Freistellung für Schäden des Käufers aus ESG-Sorgfaltspflichtverletzungen der Zielgesellschaft.
Auch aus einem ESG-Gesetz mit einem vermeintlichen zivilrechtlichen Haftungsausschluss können empfindliche Haftungsrisiken für Unternehmen mit unzureichender ESG-Compliance folgen. Im Rahmen einer M&A-Transaktion sollte sich der Käufer fragen, ob er sich mit der Zielgesellschaft derartige Risiken „einkauft“. Der Käufer sollte daher im Rahmen seiner Due Diligence eine eigenständige ESG-Prüfung durchführen. Daneben sollte der Käufer auch im Unternehmenskaufvertrag geeignete Schutzmaßnahmen gegen finanzielle Schäden treffen, die aus der Verletzung von ESG-Pflichten resultieren. In Betracht kommen dabei insbesondere die Freistellung durch den Verkäufer oder eine Ausfallhaftung des Verkäufers für den Fall, dass die Innenregressansprüche gegen die primär verantwortlichen Geschäftsleiter nicht durchsetzbar sind.
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