1. Oktober 2021
Newsletter Marke-Design-Wettbewerb Oktober 21 – 3 von 4 Insights
Wann darf ein Mitbewerber ein Urteil auf seiner Webseite veröffentlichen, das gegen einen Konkurrenten erwirkt wurde? Mit dieser Frage beschäftigte sich der BGH in seinem Urteil vom 6. Mai 2021 (Az. I ZR 167/20) und kam zu folgendem Schluss: Soweit ein überwiegendes öffentliches Interesse an dem Urteilsinhalt besteht, kann die Veröffentlichung eines für einen Konkurrenten negativen Urteils zulässig sein.
In dem zugrundeliegenden Fall vermittelt die Klägerin ausweislich des Handelsregisters Werbeanzeigen für Präventions-Medien. Der Beklagte ist ein Verlag, der für eigene Publikationen selber Anzeigenkunden akquiriert. Am 11. September 2013 erwirkte der Beklagte vor dem LG Bochum ein Urteil gegen die Klägerin, in dem es dieser unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt wurde, die folgenden, teils betrügerischen, Geschäftspraktiken vorzunehmen:
Unaufgeforderte Telefonwerbung, Werbung für Anzeigenaufträge als „Redaktion Polizei – aktuell“, Werbeanrufe mit der unzutreffenden Behauptung eines früher bereits erteilten Anzeigenauftrags, Versendung unzutreffender Auftragsbestätigungen nach Telefonwerbung und Verbreitung von Anzeigen oder Versendung von Anzeigenrechnungen ohne Auftragserteilung.
Vor diesen unlauteren Geschäftspraktiken warnte der Beklagte im Jahr 2018 auf seiner Webseite unter dem Menüpunkt „Vorsicht Falle“ unter Nennung des Namens der Klägerin sowie mit Veröffentlichung des konkreten Urteilstenors. Hiergegen wendete sich die Klägerin mit ihrem Unterlassungsbegehren. Dem BGH stellten sich nunmehr in erster Linie folgende drei Fragen:
Der BGH bejahte alle drei Fragen unter Bestätigung der Entscheidung des Berufungsgerichts.
Zunächst stellte er fest, dass die Veröffentlichung einer beeinträchtigenden wahren Tatsache umso eher zulässig sei, je größer das bestehende Informationsinteresse der Allgemeinheit und je sachlicher der Vortrag ist. An der Veröffentlichung eines im Wettbewerbsprozess ergangenen Urteils bestehe grundsätzlich ein sachliches Informationsinteresse der anderen Marktteilnehmer. Vorliegend sei dieses Interesse der Verkehrskreise, vor den betrügerischen Geschäftspraktiken der Klägerin gewarnt zu werden, gewichtig und ausschlaggebend. Dieses überwiege das Interesse der Klägerin an der Wahrung ihres geschäftlichen Ansehens. Auch die namentliche Nennung hielt der BGH zum effektiven Schutz der Allgemeinheit vor Betrugsmaschen für angemessen. Eine etwaige Verschlechterung ihres Rufes habe sich die Klägerin selbst zuzuschreiben.
Da die Klägerin 2018 noch im Anzeigenbereich tätig war und so die unlauteren Geschäftspraktiken jederzeit wiederaufnehmen konnte, ließ auch der Zeitablauf von fünf Jahren das überwiegende Interesse der Allgemeinheit laut BGH nicht entfallen.
Die Veröffentlichung eines gegen einen Konkurrenten erwirkten Urteils darf nach dieser Entscheidung nun im Einzelfall – sogar unter namentlicher Nennung und mit zeitlichem Abstand – gerechtfertigt sein. Allerdings sind erhebliche UWG-rechtliche Verstöße die Voraussetzung für ein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit, insbesondere dann, wenn die veröffentlichende Partei mit der Veröffentlichung auch ihren eigenen Wettbewerb fördert. Dies dürfte in den meisten Fällen zutreffen. In Zukunft werden Gerichte das Bestehen eines überwiegenden Interesses aber nicht mehr ohne Weiteres ablehnen können. Es lohnt sich also, die Möglichkeit der Veröffentlichung eines Urteils rechtlich überprüfen zu lassen.
1. October 2021
1. October 2021
von Tamara Herzog