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Dr. Jelena M. Patzke

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1. Oktober 2021

Newsletter Marke-Design-Wettbewerb Oktober 21 – 2 von 4 Insights

EuG zur Schutzfähigkeit des LEGO-Bausteins unter designrechtlichen Gesichtspunkten (LEGO)

  • Briefing

In seiner Entscheidung vom 24. März 2021 (Rs. T-515/19) beschäftigt sich das EuG mit dem Schutzumfang von Erscheinungsmerkmalen modularer Systeme nach Art. 8 Abs. 3 der Gemeinschaftsgeschmacksmuster-Verordnung (GGV) und konkretisiert den Anwendungsbereich dieser Spezialregelungen. Die Klägerin ist Inhaberin eines 2010 eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters für die unter der Marke „LEGO“ bekannten Bausteine. Konkret war Gegenstand der Entscheidung der folgende LEGO-Baustein:

Gegen dieses Gemeinschaftsgeschmacksmuster stellte eine deutsche Spielzeugherstellerin 2016 Nichtigkeitsantrag (Art. 52 GGV) mit der Begründung, dass alle Designaspekte des Musters alleine auf der technischen Funktion des Geschmacksmusters beruhten und deshalb gem. Art. 8 Abs. 1 GGV nicht schutzfähig seien.

Mit der Begründung, dass der LEGO-Baustein ein Bestandteil eines größeren Sets von Bausteinen sei, die jeweils dazu gedacht seien, ausreichend stabil miteinander verbunden zu werden, um daraus ein Bauwerk schaffen zu können, hatte die Beschwerdekammer dem LEGO-Baustein auch zunächst den Schutz versagt. Denn alle Erscheinungsmerkmale des Musters seien auf diese Funktion, nämlich die Herstellung einer Verbindung zu den anderen Bausteinen des Sets, zurück zu führen.

Diese Entscheidung hat das EuG aufgehoben und an das EUIPO zurückverwiesen. So habe die Beschwerdekammer zunächst nicht alle Erscheinungsmerkmale des LEGO-Bausteins auf die technische Bedingtheit überprüft. Es fehlte an der Berücksichtigung der konkreten Form der Oberseite des Bausteins mit den vier runden Noppen in der Mitte und den sich auf beiden Seiten anschließenden ebenen Flächen. Einen weiteren Rechtsfehler habe die Beschwerdekammer aufgrund der unterlassenen Prüfung der in Art. 8 Abs. 3 GGV normierten Rückausnahme für modulare Systeme begangen. Grundsätzlich gilt nach Art. 8 Abs. 1 GGV, dass Erzeugnisse nur dann nicht schutzfähig sind, wenn alle Erscheinungsmerkmale ausschließlich durch ihre technische Funktion bedingt sind. Nach Art. 8 Abs. 3 GGV sind aber technische Merkmale eines Geschmacksmusters schutzfähig, die dem Zweck dienen, den Zusammenbau oder die Verbindung einer Vielzahl von untereinander austauschbaren Erzeugnissen innerhalb eines modularen Systems zu ermöglichen. Dies wäre vorliegend zu prüfen gewesen.

Das EuG stellt hier den Anwendungsbereich der Tatbestände von Art. 8 GGV sowie deren Verhältnis zueinander klar: Diese „technische Bedingtheit“ von Merkmalen ist in Art. 8 GGV in zwei Absätzen geregelt. Während sich Abs. 1 auf die ausschließlich durch die technische Funktion bedingten Erscheinungsmerkmale eines Erzeugnisses bezieht, betrifft Abs. 2 solche Erscheinungsmerkmale, die zwangsläufig in ihrer genauen Form und ihren genauen Abmessungen nachgebildet werden müssen, damit sie mit einem weiteren Erzeugnis zusammenwirken können. Dabei kann es Erscheinungsmerkmale eines Erzeugnisses geben, die sowohl unter Art. 8 Abs. 1 GGV als auch unter Art. 8 Abs. 2 GGV fallen. Auch für diese Merkmale greife die Ausnahme des Art. 8 Abs. 3 GGV. Ist also der Tatbestand von Art. 8 Abs. 1 GGV erfüllt, so ist weiter zu prüfen, ob das Erzeugnis zudem auch unter Art. 8 Abs. 2 und 3 GGV fällt und damit (unter Anwendung der lex specialis des Abs. 3) doch schutzfähig ist.

Praxishinweis:

Das EuG gibt mit dieser Entscheidung einen umfangreichen Schutz für modulare Systeme vor. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die im Markenrecht ergangene Entscheidung des EuGH zum Lego-Stein als Formmarke (EuGH GRUR 2010, 1008 – LEGO-Baustein), auf die das EUIPO noch Bezug genommen hatte. Der EuGH hat in seiner Entscheidung dem Legostein den markenrechtlichen Schutz verweigert. Die Begründung: Der LEGO-Baustein bestehe allein aus Merkmalen der Ware, welche zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich seien (Art. 7 I Buchst. e Nr. ii UMV). Das EuG betont demgegenüber mit seiner Entscheidung nunmehr zutreffend die Eigenständigkeit der geschmacksmusterrechtlichen Beurteilung der Schutzfähigkeit, die auf anderen Kriterien als die markenrechtliche Bewertung beruht.

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