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11. Februar 2022

Referentenentwurf zur dauerhaften virtuellen Hauptversammlung liegt vor

  • Briefing

– Update vom 11. Februar 2022 –

Am 9. Februar 2022 hat das Bundesministerium der Justiz den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften veröffentlicht. Damit ist nun auf Gesetzgebungsebene der erste maßgebliche Schritt zur dauerhaften Ermöglichung von präsenzlosen Hauptversammlungen getan. Zugleich beginnt das Anhörungsverfahren für Verbände. Dieser Beitrag soll einen ersten Überblick geben.


Ziel des Gesetzes der virtuellen Hauptversammlung

Die Durchführung virtueller Hauptversammlung war bislang auf Grundlage des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie („Covid-19-Gesetz“) möglich. Das zwischenzeitlich mehrfach verlängerte und in Teilen angepasste Covid-19-Gesetz soll am 31. August 2022, also nach Abschluss der aktuellen Hauptversammlungssaison, auslaufen. 

Die Durchführung virtueller Hauptversammlungen nach dem Covid-19-Gesetz hat sich im Wesentlichen bewährt. Dies bestätigt der Referentenentwurf ausdrücklich und verweist auf steigende Präsenzraten und qualitativ höherwertige Auskünfte an die Aktionäre. Zugleich war jederzeit klar, dass das Covid-19-Gesetz „Notfallcharakter“ hat und insbesondere die Einschränkung von Aktionärsrechten nicht dauerhaft beibehalten werden sollte. Auf dieser Grundlage soll der Gesetzesentwurf nun eine dauerhafte Verankerung virtueller Hauptversammlung im AktG ermöglichen und damit einer weit verbreiteten Forderung des Kapitalmarkts entsprechen.

Übersicht über den wesentlichen Inhalt

Satzungsbestimmung

Nach § 118a AktG-E, der als Zentralnorm für die virtuelle Hauptversammlung fungiert, bedarf die Entscheidung für die virtuelle Hauptversammlung einer Grundlage in der Satzung, die eine Mehrheit von 75 Prozent erfordert. Die Regelung in der Satzung oder eine entsprechende Ermächtigung des Vorstands muss auf bis zu fünf Jahre befristet werden. Damit soll die Legitimation der Entscheidung der Aktionäre regelmäßig erneuert werden. Ähnliches sieht das AktG etwa für das Vergütungssystem von Vorstand oder Aufsichtsrat vor.

Voraussetzungen für eine virtuelle Hauptversammlung

Bereits das Covid-19-Gesetz sah eine Reihe von Kriterien vor, die die rechtmäßige Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung erfüllen musste. Diese greift der Referentenentwurf nun auf und entwickelt diese weiter.

  • Die gesamte Versammlung ist in Bild und Ton zu übertragen.
  • Es muss die elektronische Stimmrechtsausübung der Aktionäre ermöglicht werden.
  • Die Gesellschaft muss den Aktionären erstmals ermöglichen, Anträge in der Versammlung elektronisch stellen zu können. Gegenanträge gegen Beschlussvorschläge der Verwaltung sind in der Versammlung allerdings nicht mehr möglich, um den Versammlungstermin zu entzerren und Abstimmungen über diese Anträge bereits vor der Versammlung zu ermöglichen. Hier ist, wie bisher, eine Fiktion der Antragstellung im Vorfeld vorgesehen.
  • Die Aktionäre erhalten ein Auskunftsrecht im Wege elektronischer Kommunikation. Damit greift der neue Entwurf die vielfach geäußerte Kritik am bisherigen „Fragerecht“ auf, das lediglich die Fragestellung bis einen Tag vor der Hauptversammlung vorsah. Das Auskunftsrecht kann, analog zur Präsenzversammlung, in der Versammlung gewährt werden. Der Entwurf sieht ergänzend weiterhin die Möglichkeit vor, dass der Vorstand im Fall einer entsprechenden Satzungsbestimmung oder Ermächtigung für die virtuelle Hauptversammlung die Vorabeinreichung von Fragen bis zu vier Tage vor dem Versammlungstermin bestimmen kann. Hintergrund ist die eingangs erwähnte Steigerung der Qualität der Antworten durch die Verwaltung, die diese nunmehr nicht mehr eilig im Back Office vorbereiten oder aus dem Stehgreif geben mussten. Allerdings ist den Aktionären – auch dies greift eine Forderung aus der Praxis auf – dann ein Nachfragerecht über elektronische Kommunikation in der Versammlung zu ermöglichen. Hieraus können sich natürlich Schwierigkeiten bei der Abgrenzung einer Nachfrage von einer „neuen“ Frage ergeben.
  • Der Bericht des Vorstands oder dessen wesentlicher Inhalt ist bis spätestens sechs Tage vor der Versammlung den Aktionären – idealerweise auf der Webseite der Gesellschaft – zugänglich zu machen. Damit soll die Transparenz verbessert werden. Auch dies hatten verschiedene Gesellschaften bereits so praktiziert und dabei mitunter gar einen längeren Zeitraum vorgesehen.
  • Aktionäre sollen die Möglichkeit erhalten, Stellungnahmen im Vorfeld der Versammlung einzureichen, die den Aktionären zugänglich zu machen sind.
  • Darüber hinaus sollen Aktionäre eine Redemöglichkeit in der Versammlung erhalten. Um eine „Beherrschbarkeit“ für die Gesellschaft zu gewährleisten, wird der Gebrauch an ein Vorverfahren geknüpft, das u.a. die Möglichkeit zur Festlegung eines Zeitraums für die Gesamtheit der Redebeiträge und einer Anzahl von Redebeiträgen in der Einberufung und ein Anmeldeerfordernis. Anträge und Fragen können im Rahmen des Redebeitrags ausgeschlossen werden.
  • Wie bislang ist den Aktionären eine Widerspruchsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen. Nach dem Entwurf ist diese aber nun nicht mehr an die Ausübung des Stimmrechts geknüpft.
  • Die bestehenden Vorschriften des AktG, die Anfechtungsmöglichkeiten im Falle technischer Störungen begrenzen, werden auf die virtuelle Hauptversammlung ausgedehnt. Dies gilt jedoch nicht, wenn über derartige technischen Störungen hinaus die Voraussetzungen der virtuellen Hauptversammlung nicht eingehalten werden.
  • Die virtuelle Hauptversammlung enthält keine Einschränkung bezüglich in ihr zu behandelnder Gegenstände. Gerade diese Frage war bei Strukturentscheidung Gegenstand von Anfechtungsklagen, die der Entwurf nun im Sinne der begrüßenswerten Rechtsprechung beantwortet.
  • Am Ort der Hauptversammlung haben (physisch) teilzunehmen die Mitglieder des Vorstands, die Mitglieder des Aufsichtsrats, sofern deren Teilnahme nicht nach § 118 Abs. 3 Satz 2 AktG im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen darf, der Versammlungsleiter, regelmäßig der/die Aufsichtsratsvorsitzende und ggf. der Abschlussprüfer.
  • Neben Aktiengesellschaften erfasst sollen die neuen Bestimmungen u.a. auch für die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) und die Europäische Aktiengesellschaft (SE) gelten.

Zusammenfassung

Der Referentenentwurf greift eine Vielzahl der in der Vergangenheit geäußerten Kritik- und Streitpunkte auf. Auf den ersten Blick bringt er die Interessen der Gesellschaften an einer rechtssicheren und praktikablen Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung und Belange des Aktionärsschutzes in einen praxisnahen und nachvollziehbaren Ausgleich. Die Wirtschaft hat bereits positive Signale gesendet. Schließlich trägt der Entwurf zum dringend notwendigen Reformprozess im deutschen Aktienrecht bei. Es wird interessant sein, welche Einschätzungen das Verbandskonsultationsverfahren, das bis um 11. März 2022 läuft, zu Tage fördert. Auch der Corporate & Markets Navigator wird sich zeitnah eingehend und kritisch mit dem Referentenentwurf auseinandersetzen.

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