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18. August 2022

Whistleblowing – der Referentenentwurf wird zum Gesetzentwurf – viel Zeit bleibt nicht mehr!

  • Briefing

Die Bundesregierung hat sich auf einen Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes verständigt. Das Gesetz wird voraussichtlich im Herbst dieses Jahres verabschiedet werden. Wesentliche Unterschiede im Vergleich zum Referentenentwurf [FAQ zum Referentenentwurf] enthält der Gesetzentwurf zwar nicht. Allerdings gibt er Anlass zu prüfen, ob Ihr Unternehmen bei der Implementierung bzw. Anpassung des Whistleblowing-Prozesses auf Kurs ist.

Wir kommentieren die Neuerungen im Gesetzentwurf daher gern für Sie:


Anwendungsbereich

Nach dem Gesetzentwurf sind Hinweisgeber nun auch bei Meldungen von potenziellen Verstößen gegen das Kartellrecht geschützt. Im Referentenentwurf war dies noch nicht so, da der Anwendungsbereich neben dem Strafrecht nur bestimmte Ordnungswidrigkeiten sowie eine ganze Reihe von „sonstigen Verstößen gegen Rechtsvorschriften“ enthielt. Der Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes bleibt aber einer der Hauptkritikpunkte des Gesetzes. Wie soll ein Hinweisgeber ohne vorherige juristische Beratung einschätzen können, ob ein Verstoß, den er melden will, dem Strafrecht, den vom Hinweisgeberschutzgesetz genannten Ordnungswidrigkeitenrecht oder den 20 dort aufgeführten anderen Rechtsakten unterliegt? Ein Hinweis über sexuelle Belästigungen unterhalb der Schwelle des Strafrechts nach dem AGG wäre zum Beispiel nicht geschützt. Die mit dem Hinweisgeberschutz beabsichtigte Rechtssicherheit für Hinweisgeber wird so gerade nicht erreicht, sondern erschwert.

Praxistipp: Ihr Unternehmen sollte den Anwendungsbereich der „Whistleblowing-Policies“ möglichst weit fassen. Damit wird die Sichtbarkeit von potenziellen Compliance-Verstößen in Ihrem Unternehmen vergrößert und eine stärkere Rechtssicherheit für Hinweisgeber erzielt.


Anonymität

Nach wie vor sind Unternehmen nicht verpflichtet, insbesondere durch technische Einrichtungen, ihre Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen. Der Gesetzentwurf enthält nunmehr aber eine Bestimmung, wonach die internen Meldestellen anonym eingehende Meldungen gleichwohl bearbeiten „sollten“, soweit dadurch die Bearbeitung von nichtanonymen Meldungen nicht gefährdet wird. Diese Ergänzung, insbesondere das Vorrangverhältnis von nicht-anonymen Meldungen zu anonymen Meldungen, hilft der Aufklärungspraxis im Unternehmen nicht. Unternehmen können anonym abgegebene Meldungen, die ggf. gravierende Rechtsverstöße beinhalten, ohnehin nicht ignorieren, wollten sie sich nicht der Gefahr eines „Organisationsverschuldens“ aussetzen.

Praxistipp: Ihr Unternehmen sollte anonyme Meldungen zulassen. Dadurch wird das Vertrauen in das Hinweisgebersystem gestärkt. Zudem werden potenzielle Rechtsverstöße in Ihrem Unternehmen verstärkt sichtbar gemacht. Gleichwohl sollte die interne Meldestelle im Dialog mit dem Hinweisgeber über die Konsequenzen der Anonymität und das damit verbundene Spannungsfeld von Aufklärungs- und Sanktionsinteresse einerseits sowie dem Hinweisgeberschutz andererseits aufklären. Es gilt jedoch der Grundsatz, niemals den Hinweisgeber zu überreden, die Anonymität aufzugeben.


Verhältnis Meldestelle und interne Ermittlung – Konzern

Der Gesetzentwurf stellt nun klar, dass die interne Meldestelle das Verfahren zwecks weiterer Untersuchung auch an eine Arbeitseinheit im Unternehmen oder an eine andere Organisationseinheit, die für interne Ermittlung zuständig ist, abgeben kann. Damit ist nochmals klargestellt, dass die interne Meldestelle die „Internal Investigation“ nicht allein führen muss, sondern sich der oftmals schlagkräftigeren Investigations-Abteilung auch bei einem konzernangehörigen Unternehmen bedienen kann („andere Organisationseinheit“). Gleichwohl ist die Vertraulichkeit auch bei Übergabe an andere Organisationseinheiten strengstens zu beachten.

Praxistipp: Stellen Sie die Vertraulichkeit an den „Schnittstellen“ im Aufklärungsprozess sicher und beobachten Sie die Auffassung der EU-Kommission. Die sieht die Möglichkeit konzernzentraler Aufklärung nämlich – anders als der deutsche Gesetzgeber – als nicht zulässig an.


Anpassung des Bußgeldrahmens 

Der Bußgeldrahmen für Verletzungen der Vertraulichkeitspflicht wurde nochmals leicht angepasst. Vorsätzliche bzw. leichtfertige Verstöße gegen die Vertraulichkeit können nun mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 bzw. 100.000 Euro sanktioniert werden. Auch fahrlässige Verstöße können ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro nach sich ziehen, wobei das Bußgeld jeweils die Person im Unternehmen zu tragen hat, die mit den Aufgaben der internen Meldestelle betraut wurde. Aber auch Bußgelder gegen das Unternehmen von bis zu einer Million Euro sind möglich, sofern keine geeigneten Prozesse vorgeben wurden.

Praxistipp: Verletzungen gegen die Vertraulichkeit im Rahmen von unternehmensinternen Aufklärungsmaßnahmen geschehen schnell und unbewusst. Sichern Sie daher die Personen in der internen Meldestelle mit Vertraulichkeitsvereinbarungen, Guidelines und Schulungen ab. 
Unternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitern werden nach Verabschiedung des Hinweisgeberschutzgesetzes eine interne Meldestelle eingerichtet haben müssen. Anderenfalls droht ein Bußgeld. Kleine Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern haben dafür noch etwas länger Zeit, genauer gesagt bis zum 17. Dezember 2023. Bis dahin gilt es, neben der Einrichtung einer internen Meldestelle, Melde- und Aufklärungsprozesse im Unternehmen zu implementieren, die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei der Einführung und dem Betrieb der Meldestelle zu wahren und die datenschutzrechtliche Compliance zu beachten.

Dafür gibt es aber auch für kleine und mittlere Unternehmen Lösungen, die wir in unserer neuen Videoserie präsentieren. Jede Woche erscheint eine neue Folge.

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