Die Spatzen pfeifen es mal wieder vom Dach: Das Thema Whistleblowing geht in die nächste Runde! Inhaltlich sind insbesondere die folgenden Eckpunkte, die im Hinblick auf den jüngst in die Ressortabstimmung gegangenen Referentenentwurf eines (neuen) Hinweisgeberschutzgesetzes durchgesickert sind, beachtlich:
- Der Bußgeldrahmen wurde erweitert. Wer entgegen der Verpflichtung keine interne Meldestelle einrichtet oder betreibt, riskiert ein Bußgeld von bis zu EUR 20.000. Repressalien gegen Whistleblower und eine Behinderung von Whistleblower-Meldungen können mit einem Bußgeld jedenfalls gegen das Unternehmen mit bis zu EUR 1.000.000 (!) geahndet werden. Die Beweislastumkehr zugunsten des Whistleblowers soll aber im Bußgeldverfahren nicht, sondern z.B. nur in arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen gelten. Um diese gravierenden Folgen möglichst in einem frühen Stadium abwehren zu können, sind Unternehmen gut beraten bereits jetzt angemessene Schutzmechanismen für potentielle Hinweisgeber zu implementieren.
- Achtung: Während die Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen zunächst „nur“ Beschäftigungsgeber und Organisationseinheiten mit mindestens 250 Beschäftigten trifft, gilt diese Pflicht ab dem 17. Dezember 2023 auch für entsprechende Einheiten mit mindestens 50 Beschäftigten!
- Der Anwendungsbereich des Referentenentwurfs geht über die EU-Whistleblower-Richtlinie – wie im Koalitionsvertrag angekündigt – hinaus, allerdings nicht ganz so umfassend wie der vorherige Entwurf. Neben Meldungen über Verstöße gegen EU-Recht sind auch Meldungen über Straftaten und Ordnungswidrigkeiten erfasst; letztere aber nur soweit sie dem Schutz des öffentlichen Interesses oder der Recht von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane (z.B. Betriebsrat) dienen. Ferner sind Meldungen über Rechtsverstöße in bestimmten Sektoren, z.B. Straßenverkehr, Produktsicherheit, Umweltschutz geschützt. Diese Auffächerung der relevanten Rechtsverstöße macht es den Unternehmen nicht leichter, den Hinweisgeberschutz in ihre Strukturen zu implementieren und an die Mitarbeiter zu kommunizieren. Daher ist frühzeitig zu überlegen, inwieweit das Whistleblowing-System für alle Rechtsverstöße sowie unethisches Verhalten geöffnet werden sollte.
- Der Referentenentwurf folgt der EU-Kommission ausdrücklich nicht: Es soll innerhalb von Konzernstrukturen auch weiterhin zulässig sein, eine zentrale interne Meldestelle bei der Konzernmutter einzurichten. Gleichzeitig soll es ausdrücklich gestattet werden, Dritte mit den Aufgaben einer internen Meldestelle zu betrauen. Die Verantwortlichkeit für die Prüfung und Aufklärung der Meldefälle soll aber lokal verbleiben. Wie dies, insbesondere auch vor dem Hintergrund der Stellungnahme der EU-Kommission im Konzern und im internationalen Umfeld umzusetzen ist, muss im Einzelfall anhand der Konzernstrukturen entschieden werden.
- Der Schutz für Hinweisgeber greift nur, wenn diese davon ausgehen durften, dass die gemeldeten Informationen der Wahrheit entsprachen. Anders als der vorherige Entwurf sieht der aktuelle Entwurf wohl nun auch ein Sanktionsrisiko für den Whistleblower vor, sofern er wissentlich eine unrichtige Information offenlegt.
- Es besteht keine Verpflichtung, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen. Wegen der erheblichen Folgeaufwände, die zur Wahrung der Vertraulichkeitspflichten bei nicht-anonymen Meldungen entstehen, bleibt jedoch weiterhin anzuraten, die Abgabe anonymer Meldungen vorzusehen.
- Auch im aktuellen Entwurf sind umfassende und bußgeldbewehrte Vertraulichkeitspflichten mit komplexen Ausnahmeregelungen - z.B. für Folgemaßnahmen und/ oder für interne Ermittlungen - enthalten. Allein dieses Geflecht an komplizierten Regelungen macht es erforderlich, dass die Unternehmen ihre Melde-/ und Aufklärungsprozesse regeln und verproben.
- Es besteht ein Wahlrecht des Whistleblowers, extern oder (unternehmens)intern zu melden, wobei die externe Meldestelle des Bundes nunmehr beim Bundesamt für Justiz angesiedelt und mit 30 Planstellen für die Aufklärung externer Meldungen mit deutlicher mehr Schlagkraft ausgestattet werden soll. Unternehmen sind daher gut beraten, mit einem leicht zugänglichen internen Meldeangebot einen Anreiz zu schaffen, damit potentielle Rechtsverstöße innerhalb des Unternehmens gemeldet und dort aufgeklärt werden können.
- Unternehmen werden umfassende Dokumentationspflichten auferlegt, z.B. sollen Unternehmen verpflichtet sein, den jeweiligen Whistleblower-Fall, einschließlich Aufklärungsmaßnahmen o.ä. zu dokumentieren und für die Dauer von zwei (2) Jahren nach Abschluss des Verfahrens aufzubewahren.