26. April 2022
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Bei der Abgabe von Garantieerklärungen müssen Unternehmer die Vorgaben des § 479 BGB beachten. Aber gilt das auch für eine sog. „Zufriedenheitsgarantie“? Damit muss sich nach einer Vorlage des BGH nun der Europäische Gerichtshof beschäftigen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob eine Zufriedenheitsgarantie eine Garantie i.S.d. europäischen Richtlinien darstellt und damit Verbrauchern eine Garantieerklärung mit dem Inhalt des § 479 BGB zur Verfügung gestellt werden muss. Entscheidet der EuGH, dass Zufriedenheitsgarantien unter den Begriff der Garantie fallen, wird das weitreichende Folgen für Unternehmen haben. Sie werden in diesem Fall zukünftig gehalten sein, auf ihrer Internetseite die Bedingungen der Zufriedenheitsgarantie vorzuhalten und diese Bedingungen zudem bei jedem Kauf den Verbrauchern spätestens mit Lieferung der Ware zu übermitteln. Alle Unternehmen, die ihren Kunden Zufriedenheitsgarantien anbieten, sollten das Verfahren vor dem EuGH deshalb aufmerksam verfolgen.
Dem Vorlagebeschluss des BGH zugrunde lag ein Fall, bei dem die Beklagte T-Shirts über verschiedene Einzel- und Onlinehändler anbot. An diesen T-Shirts waren Hängeetiketten (sog. Hang-Tags) angebracht, auf denen die Beklagte mit einer „Lifetime Warranty“ warb. Neben der „Lifetime Waranty“ war auf den Hang-Tags als einzige Bedingung abgedruckt, dass der Käufer die T-Shirts im Falle seiner Unzufriedenheit jederzeit zurückgeben könne. Nach Ansicht der Klägerin, der Inhaberin eines Onlineshops von Waren für den Sport- und Fitnessbedarf, war dies nicht ausreichend, weil die inhaltlichen Voraussetzungen an die Garantieerklärung gem. § 479 BGB nicht eingehalten worden waren. Es müsse nach § 479 BGB etwa darauf hingewiesen werden, dass durch die Garantie die gesetzlichen Mängelrechte des Verbrauchers nicht eingeschränkt werden.
Das LG München I (Urt. v. 10.2.2020 – 4 HKO 8418/19) wies die Klage in erster Instanz ab. Auf die Berufung der Klägerin hob das OLG München (Urt. v. 14.1. 2021 – 29 U 1203/20) die erstinstanzliche Entscheidung auf, da die Zufriedenheitsgarantie nach Auffassung des Gerichts eine Garantie nach § 443 BGB darstelle und deswegen die Hang-Tags den in § 479 BGB vorgeschriebenen Inhalt aufweisen müssen.
Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH zwei Fragen zur Entscheidung vorgelegt:
In seiner Begründung stellt der BGH zunächst fest, dass die beiden Fragen entscheidungserheblich sind, weil von der Beantwortung der Frage abhängt, ob der Klägerin ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zusteht. Dies ist nämlich nur der Fall, wenn auch für die Zufriedenheitsgarantie die inhaltlichen Voraussetzungen an eine Garantieerklärung nach § 479 BGB einzuhalten waren. Ist diese Frage zu bejahen, stellt die Werbung mit der „Lifetime Warranty“ ohne diese Garantiebedingungen eine unlautere geschäftliche Handlung gem. § 3a UWG i.V.m. § 479 BGB dar.
Zentral für die Beantwortung dieser Frage ist, ob eine Zufriedenheitsgarantie eine Garantie i.S.v. § 443 BGB darstellt. Da dieser Norm die europäischen Vorschriften des Art. 2 Nr. 14 RL 2011/83/EU und Art. 2 Nr. 12 der RL (EU) 2019/771 zugrunde liegen, sieht der BGH den EuGH zu der Auslegung des Garantiebegriffes berufen. Hinsichtlich der Zufriedenheit mit einer Kaufsache ist nach Ansicht des BGH entscheidend, ob diese subjektive Haltung zur Kaufsache „eine andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderung“ i.S.v. Art. 2 Nr. 14 RL 2011/83/EU oder „eine andere nicht mit der Vertragsmäßigkeit verbundene Anforderung“ i.S.v. Art. 2 Nr. 12 der RL (EU) 2019/771 darstellt.
Ein klares Ergebnis ergibt sich bei Auslegung der Bestimmungen nach Auffassung des BGH nicht. Aus dem Wortlaut der Richtlinienbestimmungen lasse sich nicht eindeutig herauslesen, ob die Garantie die objektiven Gegebenheiten der Kaufsache berühren muss oder ob sie sich auch allein auf die subjektive Haltung des Verbrauchers zu dem erworbenen Produkt (etwa die Zufriedenheit) beziehen kann. Ebenso lässt nach dem BGH der Regelungszusammenhang keine eindeutige Auslegung zu. Das Regelungsziel der Richtlinien, ein möglichst hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen, könne für eine Einbeziehung des Begriffs der Zufriedenheit in den Garantiebegriff sprechen. Hier ist nun der EuGH gefordert, klare Vorgaben zu schaffen.
An die erste Vorlagefrage knüpft die zweite Frage des BGH an. Wenn der EuGH auch eine Zufriedenheitsgarantie als Garantie versteht, stellt sich nämlich die Frage, ob die Zufriedenheit anhand objektiver Umstände feststellbar sein muss oder die Bekundung der Unzufriedenheit durch den Verbraucher ausreicht. Der BGH neigt zu letzterer Auffassung. Maßgebliche Erwägung dafür ist, dass es dem Garantiegeber selbst überlassen sei, den Garantiefall an objektivierbare Voraussetzungen – wie eine nachvollziehbare Begründung der Unzufriedenheit – zu knüpfen.
Die Vorlage ist hochgradig praxisrelevant, bieten doch viele Unternehmen ihren Kunden sogenannte Zufriedenheitsgarantien an. Sollte der EuGH annehmen, dass die Zufriedenheitsgarantie eine Garantie im Sinne der relevanten EU-Richtlinien darstellt, würde das für Unternehmen umfangreiche Informationspflichten auslösen:
Für Gewährleistungsgarantien, die Unternehmen ihren Kunden noch häufiger einräumen, gelten die vorvertraglichen Informationspflichten ohnehin bereits, die Pflicht zur Übermittlung der Garantieerklärung spätestens mit Lieferung der Ware gilt ebenfalls seit 1. Januar 2022. Da ein Verstoß gegen die Informationspflichten Unterlassungsansprüche auslösen kann, sollten Unternehmen umgehend mit der Umsetzung der Informationspflichten beginnen und Verbrauchern bei jedem Kauf eine Garantieerklärung zur Verfügung stellen.
26. April 2022
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von Ina Kamps, M.A.
von Daniel Wiemann, LL.M. (UCLA) und Katharina H. Reuer, M. Jur. (Madrid)