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1. Dezember 2021

Was bringt der Koalitionsvertrag Neues für das Arbeitsrecht?

  • Briefing

Seit 24. November 2021 ist die Regierungsbildung mit dem 177 Seiten starken Koalitionsvertrag besiegelt. Was bringt der Vertrag Neues für das Arbeitsrecht? Wir stellen Ihnen die wichtigsten Ziele des Vertrags vor und geben einen ersten Ausblick in das rot-gelb-grüne Arbeitsrecht von Morgen.

  • Niedriglohnsektor und Mindestlohn: Im Niedriglohnsektor steht die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde an. Zudem soll die Mini-Job-Grenze auf EUR 1.600 erhöht werden. Der Gefahr, dass prekäre Beschäftigungsverhältnisse zunehmen bzw. perpetuiert werden, möchte die Koalition allgemein durch stärkere Kontrolle begegnen.
  • Modern Work und Homeoffice: Für Arbeit in Homeoffice soll der schon lange Zeit kontrovers diskutierte Erörterungsanspruch für Arbeitnehmer kommen: Arbeitgeber müssen Arbeiten im Homeoffice gewähren, wenn keine betrieblichen Belange entgegenstehen. Eine Erleichterung des regulativen Rahmens ist damit nicht verbunden. Die Herausforderung „Compliance im Homeoffice“ dürfte sich verstärken: Denn mobiles Arbeiten soll innerhalb der EU ermöglicht werden, was insbesondere sozialrechtliche Fragen aufwerfen wird. Kaum Bewegung zeichnet sich insbesondere in der seit Jahren festgefahrenen Debatte um die Arbeitszeitflexibilisierung ab. Ob es zu einer Verschärfung der (europarechtlich geforderten) Arbeitszeitdokumentation kommt, soll geprüft werden. Für Digitale Plattformen (Crowdworking) und KI sollen europäische Lösungen angestrebt werden.
  • Selbständige und Fremdpersonal: Der Koalitionsvertrag kündigt an, „unbürokratisch Rechtssicherheit in der digitalen und agilen Arbeitswelt zu schaffen“. Dies ist zwar zu begrüßen, wie dieses Ziel umgesetzt werden soll, ist unklar. Neu ist: Für Selbständige soll es eine Pflicht zur Altersvorsorge geben, jedoch kombiniert mit eine Opt-Out-Option aus der staatlichen Rentenversicherung bei Wahl eines privaten insolvenz- und pfändungssicheren Vorsorgeprodukts, ähnlich dem sogenannten Schweizer Modell. Auch soll der Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung erleichtert werden. Gleichwohl dürfte die Fremdpersonal-Compliance hierdurch weiterhin stärker in den Fokus rücken und zusätzliche „Einfallstore“ für eine behördliche Kontrolle schaffen.
  • Digitale Betriebsratsarbeit und Neuerungen in der Mitbestimmung: Umfangreichere Neuerungen sind im Bereich der Mitbestimmung zu erwarten. Betriebsräte sollen entscheiden dürfen, ob sie analog oder digital arbeiten, ein Online-Betriebsratswahlverfahren soll als Pilot eingeführt werden (bisher hatten die Arbeitsgericht dem eine Abfuhr erteilt und die Wahl für nichtig erklärt, vgl. Arbeitsgericht Hamburg v. 7. Juni 2017 – 13 BV 13/16), Gewerkschaften sollen auch digital den Betrieb betreten dürfen. Die Behinderung der Betriebsratsarbeit soll von Amts wegen als Straftat verfolgt werden. Hinsichtlich der Unternehmensmitbestimmung soll es nicht mehr zur vollständigen Mitbestimmungsvermeidung beim Zuwachs von SE-Gesellschaften kommen. Eine weiterte Änderung betrifft das Drittelbeteiligungsgesetz: Dort soll bei faktischer Beherrschung die Konzernzurechnung aus der paritätischen Mitbestimmung übertragen werden; weitere Anforderungen (Beherrschungsvertrag, Eingliederung) sollen entfallen. Im Tarifrecht wird die öffentliche Auftragsvergabe an die Einhaltung repräsentativer Tarifverträge der Branchen geknüpft, um die Tariftreue zu stärken. Die Tarifflucht durch Betriebsausgliederungen soll verhindert bzw. erschwert werden.
  • Mehr Risiko in der betrieblichen Altersversorgung: Spannende Entwicklungen zeichnen sich bei der betrieblichen Altersvorsorge ab. Dort sollen bestimmte Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen und damit auch höheren Risiken erlaubt werden. Das Ende der ohnehin wenig attraktiven Riester-Rente ist eingeleitet: Insgesamt soll das System der privaten Altersversorgung grundlegend reformiert werden, möglicherweise wird es auch öffentlich verantwortete Fonds zur privaten Altersversorgung geben.
  • Ausbildungsgarantie und Bildungsteilzeit: Die Ampelkoalition will eine Ausbildungsgarantie und eine Bildungsteilzeit nach österreichischem Vorbild einführen, die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden muss. Für Unternehmen im Strukturwandel, etwa der Kohleindustrie, soll zur Beschäftigungssicherung ein dem Kurzarbeitergeld ähnliches Qualifizierungsgeld eingeführt werden, dessen Voraussetzung unter anderem der Abschluss einer Betriebsvereinbarung sein wird.
  • Befristung: Abgeschafft werden soll beim öffentlichen Dienst die Haushaltsbefristung sowie die sachgrundlose Befristung. Kettenbefristungen sollen jedenfalls bei Arbeitgebern der öffentlichen Hand auf sechs Jahre beim selben Arbeitgeber beschränkt werden.
  • Arbeitsschutz: Beim Arbeitsschutz soll die psychische Gesundheit gestärkt werden; auch soll ein Mobbing-Report erarbeitet werden. Ob und wie dem bisweilen beklagten Vollzugsdefizit im Arbeitsschutzrecht begegnet werden wird, ist unklar.

Das Programm der Ampelkoalition setzt – wie auch in vielen anderen Bereichen – erneut auf Digitalisierung. Das Spagat zwischen Regulatorik, Eigenverantwortung und Flexibilität wird eine Herausforderung für den Wirtschafts- und Arbeitsstandort Deutschland.


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