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2. September 2021

Erstattung einer Massenentlassungsanzeige – worauf es zu achten gilt

  • Briefing

Betriebliche Restrukturierungsmaßnahmen und der damit verbundene Personalabbau begleiten die Unternehmenswelt seit jeher. Die Auswirkungen der Coronakrise auf die Wirtschaft haben zusätzlich dazu beigetragen, dass sich Unternehmen mehr und mehr gezwungen sehen, betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen. Kommt es zu einer sog. Massenentlassung, ist diese bei der zuständigen Agentur für Arbeit anzuzeigen. Dass es im Rahmen solcher Anzeigeerstattungen leicht zu folgeträchtigen Fehlern kommen kann, haben unlängst die Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht (nachfolgend: BAG) z. B. im Fall „Air Berlin“ gezeigt.
Der folgende Beitrag soll einen Überblick über zu beachtende Aspekte und Risiken im Zusammenhang mit der Erstattung einer Massenentlassungsanzeige, insbesondere in Form einer Sammelanzeige, geben.

Gesetzliche Verpflichtung zur Erstattung einer Massenentlassungsanzeige

Gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 KSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er (i) in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer, (ii) in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer, (iii) in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt. Mit dieser Verpflichtung soll es der Bundesagentur für Arbeit (nachfolgend: AfA) ermöglicht werden, sich frühzeitig auf eine größere Anzahl von Entlassungen einzustellen und entsprechende Vorkehrungen treffen zu können, um den erhöhten Beschäftigungsbedarf regional aufzufangen. Kündigungen, die ausgesprochen werden, bevor eine Anzeige die zuständige Stelle erreicht, sind unwirksam, § 17 Abs. 1, 3 KSchG i.V.m. § 134 BGB.
Darüber hinaus ist der Arbeitgeber nach § 17 Abs. 2 KSchG dazu verpflichtet, dem Betriebsrat – sofern ein solcher existiert – rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich über die geplante Maßnahme zu unterrichten. Ferner haben Arbeitgeber und Betriebsrat die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern (sog. Konsultationsverfahren).

Das Anzeigeerstattungsverfahren

Der Arbeitgeber hat der Agentur für Arbeit die geplante Massenentlassung schriftlich anzuzeigen und ihr, sofern vorhanden, eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat sowie dessen abschließende Stellungnahme zum Kündigungssachverhalt zuzuleiten, § 17 Abs. 3 S. 4, 5 KSchG.
Die AfA stellt hierfür einen Vordruck auf ihrer Homepage zur Verfügung. Aus den Fachlichen Weisungen zum Kündigungsschutzgesetz der AfA ergeben sich wichtige Informationen, die bei der Erstattung einer Massenentlassungsanzeige behilflich sein können. Dennoch gibt es weitere Besonderheiten, die nicht selbsterklärend aus den Fachlichen Weisungen hervorgehen, gleichzeitig aber entscheidend für die ordnungsgemäße Anzeigeerstattung und somit auch Wirksamkeit der Kündigungen sind.

Die Anzeige ist an die örtlich zuständige Agentur für Arbeit zu richten, in deren Bezirk der Betrieb liegt, und nicht am Sitz des Unternehmens. Sind verschiedene Betriebe eines Unternehmens von den Kündigungen betroffen, bedarf es zur Klärung der Zuständigkeit der Agentur für Arbeit einer gründlichen Prüfung, welchem Betrieb die verschiedenen Arbeitnehmer angehören. Es sind dann für jeden Betrieb im Einzelnen Anzeigen bei der jeweiligen zuständigen Stelle zu erstatten. Zwar besteht bei Eingang einer Anzeige bei einer unzuständigen AfA eine interne Weiterleitungspflicht an die örtlich zuständige AfA, der wirksame Eingang der Anzeige tritt aber erst mit Zugang bei der zuständigen AfA ein.
Um großen Unternehmen mit deutschlandweiten Niederlassungen die Anzeige von Massenentlassungen zu erleichtern, besteht die Möglichkeit, eine Sammelanzeige bei der Agentur für Arbeit einzureichen, die für den Hauptsitz des Unternehmens zuständig ist. Dieses Vorgehen ist nach Auffassung des BAG auch mit Unionsrecht vereinbar (BAG, Urt. v. 13.02.2020 – 6 AZR 146/19). Dadurch wird das Anzeigeverfahren insofern vereinfacht, als dass nur eine einzige Anzeige bei der AfA am Sitz des Unternehmens erstattet werden muss und mit Eingang dieser Sammelanzeige der Eingang aller Massenentlassungsanzeigen fingiert wird. Die AfA am Sitz des Unternehmens prüft die Anzeige und bearbeitet sie entsprechend. Zur korrekten Anfertigung der Sammelanzeige ist für jeden Betrieb, in dem es zu Massenentlassungen kommen soll, ein Vordruck auszufüllen. Dem Arbeitgeber wird der bürokratische Aufwand der Zuordnung der zu entlassenen Arbeitnehmer zum korrekten Betrieb nicht durch Einreichen einer Sammelanzeige erspart.

Praxistipp

Die kursorische Darstellung des Verfahrens zur Erstattung einer Massenentlassungsanzeige zeigt, dass es für eine ordnungsgemäße Anzeigeerstattung einige Stolpersteine gibt, auf die es bei ihrer Erstellung zu achten gilt. Massenentlassungen bedürfen einer genauen Planung und ordnungsgemäßen Umsetzung. Hierzu gehört zum einen die Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen, zum anderen die Erstellung einer Strategie und eines zeitlichen Ablaufplans. Ein solches Vorgehen ist für Arbeitgeber wichtig, da Fehler im Verfahren der Massenentlassungsanzeige zur Unwirksamkeit der Kündigung führen können, auch wenn die AfA selbst einen solchen nicht feststellt. Die Anzeige muss also mit allergrößter Sorgfalt gestellt werden.

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