11. Mai 2021

Legal Operations – mehr als nur ein Trend

  • In-depth analysis

Ob Design Thinking, Modern Work oder Mobile first – Buzzwords kennt die moderne Geschäftswelt zur Genüge. Ein neuer Begriff, der mehr und mehr die Rechtsabteilungen von Unternehmen aufmischt und weit mehr ist als ein bloßes Buzzword, lautet Legal Operations. Wir bringen Licht in den Tunnel und beleuchten die wichtigsten Aspekte, die sich hinter dem Ausdruck, der sich von einem Trend hin zu einem festen Bestandteil von Rechtsabteilungen entwickelt, verbergen.

Anforderungen an Rechtsabteilungen steigen

Der digitale Wandel, ein steigendes Compliance-Regulativ und ein wachsender Kostendruck sind nur einige Beispiele dafür, vor welchen Herausforderungen Rechtsabteilungen im 21. Jahrhundert stehen. Die Zeiten, in denen sie relativ losgelöst von anderen Unternehmensbereichen ohne Sorgen um wirtschaftliche Kennzahlen oder technologische Hürden ihrer juristischen Tätigkeit nachgehen konnten, sind längst vorbei. Mehr denn je müssen sich Unternehmensjuristen neben der Erbringung von Rechtsdienstleistungen auch um nicht-juristische Tätigkeitsfelder, sogenannte Legal Operations, kümmern. Legal Operations lassen sich als eine Veränderung in der Rechtsabteilung hin zu mehr betriebswirtschaftlichen und nicht klassisch-juristischen Tätigkeiten definieren, die darauf abzielen, die Qualität und Produktivität der Rechtsdienstleistung zu verbessern. Hierzu zählen etwa die Finanzplanung, das Projektmanagement oder die Entwicklung digitaler Tools.

Das Management der Rechtsabteilung

Doch wie genau gelingt es, die juristische Arbeit besser und produktiver zu gestalten? Wichtig ist zunächst, dass die Rechtsabteilung aus einer Managementperspektive heraus betrachtet wird und sich die Frage stellt, wie effizientere Prozesse und schlankere Strukturen etabliert werden können. Denn oft können kleine Umstrukturierungen einen großen Nutzen für die gesamte Abteilung stiften, indem beispielsweise weniger Mitarbeiter in einen Prozess involviert sind oder eine klarere Aufgabenzuteilung in Projekten realisiert wird. Das wiederum spart der Rechtsabteilung und somit dem ganzen Unternehmen bestenfalls Zeit und Kosten.

Die Performance der Rechtsabteilung

Um ineffiziente Abläufe und festgefahrene Strukturen zu identifizieren, wird von vielen Experten die Messbarmachung der Leistung innerhalb der Rechtsabteilung als ein entscheidender Faktor betrachtet. Die Erhebung von Leistungskennzahlen, beispielweise zur Anzahl laufender Gerichtsverfahren, der monatlichen Umsatzzahlen oder der Anzahl der Mitarbeiter, schafft Transparenz und hilft der Rechtsabteilung den eigenen Status quo besser zu verstehen. Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse können dann sowohl operative als auch strategische Entscheidungen schlüssiger auf Basis von objektiven Kriterien getroffen werden. Im Idealfall erhöhen sich so also Effizienz und Qualität der juristischen Arbeit.

Zusammenspiel von Mensch und Daten

Die Protagonisten der Rechtsabteilung sollten jedoch im Hinterkopf behalten, dass Entscheidungen nicht nur auf Grundlage von datenbasierten Erhebungen getroffen werden sollten. Vielmehr ist die Kombination aus juristischem Fingerspitzengefühl einerseits sowie handfesten Daten und Informationen andererseits erstrebenswert. Damit dieses Zusammenspiel aus subjektiven und objektiven Faktoren bestmöglich funktioniert, ist es vor allem wichtig, dass Mitarbeiter der Rechtsabteilung sich dieser neuen Herausforderung positiv annehmen, damit sie einen sichtbaren Nutzen stiftet. Denn nur, wenn Mitarbeiter verstehen, welchen konkreten Mehrwert Legal Operations ihrer Rechtsabteilung liefern können und wie ihre tägliche Arbeit hierdurch einfacher und besser wird, werden sie den gewünschten positiven Effekt generieren.

Digitalisierung als Beschleuniger

Dass Legal Operations heutzutage verstärkt in den Fokus rücken, hängt nicht nur mit den zuvor erläuterten betriebswirtschaftlichen Faktoren zusammen, sondern ist ebenfalls als ein Resultat von makroökonomischen Einflüssen anzusehen. Zu nennen sei hier exemplarisch die fortschreitende Digitalisierung der Wirtschaft, die besonders durch die Corona-Pandemie eine zusätzliche Beschleunigung erfährt: Rechtsabteilungen versuchen, eine Umstellung auf digitale Prozesse voranzutreiben, wodurch Legal Tech Anwendungen und IT-Spezialisten, die diese entwickeln und für Rechtsanwälte nutzbar machen, vermehrt nachgefragt werden und der Rechtsabteilung einen erkennbaren Mehrwert liefern können.

Arten von Legal Operations

Legal Operations können sich je nach Unternehmen und Branche in den unterschiedlichsten Facetten ausdrücken. Das eine Tätigkeitsfeld von Legal Operations existiert daher nicht. Trotzdem lassen sich typische Handlungsfelder definieren. In einer Studie der Boston Consulting Group und der Bucerius Law School sind auf Basis von Praxis-Interviews die folgenden fünf zentralen Tätigkeitsschwerpunkte herausgestellt worden:

1. Vendor Management: Ein zentraler Aspekt von Legal Operations ist die Beschaffung externer Rechtsdienstleistungen. Häufig anzutreffende Gründe für die Unterstützung der eigenen Rechtsabteilung durch Wirtschaftskanzleien sind zum einen ein erhoffter Zugewinn an rechtlichem Know-how – oftmals auf einem juristischen Spezialgebiet – und zum anderen die Aufstockung personeller Ressourcen für den Fall, dass ein Projekt mit dem vorhandenen Personal nur unzureichend zu bewältigen ist. Durch den bereits zuvor thematisierten Digitalisierungstrend innerhalb von Rechtsabteilungen gewinnt zudem der Einkauf von auf dem Markt verfügbaren Legal Tech Tools an Relevanz, falls diese nicht In-house entwickelt bzw. programmiert werden können.

2. Risk Management: Rechtsabteilungen stehen vor der Frage, mit welchen rechtlichen Herausforderungen ihr Unternehmen aktuell konfrontiert ist und erheben sie bestmöglich mittels geeigneter Reporting-Tools. Dazu müssen sie die neuesten Trends auf dem Rechtsmarkt im Blickfeld haben: Gibt es neue, für uns risikoreiche Gesetzesänderungen? Gibt es gerichtliche Urteile, die auch für unser Unternehmen relevant sind? Oder treten gar Compliance-Risiken mit unseren Business-Partnern auf?

3. Knowledge Management: Wissen ist auch in Rechtsabteilungen Macht. Juristisches Know-how zu sammeln, zu strukturieren und zur richtigen Zeit abrufbar zu machen, fördert die Ressourceneffizienz und kann Unternehmen Wettbewerbsvorteile bringen. Daher empfiehlt sich die Einführung von digitalen Knowledge Management Systemen und diese mit neuen Gesetzen, aktueller Rechtsprechung oder Mustertemplates zu befüllen.

4. Finance/Budgeting Management: Um wirtschaftliche Ziele planen und steuern zu können, nimmt die Finanzplanung der Rechtsabteilung eine zentrale Rolle ein. Gleichzeitig ist die Implementierung eines regelmäßigen Finanzreportings wichtig, um den wirtschaftlichen Status quo der Abteilung zu beurteilen und, falls erforderlich, Maßnahmen zur Verbesserung einzuleiten.

5. Technology Management: Falls bestimmte Mitarbeiter der Rechtsabteilung mit fundiertem IT-Know-how ausgestattet sind, besteht neben dem Einkauf die Möglichkeit, Software-Tools selbst zu programmieren, um sie in die Mandatsarbeit zu integrieren. Noch wichtiger als das Entwickeln und Bereitstellen von Legal Tech Anwendungen ist jedoch die Nutzbarmachung für das anwaltliche Personal: Denn nur, falls digitale Programme auch für den „technologischen Laien“ verständlich und in der Praxis mehrwertstiftend anwendbar sind, profitiert die Rechtsabteilung und somit bestenfalls das eigene Unternehmen.

Berufsbild Legal Operations Manager

Zweifelsohne können viele der zuvor aufgeführten Legal Operations von Rechtsanwälten umgesetzt werden – sei es etwa das Risiko- oder das Knowledge-Management. Andere Tätigkeitsbereiche erfordern hingegen explizite fachliche Expertise, die Rechtsanwälte im Rahmen ihrer juristischen Examina nicht vermittelt bekommen. Hierzu zählt beispielsweise die angesprochene Progammierung von Legal Tech Tools. Daher zeichnet sich – zunächst ausgehend von den USA – auch in Deutschland die Entwicklung ab, dass in Rechtsabteilungen verstärkt sogenannte Legal Operations Manager eingestellt werden. Sie sind meist dadurch charakterisiert, dass sie nicht die traditionelle juristische Laufbahn eingeschlagen haben, sondern einen anderen, meist akademischen Background, mitbringen. Sie lassen gleichermaßen methodische und fachliche Kenntnisse in die Rechtsabteilung einfließen, die bisher gar nicht oder nur wenig professionalisiert vorhanden sind.

Wirtschaftliche Betrachtung von Legal Operations Managern

Neben mehr Diversität und einem Kompetenzzuwachs, den die Rechtsabteilung durch diese neue Art der Mitarbeiter gewinnt, darf der wirtschaftliche Aspekt, der hinter der Einstellung von Legal Operations Managern steht, nicht außer Acht gelassen werden. Er spielt häufig eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Denn nicht jede standardisierte Aufgabe innerhalb der Rechtsabteilung muss zwangsläufig von einem Rechtsanwalt mit hohem Lohnniveau bewältigt werden. Falls Legal Operations Manager solche Tätigkeiten übernehmen, hat dies den positiven Effekt, dass sich Rechtsanwälte besser auf ihre Kernkompetenz, nämlich die Rechtsdienstleistung, fokussieren können. So erhöht sich im besten Fall die Qualität der juristischen Arbeit.

Die Entwicklung wird sich fortsetzen

Auf dem Weg hin zu einem professionalisierten und wirtschaftlichen Unternehmensbereich werden Rechtsabteilungen auch in Zukunft nicht an Legal Operations vorbeikommen. Oftmals als lästige Pflicht wahrgenommen, tragen sie doch dazu bei, dass Rechtsabteilungen die gewisse „Extrameile“ gehen und ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten. Denn in Zeiten eines immer stärker werdenden Wettbewerbsdrucks innerhalb der heutigen Geschäftswelt werden selbst Rechtsabteilungen nicht mehr als „einsame Bastion“ existieren können, sondern ihren Beitrag zu mehr Effizienz und Effektivität leisten müssen. Somit ist abschließend eines sicher: Legal Operations sind weit mehr als nur ein vorübergehender Trend.

PS: Wir schulen Legal Operations – Hand in Hand und stets auf Augenhöhe

Gewinnt das Thema Legal Operations auch in Ihrer Rechtsabteilung zunehmend an Relevanz? Wir bei Taylor Wessing helfen Legal Operations Managern gerne dabei, die für die Praxis relevantesten rechtlichen Themen zu durchblicken. Dazu zählen vor allem Basics im Handels- und Vertriebsrecht. Sprechen Sie gerne unseren Experten Dr. Martin Rothermel zu Ihren rechtlichen Fragestellungen rund um die folgenden Themenbereichen an:

Doch Legal Operations Manager sollten nicht nur über ein gewisses Know-how im Handels- und Vertriebsrecht, sondern auch zum digitalen Recht verfügen, um in der heutigen digitalen Business-Welt rechtliche Fallstricke, z.B. bei der Entwicklung und Anwendung von Legal Tech Lösungen, zu vermeiden. Schauen Sie daher gerne in unseren kostenlosen Formaten wie der interaktiven Webinar-Reihe Digital Legal Academy, oder der Live-Talk-Runde Tech & Law TV vorbei. Alle aktuellen TW-Events zu einer Vielzahl weiterer Rechtsgebiete finden Sie hier.

 

Autor: Sebastian Sievers - Business Development

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