19. März 2021

Newsletter Technology März 2021 – 4 von 5 Insights

Zulässigkeit des Framing von fremden Inhalten auf der eigenen Webseite? Ja, aber nur wenn der Rechtsinhaber nichts dagegen hat.

  • Briefing

Hyperlinks tragen unabhängig von ihrer Technik zum guten Funktionieren des Internet bei, fördern den Meinungs- und Informationsaustausch im Netz, dienen so der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit – und werfen urheberrechtliche Fragen auf. Bereits in der Vergangenheit hatte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) sich mehrfach mit der urheberrechtlichen Zulässigkeit von Links und Framing beschäftigt (vgl. Urteil vom 13. Februar 2014, C-466/12 – Svensson; Beschluss vom 21. Oktober 2014, C-348/13  BestWater; Urteil vom 8. September 2016, C-160/15 – GS Media). Der EuGH macht hiernach eine öffentliche Wiedergabe nach Art. 3 Abs. 1 Info-Soc-RL 2001/29/EG davon abhängig, ob durch das Linking ein „neues Publikum“ erreicht wird. Sei das verlinkte Werk mit Zustimmung des Rechtsinhabers frei im Internet zugänglich, werde durch die Linksetzung kein neues Publikum erreicht. Anders aber, wenn das Werk ohne Zustimmung des Rechtsinhabers im Internet frei zugänglich ist. In diesem Fall sei eine öffentliche Wiedergabe zu bejahen, wenn der Linksetzer die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Veröffentlichung kannte oder kennen musste, was bei einer Linksetzung mit Gewinnerzielungsabsicht vermutet werde. In einem aktuellen vom BGH vorgelegten Verfahren hatte der EuGH nun darüber zu entscheiden, welche Auswirkungen es auf die Erreichung eines „neuen Publikums“ hat, wenn der Rechteinhaber auf der Ursprungswebseite technische Maßnahmen ergriffen oder durch seine Lizenznehmer veranlasst hat, um ein Framing als Anschlussnutzung zu unterbinden (EuGH, Urteil vom 9. März 2021, C-392/19 – VG Bild-Kunst).

Hintergrund des Verfahrens

Das Ausgangsverfahren für die Vorlage an den EuGH war recht ungewöhnlich; ihm vorausgegangen waren Verhandlungen zwischen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) als Trägerin der deutschen Digitalbibliothek (DBB) und der Verwertungsgesellschaft VG Bild-Kunst über einen urheberrechtlichen Nutzungsvertrag. Die DDB speichert Vorschaubilder von Werken, die auf Webseiten von Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen öffentlich zugänglich gemacht werden. Daher verhandelte die SPK mit der VG Bild-Kunst über den Abschluss eines Nutzungsvertrages. Die VG Bild-Kunst wollte den Abschluss dieses Nutzungsvertrags davon abhängig machen, dass die DDB wirksame technische Maßnahmen zum Schutz gegen Framing einsetzt. Ob so eine Bedingung zulässig ist, hängt unter anderem davon ab, ob das Framing auf der Website eines Dritten unter Umgehung solcher technischen Maßnahmen eine öffentliche Wiedergabe und damit eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung darstellt. Denn nur in diesem Fall kann die VG Bild-Kunst in ihrer Funktion als Treuhänderin der von ihr wahrgenommenen Urheberrechte die Nutzung der Bilder durch die DDB von einer derartigen Bedingung abhängig machen.

Die Entscheidung des EuGH

Während das KG Berlin noch die Ansicht vertrat, dass das Framing auch unter Umgehung technischer Schutzmaßnahmen keine urheberrechtliche Nutzungshandlung sei, tendierte der BGH zu einer gegenteiligen Auffassung, legte die Frage aber dennoch dem EuGH vor, da der BGH hier noch Klärungsbedarf auf europäischer Ebene sah. Der EuGH folgte im Ergebnis der Auffassung des BGH und bejahte den Tatbestand der öffentlichen Wiedergabe i.S.d. Art. 3 Abs. 1 InfoSoc-Richtlinie 2001/29/EG, wenn urheberrechtlich geschützte Inhalte im Wege des Framing auf eine Zielwebseite unter Umgehung technischer Schutzmaßnahmen gegen Framing auf der Ausgangswebsite, die durch den Rechtsinhaber getroffen oder veranlasst wurden, eingebettet werden.

Der EuGH begründete dies in Fortschreibung seiner bisherigen Rechtsprechung zur öffentlichen Wiedergabe damit, dass das Publikum auf der Zielwebseite als ein „neues Publikum“ anzusehen sei, an das der Rechtsinhaber bei Erteilung der Erlaubnis nicht gedacht habe. Aus der Vornahme technischer Schutzmaßnahmen gegen Framing lasse sich schließen, dass der Rechtsinhaber die Erlaubnis der Wiedergabe des Werkes nur unter Vorbehalt für die Nutzer einer bestimmten Website erteilt habe und das Einbetten des Werkes auf einer fremden Website daher nicht dem Willen des Rechtsinhabers entspreche. Von einer Zustimmung der öffentlichen Wiedergabe für sämtliche Internetnutzer könne gerade nicht ausgegangen werden, da der Rechtsinhaber sonst auch keine angemessene Vergütung für sein Werk verlangen könne. Zudem komme es anderenfalls zu einer erschöpfungsgleichen Wirkung, die für die öffentliche Wiedergabe – anders als für das Verbreitungsrecht – gerade nicht vorgesehen sei.

Bewertung und praktischer Ausblick

Die Entscheidung des EuGH fügt sich als weiteres Puzzleteil in die bisherige Rechtsprechung zur öffentlichen Wiedergabe ein. Bemerkenswert ist, dass der EuGH der Differenzierung zwischen automatischen Links (Inline Linking) und dem sonstigen Framing, die Generalanwalt Szpunar in seinen Schlussanträgen (10. September 2020, C-392/19 ) zunächst vorgeschlagen hatte, nicht nachgekommen ist. Nach Auffassung des Generalanwalts erfordere das Inline Linking bei Umgehung technischer Schutzmaßnahmen die Erlaubnis des Urhebers, während diese Erlaubnis beim Framing nicht notwendig sei. Die Übernahme dieser Differenzierung des Generalanwalts durch den EuGH hätte die Rechtsanwendung vermutlich verkompliziert und weitere Unsicherheiten bei verlinkenden Nutzern begründet.

Der EuGH stellt zudem klar, dass nur „wirksame technische Maßnahmen“, wie sie in Art. 6 InfoSoc-Richtlinie 2001/29/EG (entspricht § 95a UrhG) definiert sind, geeignet sind, der fehlenden Erlaubnis des Rechteinhabers zur Nutzung seines Werkes im Wege des Framing Ausdruck zu verleihen. Dies ist aus Gründen der Rechtssicherheit zu begrüßen. Aus praktischer Sicht wird künftig voraussichtlich eine erhöhte Nutzung solcher technischen Maßnahmen zur Verhinderung des Framing erkennbar sein. Andererseits kann der verlinkende Nutzer sicher sein, entsprechenden Content zulässigerweise einbetten zu dürfen, wenn solche technischen Schutzmaßnahmen fehlen und davon auszugehen ist, dass die ursprüngliche Veröffentlichung des Werkes auf der Ausgangswebsite mit Zustimmung des Rechtsinhabers erfolgte. Ob die in der Sache nachvollziehbare rechtliche Wertung des Framing tatsächlich ohne weiteres auf die spezielle Situation der kollektiven Rechtewahrnehmung übertragbar ist, wie sie hier im Verfahren vor dem BGH streitgegenständlich ist, hat nun der BGH zu entscheiden.
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