19. März 2021

Newsletter Technology März 2021 – 2 von 5 Insights

Reform des Jugendschutzgesetzes

  • Briefing
Der Bundestag hat am 5. März 2021 eine Reform des Jugendschutzgesetzes beschlossen. Dies soll den Schutz von Minderjährigen und Jugendlichen in Deutschland mit Blick auf die Nutzung von Online-Medien modernisieren. Das Änderungsgesetz sieht vor allem für Anbieter von Spiel- und Gaming-Plattformen sowie für soziale Netzwerke neue Pflichten vor. Der Entwurf war bis zuletzt zwischen Bund und Ländern umstritten und enthält Regelungen, die sowohl nach dem Grundgesetz als auch nach EU-Recht kritisch gesehen wurden.

Hintergrund

In Deutschland gibt es seit jeher keine Konvergenz im Jugendschutzrecht. Die wesentlichen Regelungen finden sich insbesondere im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag („JMStV“) und im Jugendschutzgesetz („JuSchG“). Der in den Zuständigkeitsbereich der Länder fallende JMStV beinhaltet dabei Regelungen zu sogenannten Rundfunk- und Telemedien, also insbesondere Internetdiensten. Das JuSchG hingegen ist bisher nur auf sogenannte Trägermedien anwendbar, also physische Medien wie CDs, DVDs und Bücher. Neben seit Jahren anhaltender Kritik an dieser Zweigleisigkeit des Jugendschutzes wurde in jüngerer Vergangenheit kritisiert, dass die Regelungen des JuSchG nicht mehr zeitgemäß seien und Gefahren der Online-Welt für die Entwicklung von Kindern adressieren würden. Dazu gehören z.B. Cyber-Grooming oder versteckte Kostenfallen.

Die wichtigsten Neuerungen des JuSchG im Überblick

Das nun vom Bundestag beschlossene JuSchG erweitert den Anwendungsbereich dieses Gesetzes und stellt zudem neue Pflichten für bestimmte Anbieter auf. Ferner wird eine neue Aufsichtsbehörde geschaffen.

Hier einige wichtigste Neuerungen im Überblick:

  • Die Vorgaben des Jugendschutzgesetzes sind nun nicht mehr nur für Anbieter von Trägermedien relevant, sondern auch für Anbieter von Telemedien.
  • Bei der Vergabe von Altersfreigaben werden in Zukunft nicht nur der reine Content berücksichtigt, sondern nun auch sogenannte Interaktionsrisiken. Ein Online-Spiel kann beispielsweise in Zukunft für Kinder ungeeignet sein, obwohl es keinerlei gewalttätige oder sexuelle Darstellungen beinhaltet, aber etwa den Kindern erlaubt, ohne Schutzvorrichtungen mit anderen Spielern zu kommunizieren oder kostenpflichtige Leistungen im Spiel zu buchen. Durch diese Neuerung soll insbesondere Cybermobbing und Cybergrooming bekämpft werden. Außerdem sollen Kinder vor versteckten Kostenfallen geschützt werden.
  • Anbieter von Plattformen für Filme und Videospiele müssen sicherstellen, dass alle Inhalte, die über ihre digitale Vertriebsplattform verbreitet werden, einen offiziellen Prozess zur Altersfreigabe durchlaufen haben.
  • Anbieter sind zudem verpflichtet durch im Gesetz beispielhaft aufgezählte Vorsorgemaßnahmen die Schutzziele des Kinder- und Jugendmedienschutzes zu wahren. Solche Vorsorgemaßnahmen können zum Beispiel sein:
    • Die Einrichtung von Voreinstellungen, die Kinder und Jugendliche vor Interaktionsrisiken schützen sollen. Sie sollen sicherstellen, dass Minderjährige ihre personenbezogenen Daten besser kontrollieren können. Anbieter können allerdings Eltern die Möglichkeit einräumen, bestimmte Einstellungen (zum Beispiel ein zeitlich beschränkter Chat oder keine Möglichkeit zu In-App-Käufen) vorzunehmen, um ihren Kindern so eine sichere Mediennutzung zu ermöglichen;
    • Die Verwendung von allgemeinen Geschäftsbedingungen in kindgerechter Sprache und Darstellung;
    • Die Einrichtung eines kindgerechten Hilfs- und Beschwerdesystem, welches Kinder nutzen können, sollten sie sich bedroht oder belästigt fühlen.
  • Die bisherige Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien wird in Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz umbenannt. Die Einrichtung dieser neuen Aufsichtsbehörde wurde sehr kritisch gesehen und zwischenzeitlich in einem von den Landesmedienanstalten in Auftrag gegebenen Gutachten von einem Hochschullehrer als Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne nach Art. 5 GG eingeordnet.

Ausblick und Fazit

Bevor das neue JuSchG in Kraft tritt, muss der Bundesrat dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz noch zustimmen. Sofern dies erfolgt, sollen die neuen Regelungen laut Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend schon zum 1. April 2021 ohne eine Übergangsfrist in Kraft treten.

Die neuen Regelungen werden überwiegend kritisch gesehen. Die Landesmedienanstalten haben zuletzt kritisiert, dass kein kohärenter Rechtsrahmen zwischen Bundes- und Länderrecht geschaffen wird und damit das in Deutschland erfolgreiche System der regulierten Selbstregulierung geschwächt wird. Ferner monieren sie, dass Doppelstrukturen aufgebaut werden und Zuständigkeiten unklar bleiben. Tatsächlich besteht durch viele, nicht EU-weit harmonisierte Regelungen die Gefahr, dass es in Deutschland noch mehr Insellösungen gibt. Durch die Schaffung einer neuen Aufsichtsbehörde scheint die Gefahr einer Doppelregulierung zu entstehen, da Online-Anbieter sich auch mit den nach dem JMStV zuständigen Behörden ins Benehmen setzen müssen.

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