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22. März 2024

Ein Überblick zum Arbeitszeitrecht in Deutschland und Frankreich

  • Briefing

Das Arbeitszeitrecht rückt für deutsche Arbeitgeber angesichts der aktuellen Rechtsprechung und Gesetzesvorhaben verstärkt in den Fokus. Dabei sind in grenzüberschreitenden Fällen in Europa trotz der europarechtlichen Grundsätze die nationalen Besonderheiten zu beachten. So hat in Frankreich die Zahl der Rechtsstreitigkeiten zur Arbeitszeit bzw. Überstunden zugenommen, insbesondere um die Beschränkungen bei Entschädigungszahlungen für ungerechtfertigte Entlassungen aufgrund der sog. Macron-Obergrenze zu kompensieren. Ein Ländervergleich zeigt grundlegende Gemeinsamkeiten, aber auch feine Unterschiede in den arbeitszeitrechtlichen Regelungen.

Grundsätze zur Arbeitszeit und Erreichbarkeit in der Freizeit

In Deutschland beträgt die werktägliche Höchstarbeitszeit grundsätzlich acht Stunden sowie unter Beachtung eines Ausgleichszeitraums zehn Stunden, es sind Ruhepausen von 30 Minuten nach sechs Arbeitsstunden bzw. 45 Minuten nach neun Arbeitsstunden einzuhalten und nach Beendigung der Arbeitszeit eine Ruhezeit von elf Stunden zu beachten (§§ 3,4,5 Arbeitszeitgesetz - „ArbZG“). Wird die Ruhezeit durch eine Arbeitsleistung unterbrochen, ist sie in der Regel erneut vollständig zu gewähren. Ob geringfügige Tätigkeiten – wie etwa das Lesen von beruflichen E-Mails nach Feierabend die Ruhezeit unterbrechen, ist allgemein streitig. Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 23. August 2023 – 5 AZR 349) entschied, dass ein Arbeitnehmer zur Wahrnehmung der ihm zugewiesenen Dienstzeiten in der Freizeit verpflichtet sein kann und das Lesen einer entsprechenden Mitteilung per SMS keine Arbeitszeit darstellen muss. Ein Recht auf Unerreichbarkeit in der Freizeit besteht somit nicht, dennoch sind erhebliche Unterbrechungen der Ruhezeiten risikobehaftet. Bei Verstößen gegen die arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen drohen Bußgelder, Gewinnabschöpfungen und die Möglichkeit einer Strafbarkeit (§§ 22, 23 ArbZG).

In Frankreich beträgt die gesetzliche Arbeitszeit sieben Stunden pro Tag und 35 Stunden pro Woche mit einer Höchstarbeitszeit von 10 Stunden pro Tag. Nach einer ununterbrochenen Arbeitszeit von sechs Stunden ist eine Pause von mindestens 20 Minuten vorgeschrieben. Es muss eine tägliche Mindestruhezeit von 11 aufeinanderfolgenden Stunden eingehalten werden. Wenn die Mindestruhezeit nicht eingehalten wird, kann der Arbeitnehmer Anspruch auf Schadenersatz (und ggf. Überstundenvergütung) haben und der Arbeitgeber mit Geldstrafen belegt werden. Das Lesen von E-Mails oder Textnachrichten, die keine unmittelbare Antwort des Arbeitnehmers erfordern, sowie das Versenden von E-Mails am späten Abend gilt nach der französischen Rechtsprechung nicht als Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber diese Tätigkeiten nicht verlangt hat. Allerdings gibt es in Frankreich ein sog. Recht auf Abschalten. In bestimmten Fällen sind die Arbeitgeber verpflichtet, eine Richtlinie oder unternehmensweite Vereinbarung zur Regelung dieses Rechts zu schließen. Verstöße gegen die Arbeitszeitvorschriften können strafrechtliche Sanktionen, Schadenersatz und Nachzahlungen nach sich ziehen.

Erfassung der Arbeitszeit

Der deutsche Gesetzgeber wird voraussichtlich im Laufe dieses Jahres eine allgemeine Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeiten normieren. Vor dem Hintergrund der Entscheidungen des europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 14. Mai 2019 – C55/18) und dem Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 13. September 2022 - 1 ABR 22/21) zur Einführung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung hat das Bundesamt für Arbeit und Soziales am 18. April 2023 einen Referentenentwurf zur Arbeitszeiterfassung veröffentlicht. Dieser sieht im Wesentlichen (i) die elektronische Aufzeichnung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit am Tag der Arbeitsleistung, (ii) die Aufbewahrung der Aufzeichnungen für zwei Jahre sowie (iii) die Möglichkeit der Delegation der Aufzeichnungspflichten an die Arbeitnehmer (Stichwort Vertrauensarbeitszeit) unter Vornahme von „geeigneten Maßnahmen“ zur Wahrnehmung von arbeitszeitrechtlichen Verstößen vor (vertieft hierzu Newsletter vom 25. April 2023). Änderungen des Referentenentwurfs etwa zu einer stärkeren Flexibilisierung der Arbeitszeit bleiben abzuwarten; das Gesetzgebungsverfahren dauert derzeit an.

Nach französischem Recht sind die Arbeitgeber verpflichtet, die Gesundheit und Sicherheit ihrer Arbeitnehmer zu schützen. Dies bedeutet insbesondere, dass sie die Arbeitszeit der Arbeitnehmer erfassen müssen. In Frankreich gibt es keine gesetzlichen Bestimmungen über die Form der Erfassung der Arbeitszeit (z. B. elektronische Ausweise, Zeiterfassungsbögen, Stechuhr). Besondere Bedeutung hat die Arbeitszeiterfassung, wenn die Parteien nicht eine Arbeitszeit in Wochenstunden, sondern per sog. Tagespauschalen (forfait-jours) vereinbart haben. Gilt eine Tagespauschale wegen fehlender Überwachung als unwirksam, wird die gesetzliche Arbeitszeit von 35 Stunden pro Woche als Bezugspunkt festgelegt, womit für jede weitere Überstunde eine Vergütung verlangt werden kann. In Frankreich gibt es zahlreiche Rechtsstreitigkeiten über die Umsetzung solcher Tagespauschalen, die zu hohen finanziellen Risiken für die Arbeitgeber führen können.

Vergütung von Überstunden

Das deutsche Gesetz differenziert zwischen der arbeitsschutzrechtlichen Arbeitszeit insbesondere im Sinne des ArbZG und der vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Überschreitet ein Arbeitnehmer auf Anordnung oder mit Billigung bzw. Duldung des Arbeitgebers die vereinbarte Arbeitszeit, handelt es sich um Überstunden. Die Kompensation von Überstunden ist spezialgesetzlich nicht geregelt, so dass die Vorgaben für einen Ausgleich durch Freizeit und/oder Vergütung in einem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag zu treffen sind. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, sind Überstunden nur bei einer entsprechenden Erwartung (Stellung, Umfang, etc.) zu vergüten (§ 612 Abs. 1 BGB). Diese dürfte etwa bei einer besonders hohen Fix-Vergütung fehlen. Indes ist eine Klausel, die eine pauschale Abgeltung von Überstunden mit der Fix-Vergütung vorsieht, ebenfalls risikobehaftet. Der Arbeitnehmer muss nach der Rechtsprechung erkennen können, welche Arbeitsleistung in welchem zeitlichen Umfang „auf ihn zukommt“. Demnach dürfte wohl eine Vereinbarung, wonach die ersten 20 Überstunden im Monat mit der monatlichen Fix-Vergütung abgegolten sind, zulässig sein.

In Frankreich werden alle Arbeitsstunden, die über 35 Stunden pro Woche hinausgehen, als Überstunden behandelt (sofern die Überstunden auf Verlangen des Arbeitgebers oder mit dessen stillschweigender Zustimmung geleistet werden). Die Vergütung von Überstunden wird durch das Gesetz, den geltenden Tarifvertrag (CBA) oder eine Betriebsvereinbarung geregelt. Grundsätzlich werden Überstunden mit einem Zuschlag von 25 % für die ersten 8 Stunden und 50 % für die weiteren Stunden vergütet. Die Vergütung von Überstunden kann durch den geltenden Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder eine einseitige Bestimmung ganz oder teilweise durch Ausgleichsruhezeiten ersetzt werden. Bestimmte Arbeitnehmer wie zum Beispiel leitende Angestellte sind von der Überstundenvergütung ausgenommen. Die pauschale Abgeltung von Überstunden mit dem Festgehalt durch eine Pauschalvereinbarung in Stunden ist in Frankreich zulässig.

Praxishinweise

Das deutsche und französischen Arbeitszeitrecht weisen wesentliche Gemeinsamkeiten auf. Allerdings sollten Arbeitgeber in grenzüberschreitenden Sachverhalten die nationalen Unterschiede beachten, um finanzielle Risiken zu vermeiden. In Frankreich ist in diesem Zusammenhang angesichts der zunehmenden Zahl an Rechtsstreitigkeiten eine gute Kenntnis über die gesetzlichen Bestimmungen und die Vereinbarungen der geltenden Tarifverträge sowie die Rechtsprechung erforderlich. Die Sensibilität der Arbeitnehmer für die arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen können insbesondere in Deutschland durch Richtlinien (z.B. zum Umgang mit betrieblichem Kommunikationsmittel in der Freizeit) oder Schulungen (z.B. zum Beispiel zur Reisezeit als Arbeitszeit) geschärft werden. Eine Prüfung und Anpassung der jeweiligen Arbeitszeit-Compliance ist nicht zuletzt wegen des laufenden Gesetzgebungsverfahrens in Deutschland ratsam.

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