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Dr. Markus Böhme, LL.M. (Nottingham)

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15. Mai 2023

Klimaschutzverträge als Fördermöglichkeit für die Industrie

  • Briefing

Die jüngere energierechtliche Entwicklung zeichnet sich aufgrund der Sprunghaftigkeit der Politik und der davon beeinflussten Gesetzgebung durch eine zunehmende Beliebtheit öffentlich-rechtlicher Verträge zwischen dem Staat und den privatwirtschaftlich tätigen Unternehmen aus. Der Vorteil einer solchen Vorgehensweise liegt regelmäßig in der größeren Verbindlichkeit zugunsten der Privatwirtschaft, weil der Staat sich insofern auf die Ebene der Gleichordnung mit seinem Vertragspartner begibt und Verträge nur einvernehmlich geändert werden können.

Der Vertragspartner ist insofern – z.B. bei einem Regierungswechsel – vor plötzlichen Änderungen der Gesetzeslage geschützt und kann sich weiterhin auf den Inhalt des abgeschlossenen Vertrags berufen. So hat die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2021 im Rahmen des Atomausstiegs einvernehmlich mit den betroffenen Energieversorgungsunternehmen und Betreibern von Kernkraftwerken einen öffentlichrechtlichen Vertrag geschlossen. Eine derartige Regelung wurde im Jahr 2021 auch bezüglich des Braunkohleausstiegs umgesetzt, um neben der geplanten Beendigung der Braunkohleverstromung auch Fragen zu Entschädigungen für künftige Anlagenstilllegungen zu adressieren. Ziel solcher öffentlich-rechtlichen Verträge ist somit stets eine tragfähige und für alle Vertragsparteien ausgewogene Lösung zu finden, die sich – im Unterschied zu sehr häufigen Gesetzesänderungen im Energierecht in letzter Zeit – zudem durch ein höheres Maß an Verlässlichkeit auszeichnet. In Form sogenannter Klimaschutzverträge betritt nunmehr ein weiteres Institut die Bühne der öffentlich-rechtlichen Verträge zwischen privatwirtschaftlichen Unternehmen und dem Staat. Das BMKW hat im März 2023 nunmehr nach langem Drängen der Industrie den Entwurf einer „Richtlinie zur Förderung von klimaneutralen Produktionsverfahren in der Industrie durch Klimaschutzverträge“ veröffentlicht, die zeitnah durch die Bundesregierung beschlossen werden soll. Infolgedessen sollen Unternehmen mit dem BMWK sogenannte Klimaschutzverträge eingehen können, um sich über bis zu 15 Jahre hinweg die Mehrkosten bei einer Veränderung der Produktionsprozesse hin zu einer „grünen“ Produktion vom Staat erstatten zu lassen. In Betracht kommen dabei vor allem Unternehmen der sogenannten Grundstoffindustrie, wie beispielsweise Stahl, Glas oder Zement, da diese Bereiche sehr energieintensiv sind und ohne staatliche Hilfe kaum in der Lage wären, die erforderlichen Investitionen eigenständig zu stemmen und gleichzeitig noch mit außereuropäischen Wettbewerbern erfolgreich konkurrieren zu können. Nach derzeitiger Planung des BMWK sollen darüber ca. 68 Milliarden Euro vom Staat an die Unternehmen erstattet werden, um zukünftig nachhaltige Produktionsstandards und die als übergeordnetes Ziel avisierte CO2-Freiheit ab 2045 zu erreichen.

Der jüngst vorgelegte Entwurf der Förderrichtlinie sieht dabei eine Versteigerung der Klimaschutzverträge vor, um Unternehmen vor die Herausforderung zu stellen, ein Gebot abgeben zu müssen, mit wie viel staatlichen Mitteln sich eine Umstellung auf „grüne“ Produktionsbedingungen überhaupt lohnen würde. Vergleichbar zum Ausschreibungsverfahren der Bundesnetzagentur zur Förderung erneuerbarer Energien bekäme dann auch im Rahmen der Klimaschutzverträge derjenige den Zuschlag, der am wenigsten Geld benötigt, um die Produktion entsprechend umzustellen. Dieser Mechanismus soll somit – auch mit Blick auf eine Schonung staatlicher Mittel und die Verhinderung einer Überförderung – sicherstellen, dass unter den potentiellen Antragstellern ein Wettbewerb entsteht. Das BMWK greift somit erfreulicherweise eine entsprechende Empfehlung aus dem Bericht seines wissenschaftlichen Beirats mit dem Titel „Transformation zu einer klimaneutralen Industrie: Grüne Leitmärkte und Klimaschutzverträge“ auf und setzt dies mittels des aktuellen Entwurfs der Förderrichtlinie um.

Der Mechanismus eines öffentlich-rechtlichen Vertrags vermittelt jedoch nur eine vermeintliche Sicherheit, weil Klimaschutzverträge nach dem Konzept von CO2-Differenzverträgen (sog. Carbon Contracts for Difference) konstruiert sind. Dies bedeutet, dass der Staat zwar Mehrkosten aufgrund einer Umstellung der Produktion auf „grüne“ Produktionsverfahren finanziell kompensieren wird, um solche Technik zur Marktreife zu führen. Unternehmen, die sich mit Erfolg im Wettbewerb um einen Klimaschutzvertrag durchsetzen konnten, erhalten somit eine bessere Kalkulationsgrundlage für etwaige Umstellungskosten. Allerdings entspricht es der Funktionsweise derartiger CO2-Differenzverträge, dass sich der Zahlungsfluss auch umdrehen kann. In diesem Fall würde nicht mehr der Staat an die Unternehmen, sondern umgekehrt die Unternehmen an den Staat zahlen. Dieser Effekt träte beispielsweise ein, wenn der maßgebliche CO2-Preis den im Klimaschutzvertrag festgelegten Vertragspreis übersteigt. Dann würde nicht nur die staatliche Förderung enden, sondern sich der Zahlungsfluss in eine Zahlung des Unternehmens an den Staat umdrehen.

Dass es tatsächlich zu einer solchen Umkehrung des Zahlungsflusses kommen wird, ist angesichts steigender Kosten für die etablierte CO2-lastige Produktion und sinkender Kosten alternativer „grüner“ Produktionsverfahren auch nicht unwahrscheinlich, weil der Markt aus zwei Richtungen in Bewegung geraten dürfte. Unternehmen, die sich für den Mechanismus eines Klimaschutzvertrags interessieren, müssen daher zunächst eigenständig die zukünftige Marktentwicklung bewerten, um die Zahlungsflüsse unter dem Vertrag zumindest halbwegs verlässlich abschätzen zu können. Dies dürfte für ohnehin ständigen Marktveränderungen unterworfene Unternehmen eine zu bewerkstelligende Aufgabe sein, weil regelmäßig auf Basis von Prämissen und Prognosen Entscheidungen getroffen werden müssen, ob sich dieses oder jenes unternehmerische Wagnis letztendlich auszahlen wird. Derartige Klimaschutzverträge stehen dabei auch nicht nur der etablierten Großindustrie, sondern auch dem klassischen deutschen Mittelstand, der in vielen Teilen zur absoluten Weltspitze zählt, zur Verfügung. Dies beruht auf dem Umstand, dass als Mindestanforderung zur Teilnahmeberechtigung nach Ziffer 4.10 lit. a) der Förderrichtlinie eine Mindestgröße von 10 Kilotonnen CO2-Äquivalent pro Jahr vorgesehen ist und gemäß Ziffer 5.2 auch mehrere Antragsberechtigte ein Konsortium bilden können, um die vorstehend genannte Mindestgröße zu erreichen.

Wesentlich an dem Instrumentarium ist somit, dass Unternehmen zwar staatlicherseits eine Brücke zur Kompensation finanzieller Mehrkosten aufgrund der Umstellung auf eine „grüne“ Produktion geboten wird, allerdings eine Rückzahlung an den Staat und somit an die Steuerzahler erfolgt, wenn sich die „grüne“ Produktion über die Laufzeit des Klimaschutzvertrags letztendlich als günstiger im Vergleich zur etablierten CO2- lastigen Produktion herausstellt.

Als Fazit kann daher festgehalten werden, dass Klimaschutzverträge ein Schritt in die richtige Richtung sind, um Unternehmen bei der Transformation zu „grünen“ Produktionsbedingungen zu unterstützen. Eine nähere Auseinandersetzung mit den Einzelheiten der Förderrichtlinie ist jedoch zwingend, um vor bösen Überraschungen geschützt zu sein, zumal es sich bei CO2-Differenzverträgen um ein für Deutschland noch recht neues Instrumentarium handelt, das sich in der Praxis noch entsprechend bewähren muss.

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