28. Juli 2022
„Energiekrise“ und „Energiesparen“ dürften 2022 mit zu den meist gebrauchten Wörtern zählen – nicht nur wegen der aktuellen politischen Lage, der Preissteigerungen, der Lieferkettenengpässe oder des Klimawandels. Gründe für mehr Nachhaltigkeit gibt es viele. Was können und was sollten Arbeitgeber beachten, wenn es um die wichtigen Themen Energieknappheit und Energiesparen geht?
Kaum ein Thema treibt Medien und Unternehmen derzeit mehr um, als die durch den Ukraine-Krieg mitverursachte massive Energiekrise. Die vielfältigen Aspekte – von Lieferketten, Inflationsausgleich über den Notfallplan Gas bis hin zur LNG-Beschleunigung – stehen dabei genauso im Mittelpunkt wie die Frage, was arbeitsrechtlich getan werden könnte, um die Krisensituation zu managen. Unabhängig von der gegenwärtigen Situation wissen Unternehmen, dass sie nachhaltiger wirtschaften müssen. Für Personaler:innen stellt sich die Frage, wie Mitarbeiter:innen zum Energiesparen clever incentiviert werden können und welche Anpassungen der Notfallpläne notwendig werden, um flexibel auf die Krise zu reagieren.
Wenn ein Unternehmen nachhaltiger werden und Energie sparen möchte, so ist dies in erster Linie eine freie Unternehmerentscheidung. Diese Unternehmerentscheidung sollte bewusst getroffen und kommuniziert werden. Häufig kann unternehmensintern auf Projekte zum Energiesparen aufgebaut werden. Aus Sicht des Managements sollte darauf geachtet werden, dass diese oft hoch motivierten Grassroots Movements aufeinander abgestimmt sind.
Immer mehr Unternehmen führen „grüne“ Verhaltensrichtlinien mit (teilweiser) Bindungswirkung ein. In diesen können verschiedene Aspekte des Going Green geregelt werden, zum Beispiel konkrete Energiesparpflichten, aber auch die vordringliche Nutzung grüner Verkehrsmittel, Tempolimits für Dienstfahrzeuge/LKW oder mehr E-Mobility. Verfügt das Unternehmen über einen Betriebsrat, so muss geprüft werden, ob dieser ein Mitbestimmungsrecht hat. Soll etwa eine bezuschusste Ladestation für E-Bikes eingeführt werden, bedarf es einer Betriebsvereinbarung, die typischerweise die Nutzungsbedingungen regelt und für Verteilungsgerechtigkeit sorgt. Die Komplexität kann schnell ansteigen, wenn zu den organisatorischen, personalrechtlichen Änderungen noch bauliche, genehmigungsbedürftige Änderungen oder das Thema Cyber-Security etwa bei Elektro-Ladestationen hinzukommen.
Übrigens: Die schlichte Weisung „Heizung runter und Licht aus“ wäre in aller Regel unzulässig. Denn Arbeitgeber sind insbesondere an die Technischen Regeln für Arbeitsstätten gebunden. Die Raumtemperatur kann nicht willkürlich abgesenkt werden. Je nachdem wo, auf welche Weise und wie lange gearbeitet wird oder um welchen Raum es sich handelt (z.B. Duschen, Aufenthaltsräume usw.), müssen Mindesttemperaturen eingehalten werden. Ähnlich detaillierte Vorgaben gelten für die Beleuchtung. Für industrielle Anlagen gibt es zudem noch spezielle Sicherheitsregelungen. Ob sich Forderungen nach Anpassungen oder Flexibilisierung des Arbeitsschutzes durchsetzen, bleibt abzuwarten.
Anreizprogramme bieten eine Chance, das unternehmensinterne Wissen und die Kreativität rund um das Thema „Energiesparen“ zu nutzen. Zur Incentivierung liegen verschiedene Fallstudien vor, angefangen von praxisnaher Information über Ideenmanagement bis hin zu Klimasparbüchern und Prämien. Auch Bonus-Zielvereinbarungen könnten zum Bewusstseinswandel beitragen, indem sie ökologische Zielgrößen vorsehen. Klimabilanziell betrachtet bietet nach neueren Studien des Freiburger Öko-Instituts das Mobile Arbeiten bemerkenswertes CO2-Einspaarpotential von bis zu 12,2 Megatonnen CO2 oder 80 Millionen Flüge von London nach Berlin – allein für Deutschland.
Bei aller Kreativität: Die rechtliche Umsetzung muss sorgfältig begleitet sein. Beispielsweise sollte beim Ideenmanagement der „Link“ zum Arbeitnehmererfindungsrecht im Auge behalten werden. Betriebsräte müssen frühzeitig ins Boot geholt werden, da sie oftmals ein zwingendes Mitbestimmungsrecht haben, so klassischer Weise bei der Bonus-Einführung oder bei der mobilen Arbeit.
Zur Geschäftsführungspflicht gehört auch die Aufstellung von Notfallplänen, gerade bezüglich Energieknappheit. Arbeitgeber müssen sich priorisiert fragen, wie ihr Energiekrisen-Management in Zeiten von sich verknappenden Rohstoffen aussieht und welche Maßnahmen präventiv getroffen werden sollten. Regelungsgegenstände können Arbeitszeitverkürzungen, Kurzarbeit, Überstundenabbau, Notbesetzungen, Einstellungsstopps usw. sein. Im Zuge der rechtlichen Begleitung sollte auch ein Blick in bestehende Kollektivregelungen, etwa Tarifverträge mit Betriebsrisiko-Regelungen, geworfen werden. Natürlich müssen – bei Bestehen eines Betriebsrats – dessen Mitbestimmungsrechte beachtet werden.
Für Nachhaltigkeit und Energiesparen gibt es zahlreiche Wege. Die jeweilige Betriebskultur muss dabei im Blick behalten werden. Akzeptanz und Änderungswillen in der Belegschaft müssen gestärkt und gefördert werden. Derartige Projekte sollten von Betriebsräten unterstützt werden. Selbst wenn Betriebsräte kein erzwingbares umweltrechtliches Mandat haben, müssen sie regelmäßig bei der konkreten Ausgestaltung beteiligt werden. Wenn Unternehmensleitung und Betriebsräte kooperieren, bietet auch die derzeitige Energiekrise eine Chance.
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