1. November 2021
Die zunehmende Bedeutung von ESG-Aspekten für eine moderne Corporate Governance ist bereits seit längerem in der Diskussion. Auch aktivistische Aktionäre haben sich das Thema auf die Fahnen geschrieben. Mit dem jüngsten Einstieg des US-amerikanischen Hedgefonds Third Point bei Royal Dutch Shell („Shell“) hat diese Entwicklung nun ein weiteres prominentes Beispiel erhalten.
Der Fonds, der zumeist mit seinem Gründer und CEO Daniel Loeb in Verbindung gebracht wird, ist bereits in der Vergangenheit durch lautstarke Kampagnen gegen internationale börsennotierte Unternehmen in Erscheinung getreten. Nestlé und Campbell Soup sind nur einige Beispiele der letzten Jahre. Nach dem Einstieg als Aktionär nahm man öffentlichkeitswirksam verschiedene Kritikpunkte ins Visier, um den Wert des Investments zu steigern. Regelmäßig stellte die Abspaltung bestimmter Unternehmensbereiche eine zentrale Forderung von Third Point dar.
So sieht es nun auch bei Shell aus. Nach Mitteilung des Handelsblatts unter Berufung auf das Wall Street Journal soll das Investment zwischen EUR 500 und 750 Millionen gekostet haben. Damit ist Third Point zu einem der größten Einzelaktionäre aufgestiegen und bietet einen weiteren Beleg für die beeindruckende Finanzkraft aktivistischer Fonds – eine hohe Marktkapitalisierung ist längst kein effektiver Schutz mehr.
In seinem jüngsten Investor Letter stellt Third Point seine Kritikpunkte gegen Shell im Einzelnen dar. ESG-Aspekte spielen eine zentrale Rolle. So verfolge Shell hinsichtlich der Engagements im Bereich Öl und Gas einerseits und erneuerbare Energien andererseits eine zweigleisige Strategie, die niemanden zufriedenstelle und den Wert der Beteiligung der Aktionäre schade. „You can’t be all things to all people“ zitiert der Brief ein Sprichwort und fordert u.a. eine optimierte Unternehmensstruktur, um die Entkarbonisierung „aggressiver“ zu fördern und es Unternehmensbereichen zu ermöglichen, flexibler auf veränderte Markt- und Umweltschutzbedingungen reagieren zu können. Erreicht werden solle dies durch die Aufspaltung von Shell in mehrere Einzelunternehmen, insbesondere der zentralen Bereiche Öl und Gas sowie erneuerbare Energien.
Es war nur eine Frage der Zeit bis ESG-Themen eine zentrale Rolle in einer aktivistischen Kampagne spielen. Dass sich diese gegen Shell richtet, ist ebenfalls keine Überraschung, war das Unternehmen doch spätestens durch die erfolgreiche Klimaklage vor einem Den Haager Gericht in den Fokus der Debatte geraten – ein Aspekt, den Third Point auch in seinem Investor Letter aufgreift und der möglicherweise auch deutschen Unternehmen drohen kann.
Ob man es mit einer klaren, nachvollziehbaren und transparent kommunizierte ESG-Strategie allen Recht machen kann, ist eine Frage, über die man streiten kann. Dass eine solche aber vielfach ein erhebliches Anliegen von Investoren ist und zugleich einen zentralen Baustein einer zeitgerechten Corporate Covernance darstellen kann, dürfte jedoch klar sein. Vorstände und Aufsichtsräte sollten dies – nicht zuletzt im Vorfeld der kommenden Hauptversammlungssaison – im Blick haben.
von Dr. Sebastian Beyer, LL.M. (Auckland) und Nikolaus Plagemann