10. Mai 2023
Lieferkettengesetz – 1 von 3 Insights
Seit dem 1. Januar 2023 gilt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Rechtlich bedeutet das Lieferkettengesetz für Unternehmen vor allem Anpassungs- und Aktualisierungsbedarf in den Bereichen Compliance, Einkauf und Vertragsgestaltung. Neben der Umsetzung der Sorgfaltspflichten sind diese Pflichten regelmäßig zu überwachen und weiterzuentwickeln, denn die Risiken können sich ständig verändern.
Betroffene Unternehmen haben sich angemessen gemäß eigenem Ermessen zu bemühen, dass es im eigenen Geschäftsbereich und in der Lieferkette zu keinen Verletzungen von Menschenrechten und im Gesetz genannten Umweltpflichten kommt. Das Gesetz stellt ausdrücklich klar, dass eine bloße Bemühenspflicht begründet wird und keine Erfolgspflicht oder Garantiehaftung.
Beachte: Ausnahmsweise kann es zu einer Erfolgspflicht kommen – denn im eigenen Geschäftsbereich müssen Unternehmen Verletzungen beenden.
Eigener Geschäftsbereich
Erfasst ist jede Tätigkeit zur Erstellung und Verwertung von Produkten und zur Erbringung von Dienstleistungen, unabhängig davon, ob sie an einem Standort im In- oder Ausland vorgenommen wird.
Lieferkette
Umfasst sind neben dem eigenen Geschäftsbereich in erster Linie unmittelbare Zulieferer. Das Unternehmen hat aber auch bei mittelbaren Zulieferern unverzüglich eine Risikoanalyse und Präventiv- und Abhilfemaßnahmen durchzuführen, wenn es substantiierte Kenntnis von möglichen menschenrechtlichen Verletzungen oder Verstößen gegen umweltbezogene Pflichten erhält.
Beachte: Sofern versucht wird, die Sorgfaltsanforderungen durch Zwischenschaltung eines unmittelbaren Zulieferers zu umgehen, zählen mittelbare Zulieferer als unmittelbare Zulieferer.
Beachte: Durch „Substantiierte Kenntnis“ können sich die Sorgfaltspflichten stark ausdehnen. Ab wann von einer „substantiierten Kenntnis“ auszugehen ist, hängt vom Einzelfall und ist in der Literatur umstritten. Weitere Informationen zum Begriff finden sich in den Frequently Asked Questions (FAQ) zum LkSG des BAFA, BMAS und BMWK (dort unter Ziffer VI.13 und 14.).
Menschenrechte
Diese ergeben sich aus international anerkannten Abkommen, insbesondere den ILO-Kernarbeitsnormen, auf die im Gesetz abschließend verwiesen wird. Das LkSG definiert als menschenrechtliche Risiken vor allem Kinder- und Zwangsarbeit sowie Sklaverei, Missachtung von Arbeitsschutzpflichten und der Koalitionsfreiheit, Ungleichheit und Vorenthalten eines angemessenen Lohns, bestimmte menschenrechtsrelevante Umweltverschmutzungen sowie Landentzug, Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung.
Beachte: Die Umwelt berücksichtigt das Gesetz sofern Umweltschädigungen zu Menschenrechtsverletzungen führen (was oft der Fall sein wird).
Umwelt
Weiterhin wird die Umwelt dadurch berücksichtigt, dass die Sorgfaltspflichten der Unternehmen umweltbezogene Pflichten umfassen, die sich aus dem Minamata-Übereinkommen (Risiken durch die Beteiligung an der Herstellung und Entsorgung quecksilberanteiliger Produkte) dem PoPs-Übereinkommen (Risiken durch die Produktion oder Verwendung von bestimmten langlebigen organischen Schadstoffen) und dem Basler-Übereinkommen (Risiken durch die Ein- und Ausfuhr von Abfällen) ergeben.
Angemessen
Was ein Unternehmen zu tun hat, ist abhängig von den Angemessenheitskriterien
(i) Art und Umfang der Geschäftstätigkeit: zum Beispiel Risiken des Unternehmens und Ressourcenbeschaffenheit,
(ii) Einflussvermögen des Unternehmens auf den unmittelbaren Verursacher: zum Beispiel die Betrachtung der Nähe des Unternehmers zum Risiko,
(iii) die zu erwartenden Schwere der Verletzung: zum Beispiel Möglichkeit der Pflichtverletzung und Beeinträchtigungsintensität,
(iv) der Umkehrbarkeit der Verletzung,
(v) die Wahrscheinlichkeit des Verletzungseintritts: zum Beispiel die Wahrscheinlichkeitsprognose im Zusammenhang mit einer möglichen Verletzung, dabei werden die Verletzungshandlungen der Vergangenheit berücksichtigt,
(vi) die Art des Verursachungsbeitrags: zum Beispiel die Unmittelbarkeit der Verursachung, die gemeinsame Verursachung mit Zulieferern oder anderen involvierten Akteuren. Gleichermaßen kann ein Verursachungsbeitrag vorliegen, wenn ein Unternehmen einen Beitrag im Zusammenhang mit dem Risiko oder der Verletzung leistet.
Beachte: Der Begriff Angemessenheit und auch die Angemessenheitskriterien werden durch das BAFA im Rahmen einer Handreichung erläutert und konkretisiert.Weitere praktische Informationen zur Angemessenheit finden Sie auch in der Aufzeichnung unseres Webinars zur Angemessenheit.
Risikomanagement
Unternehmen müssen ein angemessenes Risikomanagement einführen bzw. ihr bestehendes Risikomanagement entsprechend anpassen. Dazu gehören insbesondere Verantwortlichkeiten / finanzielle und personelle Kapazitäten in den relevanten Unternehmensabteilungen, wie Einkauf, Compliance, Nachhaltigkeit, die das Gesetz im Unternehmen umsetzen und solche Verantwortlichkeiten / finanzielle und personelle Kapazitäten, die die Umsetzung überwachen, z.B. in Form eines / einer Menschenrechtsbeauftragten.
Risikoanalyse
Unternehmen haben jedenfalls einmal jährlich zu ermitteln, ob ein Risiko besteht, dass ihre eigenen geschäftlichen Handlungen oder geschäftliche Handlungen in der Lieferkette Menschenrechte oder Umweltrecht verletzen.
Bei dieser regelmäßigen Risikoanalyse ist folgendermaßen vorzugehen:
1. Abstrakte Risikoanalyse – z.B. auf Basis von Länder- und Branchenrisiken;
2. Konkrete Risikoanalyse der abstrakt identifizierten Risiken – z.B. auf Basis bereits vorliegender interner Erkenntnisse, Webscreenings, Fragebögen, Zertifizierungen, etc.;
3. Risikobewertung und Risikopriorisierung – nach der Risikoermittlung müssen die Unternehmen die Risiken auf Basis der oben genannte Angemessenheitskriterien bewerten und priorisieren.
Neben der regelmäßigen Risikoanalyse müssen Unternehmen auch anlassbezogen eine Risikoanalyse vornehmen, soweit sie substantiierte Kenntnis haben, dass eine Menschenrechts- oder umweltbezogene Verletzung bei einem mittelbaren Zulieferer möglich erscheint oder sich innerhalb der geschäftlichen Tätigkeit wesentliche Veränderungen oder Erweiterungen der Risikolage ergeben.
Weitere praktische Informationen zur Risikoanalyse finden Sie auch in unserem Taylor Wessing Leitfaden zur Risikoanalyse und in der Aufzeichnung unseres Webinars zur Risikoanalyse.
Beachte: Die Risikoanalyse wird durch das BAFA im Rahmen einer Handreichung erläutert und konkretisiert.
Grundsatzerklärung
Unternehmen müssen eine sog. Grundsatzerklärung zu ihrer Menschenrechtsstrategie verabschieden. Diese Grundsatzerklärung hat das Verfahren zur Einhaltung der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette, die konkreten Risiken und die menschenrechts- und umweltbezogenen Erwartungen des Unternehmens an seine Beschäftigten und Zulieferer zu enthalten.
Präventions- und Abhilfemaßnahmen
Unternehmen müssen, basierend auf den Ergebnissen der Risikoanalyse, entsprechende Präventions- und Abhilfemaßnahmen treffen bzw. überprüfen. Das betrifft beispielsweise die Lieferantenauswahl und Lieferantenkontrolle, die Schaffung von Verhaltenskodizes, die Durchführung von Schulungen, die Beschaffungsstrategie und nachhaltige Vertragsgestaltung, ein Auditkonzept, etc.
Beschwerdeverfahren
Unternehmen haben einen Beschwerdemechanismus schriftlich festzulegen, zu implementieren und zu veröffentlichen, über den (potenziell) Betroffene und Personen, die Kenntnis von möglichen Verletzungen haben, auf menschenrechtliche Risiken und Verletzungen hinweisen können.
Eine Handreichung des BAFA zum Beschwerdeverfahren ist hier zu finden.
Nützliche Informationen zur Einrichtung und zum Betrieb des Beschwerdeverfahren können Sie auch über die Aufzeichnung unseres Webinars zum Beschwerdeverfahren abrufen.
Dokumentations- und Berichtspflichten
Die Erfüllung der menschenrechts- und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten ist zu dokumentieren. Es sollte darauf geachtet werden, dass die Sorgfaltspflichten immer wieder aktualisiert sowie weiterentwickelt werden. Hierüber ist zudem jährlich ein Bericht zu erstellen und zu veröffentlichen. Dieser Bericht ist bei der zuständigen Behörde einzureichen.
Was Sie bei der Berichterstellung alles zu beachten haben, sehen Sie in der Aufzeichnung unseres Webinars zur Berichterstattung.
Zur Berichtspflicht und zur Einreichung des Berichts hat das BAFA Informationen veröffentlicht.
Behördliche Maßnahmen
Das Gesetz sieht weitreichende Eingriffsbefugnisse der zuständigen Behörde zur Durchsetzung der Menschenrechtsstandards vor. Zuständige Behörde ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Es kann auf Antrag einer betroffenen Person oder von Amts wegen tätig werden und dem jeweiligen Unternehmen Maßnahmen zur Einhaltung der Menschenrechtsstandards auferlegen. Ihm stehen hierfür weitreichende Informations- und Betretensrechte zu; das betroffene Unternehmen hat es bei der Durchsetzung der Maßnahmen zu unterstützen.
Besondere Prozessstandschaft
Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen können von einem Betroffenen die Ermächtigungen zur Prozessführung erteilt werden.
Beachte: Betroffen kann jede Person entlang der Lieferkette sein, nicht nur die Mitarbeiter des verpflichteten Unternehmens oder des unmittelbaren Zulieferers.
Überblick Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (PDF Download)
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