28. Juli 2021
Lieferkettengesetz – 1 von 4 Insights
Nach langen und zähen Verhandlungen wurde das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) vom Bundestag (am 11. Juni 2021) und vom Bundesrat (am 25. Juni 2021) beschlossen. Es gilt ab dem 1. Januar 2023.
Rechtlich bedeutet das Gesetz für Unternehmen vor allem Anpassungs- und Aktualisierungsbedarf in den Bereichen Compliance, Einkauf und Vertragsgestaltung.
Betroffene Unternehmen haben sich angemessen zu bemühen, dass es im eigenen Geschäftsbereich und in der Lieferkette zu keinen Verletzungen von Menschenrechten kommt. Das Gesetz stellt ausdrücklich klar, dass eine bloße Bemühenspflicht begründet wird und keine Erfolgspflicht oder Garantiehaftung.
Eigener Geschäftsbereich
Erfasst ist jede Tätigkeit zur Erstellung und Verwertung von Produkten und zur Erbringung von Dienstleistungen, unabhängig davon, ob sie an einem Standort im In- oder Ausland vorgenommen wird.
Lieferkette
Umfasst sind neben dem eigenen Geschäftsbereich in erster Linie unmittelbare Zulieferer. Das Unternehmen hat aber auch bei mittelbaren Zulieferern unverzüglich eine Risikoanalyse und Präventiv- und Abhilfemaßnahmen durchzuführen, wenn es substantiierte Kenntnis von möglichen menschenrechtlichen Verletzungen oder Verstößen gegen umweltbezogene Pflichten erhält.
Beachte: Sofern versucht wird, die Sorgfaltsanforderungen durch Zwischenschaltung eines unmittelbaren Zulieferers zu umgehen, zählen mittelbare Zulieferer als unmittelbare Zulieferer.
Beachte: Durch „Substantiierte Kenntnis“ können sich die Sorgfaltspflichten stark ausdehnen.
Menschenrechte
Diese ergeben sich aus international anerkannten Abkommen, insbesondere den ILO-Kernarbeitsnormen, auf die im Gesetz abschließend verwiesen wird. Das LkSG definiert als menschenrechtliche Risiken vor allem Kinder- und Zwangsarbeit sowie Sklaverei, Missachtung von Arbeitsschutzpflichten und der Koalitionsfreiheit, Ungleichheit und Vorenthalten eines angemessenen Lohns, bestimmte menschenrechtsrelevante Umweltverschmutzungen sowie Landentzug, Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung.
Beachte: Die Umwelt berücksichtigt das Gesetz einmal sofern Umweltschädigungen zu Menschenrechtsverletzungen führen (was oft der Fall sein wird), und einmal dadurch, dass die Sorgfaltspflichten der Unternehmen umweltbezogene Pflichten umfassen, die sich aus dem Minamata-Übereinkommen (Risiken durch die Beteiligung an der Herstellung und Entsorgung quecksilberanteiliger Produkte) dem PoPs-Übereinkommen (Risiken durch die Produktion oder Verwendung von bestimmten langlebigen organischen Schadstoffen) und dem Basler-Übereinkommen (Risiken durch die Ein- und Ausfuhr von Abfällen) ergeben.
Angemessen
Was ein Unternehmen zu tun hat, ist abhängig von (i) Art und Umfang der Geschäftstätigkeit, (ii) Einflussvermögen des Unternehmens auf den unmittelbaren Verursacher, (iii) der zu erwartenden Schwere der Verletzung, (iv) der Umkehrbarkeit der Verletzung, (v) der Wahrscheinlichkeit des Verletzungseintritts, (vi) der Art des Verursachungsbeitrags.
Risikomanagement und Risikoanalyse
Unternehmen müssen ein angemessenes Risikomanagement einführen bzw. ihr bestehendes Risikomanagement entsprechend anpassen. Unternehmen haben zu ermitteln, ob ein Risiko besteht, dass ihre eigenen geschäftlichen Handlungen oder geschäftliche Handlungen in der Lieferkette Menschenrechte verletzen.
Grundsatzerklärung
Unternehmen müssen eine sog. Grundsatzerklärung zu ihrer Menschenrechtsstrategie verabschieden. Diese Grundsatzerklärung hat das Verfahren zur Einhaltung der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette, die konkreten Risiken und die menschenrechts- und umweltbezogenen Erwartungen des Unternehmens an seine Beschäftigten und Zulieferer zu enthalten.
Präventions- und Abhilfemaßnahmen
Unternehmen müssen, basierend auf der Risikoanalyse, entsprechende Präventions- und Abhilfemaßnahmen treffen bzw. überprüfen. Das betrifft beispielsweise die Lieferantenauswahl und Lieferantenkontrolle, die Schaffung von Verhaltenskodizes, die Durchführung von Schulungen und auch die nachhaltige Vertragsgestaltung.
Beschwerdeverfahren
Unternehmen haben einen Beschwerdemechanismus schriftlich festzulegen, zu implementieren und zu veröffentlichen, über den (potenziell) Betroffene und Personen, die Kenntnis von möglichen Verletzungen haben, auf menschenrechtliche Risiken und Verletzungen hinweisen können.
Dokumentations- und Berichtspflichten
Die Erfüllung der menschenrechtsbezogenen Sorgfaltspflichten ist zu dokumentieren. Hierüber ist zudem jährlich ein Bericht zu erstellen und zu veröffentlichen. Dieser Bericht ist bei der zuständigen Behörde einzureichen.
Einen detaillierten Leitfaden dazu, was Unternehmen nun konkret in welcher Reihenfolge tun können, um die gesetzlichen Anforderungen einzuhalten, finden Sie hier.
Behördliche Maßnahmen
Das Gesetz sieht weitreichende Eingriffsbefugnisse der zuständigen Behörde zur Durchsetzung der Menschenrechtsstandards vor. Zuständige Behörde ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Es kann auf Antrag einer betroffenen Person oder von Amts wegen tätig werden und dem jeweiligen Unternehmen Maßnahmen zur Einhaltung der Menschenrechtsstandards auferlegen. Ihm stehen hierfür weitreichende Informations- und Betretensrechte zu; das betroffene Unternehmen hat es bei der Durchsetzung der Maßnahmen zu unterstützen.
Besondere Prozessstandschaft
Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen können von einem Betroffenen die Ermächtigungen zur Prozessführung erteilt werden.
Beachte: Betroffen kann jede Person entlang der Lieferkette sein, nicht nur die Mitarbeiter des verpflichteten Unternehmens oder des unmittelbaren Zulieferers.
Überblick Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (PDF Download)
Eine Gegenüberstellung
Gesetzesentwurf zum Lieferkettengesetz
Eine Gegenüberstellung
Gesetzesentwurf zum Lieferkettengesetz