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Sebastian Rünz, LL.M. (Toronto)

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14. Mai 2020

10 „To Do’s“ für alle Verwender der neuen Incoterms® 2020

Zum Jahresanfang trat die neue Auflage der weltweit meistgenutzten Handelsklauseln in Kraft. Die Incoterms bringen in ihrer 8. Auflage vor allem Detailänderungen mit sich, die allerdings weitreichende Folgen für Lieferketten haben können. Wir haben 10 wichtige „to do’s“ für Sie zusammengestellt.

Alles neu?

Die Neuauflage der Incoterms war mit Spannung erwartet worden. Ihre letzte Revision hatte 2010 stattgefunden. Anders als ursprünglich gedacht, gingen mit den neuen Incoterms® 2020 keine tiefgreifenden Änderungen einher. So war etwa erwartet worden, dass die Klauseln EXW, DDP und FAS wegfallen, die Klausel FCA für den Schiffs- und Landtransport aufgeteilt oder eine neue Klausel CNI (Cost and Insurance) eingeführt werden würde. Statt des Wegfalls bestehender und der Einführung neuer Klauseln spielen sich die inhaltlichen Änderungen der Incoterms® 2020 jedoch in den bestehenden Klauseln ab.

 

Die wichtigsten To Do's:

1. Geben Sie die anwendbare Incoterms®-Version an

Achten Sie beim Abschluss neuer Verträge darauf, bei der Verwendung von Incoterms®-Klauseln (z.B. "FOB") die entsprechende Incoterms®-Version anzugeben (z.B. "Incoterms® 2020"). Alte Incoterms-Versionen verlieren mit Inkrafttreten der Incoterms® 2020 nicht automatisch ihre Gültigkeit. Deshalb ist es gerade in der derzeitigen Übergangsphase zu den neuen Incoterms® wichtig, die Incoterms®-Version genau zu bezeichnen, um Missverständnisse und Schwierigkeiten bei der Durchführung der Verträge zu vermeiden. Bei bereits geschlossenen Verträgen wird in der Regel keine Notwendigkeit bestehen, die Version der jeweils verwendeten Incoterms®-Klausel zu aktualisieren (z.B. im Wege einer Nachtragsvereinbarung). Dies mag anders zu beurteilen sein, wenn sich aus der entsprechenden Incoterms® 2020-Klausel Vorteile für eine oder beide Parteien ergeben.

2. Überprüfen Sie Ihre Transportversicherung

Unter den Klauseln CIF (Cost, Insurance and Freight) und CIP (Carriage Insurance Paid To) ist der Verkäufer zum Abschluss einer Transportversicherung zugunsten des Käufers verpflichtet. Während der notwendige Versicherungsschutz bei der CIF-Klausel unverändert geblieben ist und nur eine Mindestdeckung erfordert, sind die Anforderungen an den verpflichtenden Versicherungsschutz bei der CIP-Klausel deutlich angestiegen. Beachten Sie auch: Transportversicherungen decken typischerweise keine durch die aktuelle Corona-Pandemie verursachten Schäden ab, also z.B. die Einlagerung von Ware, weil ein Schiff unter Quarantäne gestellt wird. So kann es sein, dass ohne separate Versicherung beispielsweise Lagerkosten beim Verkäufer hängenbleiben.

 3. Überprüfen Sie Ihre Preiskalkulation

Die strengeren Anforderungen bei einzelnen Klauseln, wie etwa die Pflicht des Verkäufers zur Bereitstellung eines umfassenden Versicherungsschutzes unter der CIP-Klausel, kann zu steigenden Kosten beim Verkäufer führen. Da diese Kosten nicht gesondert gegenüber dem Geschäftspartner abgerechnet werden können, sind sie in der Kalkulation von Verkaufspreisen zu berücksichtigen.

4. Achtung bei der Verwendung von DAT

Mit den Incoterms® 2020 ist die Klausel DAT (Delivered At Terminal) durch die Klausel DPU (Delivered At Place Unloaded) ersetzt worden. Überprüfen Sie daher Ihre Verwendung von DAT. Die ICC hat klargestellt, dass bei der neuen DPU-Klausel der Lieferort nicht auf "Terminals" im Wortsinn beschränkt ist, sondern jeder beliebige Ort sein kann. Beachten Sie auch, dass die Entladung bei DPU Verkäuferpflicht ist. Für entsprechende Entlade-Vorrichtungen muss also der Verkäufer sorgen.

5. Achtung bei der Verwendung von FOB

Wählen Sie FCA (Free Carrier) statt FOB (Free on Board), wenn die Ware bei Containertransport oder Luftfracht am Terminal abgegeben wird. Ansonsten drohen Versicherungslücken, da Sie keine Kontrolle über die Vorgänge im Terminal haben. Verwenden Sie FOB daher nur, wenn Sie als Verkäufer die Verladung selbst verantworten und dafür haften wollen. Denn Sie werden erst von Ihrer Verantwortung frei, wenn die Ware sicher an Bord des Schiffes gelangt ist!

 6. Machen Sie bei Vereinbarung von FCA bei Bedarf von einer neuen Option Gebrauch

Da bei Vereinbarung der Klausel FCA die Lieferung durch den Verkäufer schon mit Übergabe bzw. Bereitstellung an den Frachtführer und damit vor Verladung der Ware an Bord eines Schiffes als abgeschlossen gilt, ist nicht sicher, ob der Verkäufer auch tatsächlich ein Bordkonnossement von seinem Frachtführer erhalten kann. Ein solches benötigt er jedoch regelmäßig als Nachweis dafür, dass er seine Lieferpflicht erfüllt hat. Um dieser Situation gerecht zu werden, sieht die neue FCA-Klausel die Option vor, dass bei entsprechender Vereinbarung der Parteien der Käufer seinen Frachtführer anweisen muss, dem Verkäufer auf Kosten und Gefahr des Käufers ein Transportdokument auszustellen, aus dem hervorgeht, dass die Ware an Bord des Schiffes verladen wurde. Das bietet mehr Sicherheit für den Verkäufer.

7. Überprüfen Sie, ob Sie alle sicherheitsbezogenen Anforderungen einhalten

In den Incoterms® 2020 sind die Sicherheitsanforderungen gestiegen, die je nach Wahl der Incoterms-Klausel vom Verkäufer oder vom Käufer zu beachten sind. Dabei werden beförderungsbezogene Sicherheitsanforderungen und Sicherheitsanforderungen für Zollfreigaben getrennt voneinander erläutert. Zu beförderungsbezogenen Sicherheitsanforderungen gehören z.B. Ladungssicherung, Einhaltung sicherheitstechnischer, umwelt- und verkehrsrechtlicher Vorschriften, Schulung von Fahrern und Mitarbeitern, Wegfahrsperre, Standortüberwachung etc. Die Sicherheitsanforderungen für Zollfreigaben umfassen hingegen die Warenkontrollen vor der Freigabe zur Ausfuhr oder Einfuhr. Die verantwortliche Vertragspartei muss Kontrollen und Prüfungen der Ware ("pre-shipment inspections") durchführen, um die Konformität mit der Einfuhr-/ Ausuhrgenehmigung sicherzustellen.

8. Haben Sie den Brexit im Hinterkopf, insbesondere bei der Vereinbarung von DDP

Noch ist unklar, ob die EU und Großbritannien am Ende der Übergangsfrist Ende 2020 ein Freihandelsabkommen schließen. Falls es zu keiner Einigung kommt, würden im Wirtschaftsverkehr mit Großbritannien wieder Zölle erhoben und eine Zollabfertigung (Einfuhr und Ausfuhr) fände statt. Das würde insbesondere bei einer vertraglichen Vereinbarung von DDP (Delivery Duty Paid) zu neuen Pflichten des in der EU ansässigen Verkäufers führen. Der wäre dann - im Gegensatz zu allen anderen Incoterms®-Klauseln - auch verantwortlich für die Importfreimachung in Großbritannien. Bei Lieferbeziehungen mit Großbritannien sollte man als Verkäufer daher in Zukunft genau überlegen, ob man statt der Regelung DDP nicht eine andere Klausel wählt, z.B. DPU.

9. Beachten Sie, dass die Incoterms® den Fall höherer Gewalt nicht regeln

Die Incoterms®-Klauseln treffen keine Aussage dazu, was im Falle höherer Gewalt geschieht, z.B. wer welche Risiken und Kosten zu tragen hat. Generell gilt, dass man mit der Wahl einer Incoterms®-Klausel, die wenig eigene Verantwortlichkeiten mit sich bringt, bei höherer Gewalt die eigenen Risiken minimiert. Das gilt insbesondere in der derzeitigen Corona-Pandemie, die immer wieder zu Transportausfällen und Unterbrechungen der Lieferkette führt.

10. Achten Sie auf Konsistenz in Ihren Verträgen

In der Regel ist es nicht damit getan, eine Incoterms®-Klausel nur irgendwo in den Vertrag aufzunehmen (oft unter Regelungen zur Lieferung). Die Parteien sollten die Auswirkungen der jeweiligen Klausel im gesamten Vertrag berücksichtigen. Haben Verkäufer und Käufer also bspw. "ex works" (EXW) vereinbart, sollte nicht an anderer Stelle im Vertrag geregelt sein, dass der Verkäufer Transportkosten (teilweise) übernimmt.

Ein Schritt nach vorne

Kritiker der Aktualisierung beziehen sich darauf, dass gewisse Praxisprobleme noch immer ungelöst sind. So wird häufig das Akkreditiv als Zahlungsart vereinbart, was weiterhin bei vielen Klauseln zu Problemen führen kann. Im Rahmen von FCA hat die ICC durch Hinzufügung einer optionalen Sonderregelung reagiert, die laut Praxiskommentaren aber an der Wirklichkeit vorbeigeht. Außerdem gibt es bei der Verwendung der beliebten und unverändert gebliebenen Klausel EXW im internationalen Warenverkehr häufig Regelungslücken und Widersprüche, die die ICC nicht adressiert hat. Auch eine Thematisierung der VGM (Verified Gross Mass) - Anforderungen hatten sich viele Praktiker gewünscht.

Bei aller Kritik bleibt aber zu beachten, dass die Klauseln in unzähligen Rechtssystemen angewendet werden und allzu detaillierte Regelungen diese Universalität gefährden würden. Durch die Neufassung der Anwendungshinweise, einen Praxiskommentar und der klarstellenden Änderung von DAT zu DPU wurden jedenfalls die Praxistauglichkeit und der Zugang zum Regelungsinhalt der Klauseln erheblich verbessert.

Zur PDF-Version: 10 „To Do’s“ für alle Verwender der neuen Incoterms® 2020

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