6. Mai 2021
Interne Untersuchungen durch spezialisierte Anwaltskanzleien sind ein effektives Mittel zur umfassenden Aufklärung möglicher Compliance-Verstöße. Unternehmen fragen sich im Anschluss an solche interne Untersuchungen, ob sie auf den entstandenen Kosten für die Ermittlungen „sitzen bleiben“ oder ob sie diese von dem/der „überführten“ Arbeitnehmer/-in ersetzt verlangen können. Das BAG bestätigt einen solchen Ersatzanspruch in einer aktuellen Entscheidung und definiert dessen Voraussetzungen (BAG, Urteil vom 29.04.2021 – Az. 8 AZR 276/20). Was die Kernaussagen der Entscheidung sind und worauf Unternehmen in der Praxis achten müssen – wir geben einen ersten Überblick.
Als Leiter des Zentralbereichs Einkauf und Mitglied einer Führungsebene war der betroffene Arbeitnehmer („Kläger“) beim Arbeitgeber („Beklagter“) zu einem Jahresbruttogehalt i.H.v. zuletzt ca. 450.000,00 Euro tätig. Nachdem beim Beklagten anonyme Hinweise wegen möglicher Compliance-Verstöße des Klägers eingegangen waren, wurde eine interne Untersuchung durch eine auf interne Untersuchungen spezialisierte Anwaltskanzlei durchgeführt. Aus den im abschließenden Untersuchungsbericht zusammengefassten Ergebnissen ergab sich, dass der Kläger u.a. auf Kosten der Beklagten eine Vielzahl von Personen ohne dienstliche Veranlassung zum Essen eingeladen sowie Reisekosten für von ihm unternommene außerdienstliche Fahrten/Reisen beim Beklagten abgerechnet hatte.
Als Reaktion auf die Ermittlungsergebnisse kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis gegenüber dem Kläger außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich u.a. wegen Spesen- und Abrechnungsbetrugs. Die Kündigungsschutzklage des Klägers hatte durch alle Instanzen keinen Erfolg. Im Rahmen der Kündigungsschutzklage erhob der Beklagte Widerklage und verlangte mit dieser – unter Berufung auf die vom BAG aufgestellten Grundsätze zur Erstattung von Detektivkosten – die Kosten für die Durchführung der internen Untersuchung zur Aufklärung möglicher Vertragspflichtverletzungen des Klägers i.H.v. fast 210.000,00 Euro ersetzt. Die vom Beklagten erhobene Widerklage wies das ArbG Mannheim zunächst ab. Auf die Berufung des Beklagten sprach das LAG Baden-Württemberg dem Beklagten 66.500,00 Euro zu. Die Revision des Klägers, mit der er die vollständige Abweisung der Widerklage verfolgte, hatte Erfolg.
Bislang liegt nur die Pressemitteilung des BAG vor (Nr. 11/2021 vom 29.04.2021). Aus dieser ergibt sich, dass – nach Auffassung des BAG – ein Arbeitgeber die durch das Tätigwerden einer spezialisierten Anwaltskanzlei entstandenen Kosten vom Arbeitnehmer ersetzt verlangen kann, wenn
(i) der Arbeitgeber die Anwaltskanzlei anlässlich eines konkreten Verdachts einer erheblichen Verfehlung des Arbeitnehmers mit Ermittlungen gegen diesen beauftragt und
(ii) der Arbeitnehmer hierdurch einer schwerwiegenden vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird.
Soweit die genannten Voraussetzungen vorliegen, zählen die Kosten für eine interne Untersuchung zu den notwendigen Aufwendungen zur Abwendung drohender Nachteile für das Unternehmen und sind grundsätzlich ersatzfähig. Eine Grenze des Anspruchs bildet jedoch das Erfordernis der Erforderlichkeit der internen Untersuchung, wozu das Unternehmen ebenfalls substantiiert vortragen muss – notwendig ist u.a. ein Vortrag dazu, welche konkreten Tätigkeiten (Ermittlungsmaßnahmen) wann und in welchem zeitlichen Umfang wegen welches konkreten Verdachts durchgeführt wurden. Genau an dieser Grenze scheiterte der Anspruch des Beklagten in der vorliegenden Entscheidung.
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