Autor

Dr. Friedrich Goecke

Salary Partner

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28. Januar 2021

Die Neuregelung des Kinderkrankengeldes – Die 10 wichtigsten Fragen und Antworten für Arbeitgeber

  • Briefing
„Sie können ja arbeiten, wenn die Kinder im Bett sind“ - so betitelte der SPIEGEL am 24. Januar 2021 einen Artikel über die Not vieler berufstätiger Eltern in der Corona-Krise. Arbeitgebern und Personalverantwortlichen wird nicht verborgen geblieben sein, dass die pandemiebedingte Schließung von Kitas und Schulen zur Belastungsprobe für junge Eltern wird.

Welche Rechte haben die betroffenen Eltern gegenüber ihrem Arbeitgeber? Betrachtet man die allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen, so wird schnell klar: Das deutsche Arbeitsrecht schützt den Arbeitnehmer durch die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei eigener Erkrankung umfassend, bei der Erkrankung eines Kindes wird die Gesetzeslage dünn: § 616 BGB gibt den Eltern ein Recht auf bezahlte Freistellung, allerdings nur für wenige Tage. Überdies ist ein Anspruch nach § 616 BGB in vielen Arbeitsverhältnissen tarif- oder individualvertraglich ausgeschlossen. Abhilfe schafft in diesen Fällen das Sozialrecht, namentlich das Kinderkrankengeld nach § 45 Abs. 1 SGB V und das damit verbundene Recht auf unbezahlte Freistellung gegenüber dem Arbeitgeber nach § 45 Abs. 3 SGB V.

Die Voraussetzungen für das Kinderkrankengeld (und damit auch für eine unbezahlte Freistellung) hat der Gesetzgeber nun rückwirkend zum 5. Januar 2021 erweitert. Hierdurch wird das Kinderkrankengeld gleichzeitig zum „Pandemie-Betreuungsausfallgeld“. Eine gute Gelegenheit, die wichtigsten Fragen und Antworten zum „neuen“ Kinderkrankengeld einmal näher zu betrachten:
Was ist das Kinderkrankengeld und was hat der Gesetzgeber nun neu geregelt? 

Auch schon vor den pandemiebedingten Einschränkungen hatten gesetzlich versicherte Beschäftigte einen Anspruch auf Kinderkrankengeld und gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf entsprechende Freistellung. Voraussetzung war und ist, dass nach ärztlichem Attest die Betreuung eines erkrankten Kindes (bis 12 Jahre) erforderlich ist und die Betreuung nicht durch eine andere im Haushalt lebende Person gewährleistet werden kann. Das Kinderkrankengeld entspricht in der Regel 90% des ausgefallenen Nettoverdienstes und kann im Jahr für bis zu 10 Arbeitstage pro Kind (Alleinerziehende: 20 Tage) beansprucht werden, maximal jedoch für 25 Arbeitstage im Jahr (Alleinerziehende: 50 Arbeitstage).

Neu ist nun (vgl. § 45 Abs. 2a SGB V), dass das Kinderkrankengeld erweitert wird: Ein Anspruch auf Kinderkrankengeld (und ein entsprechender Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber) besteht nicht mehr nur in Fällen von Krankheit, sondern auch in Fällen, in denen die Schule oder Kita pandemiebedingt geschlossen bzw. entsprechende Pflichten und Angebote eingeschränkt sind. Anspruchsberechtigt sind auch Eltern, die im Homeoffice arbeiten. Zudem besteht der Anspruch jetzt für bis zu 20 Arbeitstage im Jahr pro Kind (Alleinerziehende: 40 Arbeitstage), maximal jedoch für 45 Arbeitstage im Jahr (Alleinerziehende: 90 Arbeitstage). Die Neuregelung gilt zunächst nur für das Jahr 2021.

Welche Arbeitnehmer haben Anspruch auf Kinderkrankengeld? 
Anspruch auf Kinderkrankengeld haben alle gesetzlich versicherten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Für Privatversicherte bleibt es beim staatlichen Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1a des Infektionsschutzgesetzes. Der Anspruch auf Freistellung besteht hingegen unabhängig vom Versichertenstatus.
Welchen Nachweis kann ich als Arbeitgeber verlangen? 
Der Arbeitgeber kann einen Nachweis über den Ausfall der Kinderbetreuung verlangen, der von der Schule oder Kita auszustellen ist. Das Bundesfamilienministerium hat bereits entsprechende Musterbescheinigungen zur Verfügung gestellt.
Muss ich mich als Arbeitgeber um die Abrechnung des Kinderkrankengeldes kümmern?

Nein. Anders als beispielsweise der Anspruch auf Entgeltfortzahlung (dieser besteht gegen den Arbeitgeber) besteht der Anspruch auf Kinderkrankengeld ausschließlich gegen die Krankenkasse (bzw. deren Träger), nicht gegen den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber ist allerdings aufgrund seiner vertraglichen Nebenpflicht gehalten, die ihm vorliegenden Informationen mit dem Arbeitnehmer zu teilen, um ihm ggf. die Antragstellung zu erleichtern.

 

In welchem Verhältnis steht die unbezahlte Freistellung nach § 45 Abs. 3 SGB V zur bezahlten Freistellung, insbesondere nach § 616 BGB?
Nach der ausdrücklichen Anordnung des § 45 Abs. 3, 2. Hs. SGB V besteht ein Anspruch auf unbezahlte Freistellung nur, „soweit nicht aus dem gleichen Grund Anspruch auf bezahlte Freistellung besteht.“ Dies bedeutet, dass sofern auf Grundlage des Arbeitsvertrags oder einer Kollektivvereinbarung ein Anspruch auf bezahlte Freistellung besteht, dieser den Anspruch nach § 45 Abs. 3 SGB V verdrängt. Im Rahmen des § 616 BGB ist aber Folgendes zu beachten: Die Vorschrift kommt nur dann zur Anwendung, wenn eine Arbeitsverhinderung von „verhältnismäßig nicht erheblicher Dauer“ (lt. Rechtsprechung: ca. 5 Arbeitstage) besteht. Bei einem pandemiebedingten Betreuungsnotstand ist die Arbeitsverhinderung von vorn herein jedoch von längerer Dauer, sodass § 616 BGB ohnehin nicht anwendbar ist.
Kann ich als Arbeitgeber verlangen, dass der Arbeitnehmer auch während der Freistellung nach § 45 Abs. 3 SGB V erreichbar ist? 
Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung freigestellt. In eng begrenzten Ausnahmefällen und abhängig von der betrieblichen Stellung des Arbeitnehmers wird der Arbeitgeber aufgrund der vertraglichen Rücksichtnahmepflichten vom Arbeitnehmer verlangen können, dass dieser für wichtige, unaufschiebbare Unternehmensbelange ansprechbar bleibt, sofern die Kinderbetreuung dies zulässt.
Kann ich als Arbeitgeber verlangen, dass der Arbeitnehmer zunächst Urlaubstage oder Pluszeiten aus einem Arbeitszeitkonto für die Kinderbetreuung einsetzt?
Grundsätzlich kann der Arbeitgeber dies nicht verlangen. Es sprechen allerdings gute Gründe dafür, dass der Arbeitnehmer bereits beantragte und genehmigte Urlaubstage vorrangig einsetzen muss.
Was passiert wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber über das Vorliegen der Voraussetzungen für das Kinderkrankentagegelds täuscht und daher unberechtigt von der Arbeit fernbleibt?
Hierzu enthält § 45 Abs. 3 S. 2 SGB V eine Sonderregelung: Der Arbeitgeber ist in einem solchen Fall berechtigt, die Fehltage auf einen späteren (berechtigten) Freistellungsanspruch anzurechnen. Im Fall eines bewussten Missbrauchs der Freistellung durch den Arbeitnehmer kann eine Abmahnung oder auch eine verhaltensbedingte Kündigung infrage kommen.
Mein Arbeitnehmer hat seine Kinderkrankentage bereits ausgeschöpft, seine Ehefrau noch nicht. Kann er eine "Überschreibung" der Tage verlangen?
Eine solche „Überschreibung“ ist ohne Zustimmung des Arbeitgebers nicht zulässig. Allerdings vertritt das Bundesfamilienministerium die Ansicht, bei Zustimmung des Arbeitgebers sei eine solche Überschreibung möglich. In diesem Fall sollte der Arbeitnehmer jedoch dazu angehalten werden, die Überschreibung eng mit den jeweiligen Krankenkassen abzustimmen.
Mein Mitarbeiter ist gerade geschieden und fragt nun, ob er als alleinerziehend gilt und damit einen weitergehenden Anspruch auf Kinderkrankengeld und Freistellung hat?
Als alleinerziehend gilt nach der Rechtsauffassung des Bundesfamilienministeriums nicht nur der Elternteil, der das alleinige Personensorgerecht für das bei ihm lebende Kind hat. Als alleinerziehend gilt auch, wer als erziehender Elternteil faktisch alleinstehend ist. Der Arbeitnehmer sollte dazu angehalten werden, sich mit seiner Krankenkasse über das Vorliegen dieser Voraussetzung abzustimmen.
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