13. August 2018
Das Outsourcing von Aufgaben auf Subunternehmer ist eine übliche Methode, das eigene Geschäft auf die Kernbereiche zu fokussieren. Auch die Beauftragung von Freelancern ist in diesem Zusammenhang eine häufig gewählte Maßnahme. Dabei besteht für den juristischen Laien immer potentiell die Gefahr, eine falsche rechtliche Qualifizierung der Zusammenarbeit vorzunehmen, so dass sich der vermeintliche Freelancer nach entsprechender Prüfung als scheinselbständig und damit als Arbeitnehmer des Auftraggebers entpuppt. Aufgrund der erheblichen finanziellen und potentiell strafrechtlichen Folgen für den Auftraggeber setzen Freelancer das Schlagwort der „Scheinselbständigkeit“ immer wieder als Druckmittel ein, um – insbesondere im Trennungsprozess – ihren Willen durchzusetzen. Eine aktuelle Entscheidung des LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 30. Oktober 2017, Az.: 11 Sa 66/16) lenkt den Fokus auf eine Möglichkeit zur Entschärfung solcher Drucksituationen, welche das BAG bereits 2002 und 2005 aufgezeigt hatte.
In dem entschiedenen Sachverhalt hatte die Klägerin über mehrere Jahre ihre IT-Struktur von einem externen Dienstleister – dem Beklagten – betreuen lassen. Ein schriftlicher Dienstleistungsvertrag wurde erst nach mehreren Jahren geschlossen. Die Vergütung lag dabei deutlich über dem Niveau, dass ein von der Klägerin angewandter Haustarifvertrag für Arbeitnehmer vorsah – auch wenn der Tarifvertrag nicht unmittelbar auf IT-Tätigkeiten anwendbar war.
Nachdem das Beauftragungsverhältnis beendet wurde, leitete der Beklagte ein Statusfeststellungsverfahren in die Wege, um nachträglich seinen Arbeitnehmerstatus feststellen zu lassen. Nachdem die Arbeitnehmereigenschaft in zweiter Instanz gerichtlich bestätigt wurde, musste die Klägerin Sozialversicherungsbeiträge, bestehend aus den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteilen, für den Beklagten nachzahlen.
Die Klägerin erhob daraufhin Zahlungsklage gegen den Beklagten und erklärte, dass er als Arbeitnehmer einen deutlich geringeren Vergütungsanspruch gehabt hätte und deshalb die Differenz zur erhaltenen Vergütung zurückzahlen müsse.
Das LAG bestätigte, dass eine nachträglich festgestellte Arbeitnehmereigenschaft tatsächlich dazu führen könne, dass der Anspruch auf Vergütung nach einer für Selbständige geltenden Vergütungssystematik entfallen könne und die Differenz zur für Arbeitnehmer geltenden Vergütungssystematik zurückzuzahlen sei. Dies entspreche der Rechtsprechung des BAG, die dieses in zwei Entscheidungen aus 2002 und 2005 (Az: 5 AZR 680/00 und 5 AZR 175/04) entwickelt habe.
Gleichwohl wurde die Klage im vorliegenden Fall abgewiesen, da die Klägerin nicht nachweisen konnte, dass für einen Arbeitnehmer tatsächlich eine geringere Vergütung gezahlt worden wäre. Der Haustarifvertrag der Klägerin sah gerade keine passende Vergütungsstufe für die Tätigkeit des Beklagten vor und dieser war zudem nicht tarifgebunden. Die Revision zum BAG wurde jedoch aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Entscheidung ausdrücklich zugelassen und inzwischen auch unter dem Aktenzeichen 5 AZR 178/18 eingelegt.
Die rechtssichere Beauftragung von Freelancern setzt immer eine sorgfältige Prüfung und Überwachung der vertraglichen und tatsächlichen Ausgestaltung der Zusammenarbeit voraus. Dies ist der einzige wirksame Schutz vor unliebsamen Überraschungen. Doch auch bei vorbildlichem Umgang mit selbständigen Auftragnehmern verursacht ein Statusfeststellungsverfahren unnötigen Aufwand – insbesondere da die DRV leider auch bei gut erkennbarer Selbständigkeit gern zunächst auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis plädiert und dieses Ergebnis anschließend aufwändig vor den Sozialgerichten korrigiert werden muss. Dies ist der Grund, warum die „Drohung“ mit der eigenen angeblichen Scheinselbständigkeit auch bei solchen Auftraggebern einen Effekt zeigt, die tatsächlich keine Scheinselbständigkeit des Auftragnehmers zu befürchten haben.
Der Hinweis auf die im Falle der Scheinselbständigkeit entstehenden Rückzahlungsansprüche gegen den Auftragnehmer kann in solchen Situationen ein gewisses „Droh-Gleichgewicht“ wiederherstellen. Um entsprechende Rückzahlungsansprüche auch tatsächlich durchsetzen zu können, muss jedoch idealerweise im Betrieb eine entsprechende allgemeinverbindliche Vergütungssystematik existieren, welche ausdrücklich zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen differenziert. Fehlt eine solche Systematik, kann zumindest durch entsprechende Gestaltung des Werk-/ bzw. Dienstleistungsvertrages eine einzelvertragliche Klarstellung hierzu getroffen werden. Die tatsächliche Durchsetzbarkeit des Rückforderungsanspruchs dürfte dabei nachrangig gegenüber dem Effekt der erfolgreichen „Erpressungsabwehr“ sein.
Vor wenigen Tagen hat das BAG seine Entscheidungsgründe für ein Urteil um die Zulässigkeit der Abweichung von der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer durch Tarifverträge bzw. Betriebsvereinbarungen veröffentlicht.
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