3. September 2025
Newsletter Marke Design Wettbewerb September 2025 – 2 von 8 Insights
Die rechtliche Landschaft rund um Influencer-Marketing und digitale Werbung erfährt derzeit bedeutende Veränderungen auf nationaler und internationaler Ebene. Im Folgenden stellen wir drei wichtige Entwicklungen vor, die sowohl für Unternehmen als auch für Influencer:innen und Jurist:innen von großer Relevanz sind.
In den USA sorgte der Fall rund um die „Sad Beige“-Ästhetik für mediales und juristisches Interesse. Bekanntlich ist gerade die Ästhetik für viele Influencer:innen in ihrem Auftritt von großer Bedeutung – sei es der „Clean Girl Look“, der „Vanilla Girl Look“, der farblich geprägte „Cottagecore Cream“-Stil, „Millennial Pink“ oder „Y2K Blue“. Auch das „Sad Beige“ ist eine solche prägnante Stilrichtung.
Während der Begriff „Sad Beige“ oft mit minimalistischen „Sad Beige Moms“ und deren Einfluss auf Kinder assoziiert wird, zeigt der US-Rechtsstreit Gifford v. Sheil vor dem U.S. District Court for the Western District of Texas (1:24-cv-00423) nun, dass diese Ästhetik auch die Jurist:innen beschäftigt.
Kern des Verfahrens war der Vorwurf einer Influencerin, ihre Ästhetik sei kopiert worden – mit Klagen wegen Urheberrechtsverletzung, „Trade Dress“-Verletzung und unrechtmäßiger Aneignung des Erscheinungsbildes („misappropriation of likeness“). Die spannende Frage: Kann eine bestimmte Ästhetik oder ein „Vibe“ rechtlich geschützt sein?
Da das Verfahren durch die Parteien einvernehmlich beendet wurde, gibt es keine endgültige Rechtsprechung und zentrale Fragen zur Originalität und zum geistigen Eigentum bleiben offen. Der Fall deutete jedoch an, dass die Ästhetik allein wohl kaum ausreicht, um einen Schutz im Sinne des Urheberrechts oder des Marken- bzw. Lauterkeitsrechts zu begründen. Zwar können bestimmte gestalterische Elemente – wie Farbgebung, Bildkomposition, Stilmittel oder visuelle Markenkennzeichen – grundsätzlich schutzfähig sein, etwa als urheberrechtlich geschütztes Werk, als Teil eines eingetragenen Designs oder im Rahmen eines sogenannten „Trade Dress“. Doch eine rein stilistische Ausdrucksform oder ein genereller „Vibe“, wie ihn die „Sad Beige“-Ästhetik verkörpert, bleibt rechtlich schwer greifbar.
Ein Schutz der reinen Ästhetik wäre wohl auch nach deutschem Recht schwierig. Denn ein Schutz durch das Urheberrecht setzt eine persönliche, geistige Schöpfung voraus, die sich in einem Werk manifestiert. Eine bloße Idee oder eine ästhetische Wirkung, die nicht auf einer individuellen, schöpferischen Leistung beruht, ist grundsätzlich nicht schutzfähig. Daher sollte man sich im Falle eines Rechtsstreits auf rechtlich schutzfähige Elemente wie originelle, prägende Logos, unterscheidungskräftige Slogans oder gar eingetragene Marken/Designs berufen und seine Prozessstrategie nicht nur auf den „Vibe“ stützen. Ferner sollte man gerade im sehr öffentlichkeitswirksamen Bereich der Influencer:innen die Prozessstrategie gründlich gegen ein mögliches Reputationsrisiko abwägen. Denn ein Streit unter namhaften Influencer:innen wird in den wenigsten Fällen nur still und heimlich im Gerichtssaal ausgetragen werden.
Ein weiterer Fall illustriert die öffentliche und teilweise sehr persönliche Streitkultur unter Influencer:innen.
Eine Influencerin und Streamerin, die unter dem Namen „Shurjoka“ bekannt ist, klagte gegen einen anderen Influencer, Streamer und Webvideoproduzenten wegen verschiedener Äußerungen.
Teilweise mit Erfolg. Das OLG Frankfurt am Main gab mit seinem Urteil vom 17.07.2025 (Az. 16 U 80/24) der Klage bezüglich einiger Aussagen aufgrund der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts statt. So entschied das Gericht, dass Äußerungen wie „sie hetzt Tag ein Tag aus“, der Vorwurf, das Geschäftsmodell bestehe darin, „Hass zu verbreiten“ sowie Unterstellungen sexueller Belästigung die Persönlichkeitsrechte der Klägerin verletzen. Das Recht des Beklagten auf Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit müsse dahinter zurücktreten und dieser dürfe sich so nicht mehr äußern.
Hingegen müsse die Klägerin es als Meinungsäußerung hinnehmen, wenn der Beklagte sie unter anderem als „Hatefluencerin“ bezeichne, so das OLG Frankfurt.
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche hielt das Gericht für nicht gegeben. Zum einen fehle es an einem Wettbewerbsverhältnis. In dem hier gegebenen Kontext priese der Beklagte weder eigene noch fremde Waren oder Dienstleistungen an. Die Tatsache, dass die Parteien beide „auf dem Streaming-Markt“ tätig seien, reiche zur Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses nicht aus, so der Senat.
Die Äußerungen des Beklagten stellten zudem keine geschäftlichen Handlungen dar. Sie dienten nach Auffassung der Richter nicht der Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen, sondern hätten lediglich eine Informations- und Unterhaltungsfunktion.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Abgrenzung zwischen unzulässiger Persönlichkeitsrechtsverletzung und zulässiger Meinungsäußerung – insbesondere im Spannungsfeld öffentlicher Debatten unter Influencer:innen. Polemische oder zugespitzte Äußerungen im Rahmen öffentlicher Auseinandersetzungen sind von der Meinungsfreiheit gedeckt – sofern sie nicht die Schwelle zur Schmähkritik oder Tatsachenbehauptung mit ehrenrührigem Inhalt überschreiten.
Aus lauterkeitsrechtlicher Sicht bestätigt das Urteil, dass nicht jede öffentliche Auseinandersetzung zwischen Marktteilnehmer:innen automatisch ein Wettbewerbsverhältnis begründet – und Meinungsäußerungen auf journalistisch geprägten Kanälen, die nicht für werbliches Influencing genutzt werden, nicht ohne weiteres eine geschäftliche Handlung im Sinne des UWG darstellen.
Vielleicht hätte ein italienisches Gericht den dem Urteil des OLG Frankfurt zum „hatefluencen“ zugrunde liegenden Fall anders entschieden. Denn:
Italien geht mit neuen Regeln voran. Die Regulierungsbehörde für Kommunikationsunternehmen (AGCOM) veröffentlichte im Juli 2025 Leitlinien und einen Verhaltenskodex für Influencer:innen, die für Influencer:innen mit mindestens 500.000 Followern oder über eine Million Videoaufrufe pro Monat gelten und insbesondere auf die digitale Werbung abzielen. Diese Regeln verpflichten Influencer:innen zur Wahrung von Richtigkeit, Unparteilichkeit, Menschenwürde, Schutz Minderjähriger, Urheberrecht und Transparenz bei kommerzieller Kommunikation sowie zur Bekämpfung von Hassreden. Zudem existiert ein verpflichtendes Register zur öffentlichen Identifikation und Sanktionierung bei Verstößen.
Die AGCOM-Initiative zeigt den wachsenden Regulierungsbedarf im digitalen Bereich. Insoweit stehen auch auf EU-Ebene derzeit die Arbeiten am Digital Fairness Act im Vordergrund. In diesem künftigen EU-Gesetz sollen unter anderem europaweit einheitliche Regeln für Influencer:innen aufgestellt werden. Einzelheiten stehen aber noch nicht fest. Die Leitlinien sind ein großer Schritt in die richtige Richtung. Es werden zwar weiterhin viele Fälle individuell beurteilt werden müssen, etwa hinsichtlich der Transparenz von Kennzeichnungen oder der Abgrenzung von Meinungsfreiheit und Hassrede, doch jede Förderung der redaktionellen Verantwortung und ein stärkeres Verantwortungsbewusstsein der Influencer:innen für ihre Inhalte ist wünschenswert.
Die aktuellen Entscheidungen und Leitlinien verdeutlichen: Die Gerichte beschäftigen sich zunehmend mit Fragen des Influencer-Marketings und auch die gesetzliche Regulierung von Influencer-Marketing wird international zunehmend strenger. Transparenz und klare Kennzeichnungspflichten sind essenziell, um sowohl Verbraucher:innen zu schützen als auch Haftungsrisiken zu minimieren.
Eine qualifizierte rechtliche Beratung sollte integraler Bestandteil jeder Influencer-Kampagne sein.
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