Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat über die Frage zu entscheiden, ob und gegebenenfalls bis zu welcher Wertgrenze die Werbung mit geldwerten Gutschriften im Rahmen eines Bonussystems beim Kauf von Medizinprodukten mit dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) vereinbar ist (Az. I ZR 43/24).
Sachverhalt
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte vertreibt in ihren Filialen in Deutschland Hörgeräte verschiedener Hersteller und sonstige Produkte für Hörbeeinträchtigte. Die Beklagte kooperiert dabei mit der PAYBACK GmbH und warb auf ihrer Internetseite mit der Gutschrift von PAYBACK-Punkten. Kunden, die an der Kasse beim Bezahlen ihre PAYBACK-Karte vorzeigten, bekamen pro einem Euro Umsatz einen PAYBACK-Punkt im Wert von 1 Cent auf ihrem PAYBACK-Konto gutgeschrieben. Kunden können sich die gesammelten Punkte bargeldlos auszahlen oder in Sachprämien, Gutscheine, Prämienmeilen oder Spenden umwandeln lassen. Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Werbung verstoße gegen das Verbot von Werbegaben gemäß § 7 Abs. 1 HWG und nimmt die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch.
Streitentscheidende Norm: § 7 HWG
Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 HWG ist es im Rahmen der Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens unter anderem unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren. Eine Ausnahme von diesem strengen Zuwendungsverbot besteht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 HWG, wenn es sich bei der Zuwendungen oder Werbegaben um geringwertige Kleinigkeiten handelt und gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a HWG unter anderem dann, wenn die Zuwendungen oder Werbegaben in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt wird. Der gesetzgeberische Sinn und Zweck des § 7 HWG besteht vor allem darin, durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Gesundheitsbereich der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, die von einer Werbung mit Geschenken ausgehen kann.
Bisheriger Prozessverlauf
Das Landgericht Hamburg wies die Klage mit Urteil vom 12. Mai 2021 (Az. 312 O 306/19) in erster Instanz mit der Begründung ab, es handele sich bei der streitgegenständlichen Werbung nicht um produktbezogene Werbung, sondern um reine Unternehmenswerbung für ein Kundenbindungssystem.
Der Anwendungsbereich des HWG erstreckt sich nämlich ausschließlich auf produkt- bzw. leistungsbezogene Absatzwerbung. Unternehmensbezogene Werbung und reine Imagewerbung ohne konkreten Produktbezug fallen damit nicht unter das Zuwendungsverbot des § 7 HWG.
Es liege, so das Landgericht Hamburg, zudem keine abstrakte Gefährdung von Gesundheitsinteressen vor. Darüber hinaus greife in diesem Fall die Ausnahmeregelung in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a HWG ein, weil es sich um einen zulässigen Geldrabatt handele.
Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg änderte das landgerichtliche Urteil daraufhin teilweise mit Urteil vom 29. Februar 2024 (Az. 3 U 83/21) ab und verurteilte die Beklagte auf den Hilfsantrag der Klägerin zur Unterlassung, soweit die Gutschrift von PAYBACK-Punkten mit einem Gesamtwert von mehr als 5,00 EUR beworben beziehungsweise veranlasst wird. Hinsichtlich des Hauptantrags, der auf eine Gutschrift von PAYBACK-Punkten im Wert von mehr als 1,00 EUR zielte, hat es die Berufung dagegen zurückgewiesen.
Entscheidung des Berufungsgerichts
Das Berufungsgericht bejahte den Produktbezug der Werbung, da die Beklagte Vorteile beworben habe, in deren Genuss der Kunde nur beim Erwerb von Produkten kommt. Die Werbung beziehe sich zwar auf das gesamte Warensortiment, da zu diesem allerdings auch Hörgeräte – mithin Medizinprodukte – gehören, sei die Werbung ohne weiteres produktbezogen. Dass sich die Werbung auf ein Kundenbindungssystem bezieht, führe nicht dazu, dass nur von einer Imagewerbung auszugehen wäre.
Bei der Gewährung von PAYBACK-Punkten handele es sich auch um eine Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG, da der Begriff mit Blick auf den Zweck der Regelung, durch eine weitgehende Eindämmung von Werbegeschenken im Heilmittelbereich der abstrakten Gefahr einer hiervon ausgehenden unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, weit auszulegen sei. Entscheidend sei, dass die Zuwendung aus der Sicht des Empfängers unentgeltlich gewährt und dementsprechend als ein Geschenk angesehen wird. Dies treffe bei PAYBACK-Punkten zu.
Eine Werbegabe im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG liegt zudem nur dann vor, wenn ihr Anbieten, Ankündigen oder Gewähren zumindest die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Werbeadressaten begründet. Im Streitfall, so das OLG Hamburg, könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein Verbraucher, der ein Hörgerät benötigt, durch die Werbung der Beklagten, bei jedem Einkauf PAYBACK-Punkte sammeln zu können, veranlasst wird, das Hörgerät gerade deswegen bei ihr zu kaufen. Dieser Umstand reiche für die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung aus.
Die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a HWG, wonach Zuwendungen oder Werbegaben zulässig sind, die in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt werden, lägen dagegen nicht vor, weil die PAYBACK-Punkte nicht sofort den fälligen Kaufpreis minderten. Der Ausnahmetatbestand sei dahin auszulegen, dass ihm allein unmittelbar wirkende Preisnachlässe und Zahlungen, nicht aber auf einen Geldbetrag oder einen prozentualen Rabatt lautende Gutscheine für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte unterfallen.
Auch die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 HWG liegen laut dem OLG Hamburg in diesem Fall nicht vor. Die Wertgrenze für geringwertige Kleinigkeiten im Sinne dieser Vorschrift sei bei 5,00 EUR als Summe der gutgeschriebenen PAYBACK-Punkte, die für den Kauf jedes einzelnen Medizinprodukts gewährt werden dürfen, zu ziehen. Die im Fall einer Publikumswerbung für preisgebundene Arzneimittel gemäß der Rechtsprechung des BGH geltende Wertgrenze von 1,00 EUR sei nicht auf nicht preisgebundene Heilmittel - insbesondere Medizinprodukte - zu übertragen.
Das OLG Hamburg hat die Revision zugelassen, die beide Parteien eingelegt haben und mit der sie jeweils ihre Anträge weiterverfolgen.
Entscheidung des BGH
Mit Spannung wird nun das Urteil des BGH in diesem Fall erwartet, da er zu den diffizilen Auslegungsfragen rund um § 7 HWG Stellung nehmen muss. Diese Entscheidung wird somit erhebliche Auswirkungen auf die Akteure des Gesundheitsmarktes haben, insbesondere in Bezug auf die zukünftigen Anforderungen an die Gestaltung der Werbung für Medizinprodukte und andere nicht preisgebundene Heilmittel in Verbindung mit jeglichen Zuwendungen.