Die Gesundheit von Frauen fand in der Vergangenheit eine viel zu geringe Beachtung in der medizinischen Forschung. Lange wurden Frauen in medizinischen Studien nicht zugelassen, mit der Folge, dass Medikamente nicht unter Berücksichtigung der speziellen weiblichen Bedürfnisse entwickelt wurden.
Gerade mit Blick auf die Vermeidung möglicher Nebenwirkungen und die Gewährleistung der Wirksamkeit von Medikamenten und Anwendungen bei Frauen, war und ist ein solcher Zustand nicht akzeptabel.
Trotzdem fehlt es auch heute nach wie vor oft an entsprechenden Daten für frauengesundheitsspezifische Themen, und auch an der nötigen Finanzierung, um diese Datenlage durch eine gezielte Forschung zu verbessern.
Die Schwierigkeiten dabei, ausreichendes Kapital einzuwerben, können auch für Start-ups erkannt werden, die sich speziell mit der Entwicklung von digitalen Services für frauenspezifische Gesundheitsthemen beschäftigen. Im Venture Capital-Kontext werden solche jungen Unternehmen dem Bereich „Femtech“ zugeordnet.
Schwieriges Finanzierungsumfeld für Frauen und frauenspezifische Themen
Führt man sich vor Augen, dass Frauen statistisch erheblich mehr Geld für ihre Gesundheit ausgeben als Männer, häufiger digitale Gesundheitsanwendungen nutzen, öfter zum Arzt gehen und auch mehr Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen, liegt eigentlich der Schluss nahe, dass Investments in diesem Bereich auf fruchtbaren Boden fallen müssen und entsprechend attraktiv für Investoren sind. Wie lassen sich also die Schwierigkeiten beim Einwerben von Risikokapital erklären? Die Gründe hierfür sind komplex.
Als ein wesentlicher Faktor wird vielfach das Fehlen von Frauen in Führungspositionen bei Venture Capital-Investoren identifiziert. Laut European Women in VC waren 2023 nur 16% der General Partner in Venture Capital-Unternehmen Frauen, was eine Steigerung von lediglich einem Prozent gegenüber dem Vorjahr darstellte. Männer, also die Personen, die folglich die meisten Investitionsentscheidungen treffen, so eine Annahme, seien weniger interessiert an Services und Produkten, die aus ihrer Sicht hauptsächlich für Frauen relevant sind oder es fehle ihnen schlicht das Verständnis für Probleme und Bedürfnisse, die sie selbst nicht betreffen, was letztlich ihre Investments beeinflusse. Zudem werden Femtech Unternehmen weit überwiegend von Frauen gegründet. Ein sog. unconscious bias von männlichen Investoren gegenüber Frauen ist zwar nicht erwiesen, wird aber in ähnlicher Weise oft auch im Kontext von ausbleibenden Beförderungen von Frauen als ein möglicher Grund für eine Benachteiligung von Frauen gegenüber Männern genannt. Man spricht hier auch von einem sog. Gender Bias, der in diesem Zusammenhang dazu führen könnte, dass Männer lieber in männlich besetzte Gründungsteams investieren. Die Statistiken können diese Vermutung nicht widerlegen: Während Frauen in Deutschland laut einer Auswertung der KfW zum „Female Entrepreneurship“ von 2017 bis 2021 durchschnittlich an 19% der Existenzgründungen von Wachstumsunternehmen beteiligt waren, entfiel 2021 auf rein weiblich geführte Start-ups lediglich ein Anteil von 2% des gesamten Dealvolumens in Deutschland. Selbst gemischte Teams machten nur einen Anteil von 7% aus.
Ein weiteres Problem könnte die eingangs bereits genannte unzureichende Datenlage sein. Für Investoren ist ein umfassendes Datenmaterial grundsätzlich oft eine entscheidende Voraussetzung, um ein Investment zu tätigen. Fehlt es an aussagekräftigen Studien, etwa um die Wirksamkeit bestimmter digitaler Therapiemethoden für Frauen zu erforschen, so könnte dies Investoren von einer künftigen Beteiligung abhalten. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, braucht es einen Finanzierungsvorschuss für Themen, die speziell die weibliche Gesundheit betreffen.
Gesellschaftliche Enttabuisierung – aussichtsreiche Zukunft für Femtech
Trotz der bestehenden Probleme wird dem Femtech-Bereich eine aussichtsreiche Zukunft prognostiziert. Die vorstehend benannten Missstände haben ihren Weg längst in das Bewusstsein der gesellschaftlichen Mitte gefunden. Frauen fordern zurecht selbstbewusst ein, dass ihren Bedürfnissen in allen gesellschaftlichen Bereichen Rechnung getragen wird. Zusammen mit einem in den letzten Jahren an Bedeutung gewinnendem Markt im Bereich der personalisierten digitalen Gesundheit, wird ein erhebliches Wachstum für Unternehmen, die sich frauenspezifischen Themen widmen, erwartet. Auch heute schon gibt es beispielsweise mit Maven Clinic oder Kindbody erfolgreiche Start-ups in diesem Bereich, die sogar einen Unicorn-Status (also eine Unternehmensbewertung von über USD 1 Mrd.) erreicht haben.
Die Gesundheit von Frauen liegt zunehmend auch im Fokus der Politik. Die aktuelle US-Regierung, hat etwa jüngst die Women's Health Research Initiative gestartet, die sich mit der Verbesserung der frauenspezifischen Gesundheitsforschung befasst. Dass die Politik das Potenzial des Themas erkannt hat, verwundert angesichts der gesellschaftlichen Enttabuisierung frauengesundheitlicher Themen wie Menstruation und Menopause nicht. Es ist zu erwarten, dass auch Investoren die gesellschaftliche Stimmung aufgreifen und das enorme Potenzial erkennen, das der Femtech-Bereich bietet.