1. März 2024
Die von der EU erlassenen Sanktionen umfassen das Einfrieren von Vermögenswerten gelisteter Personen, Bereitstellungsverbote, Reisebeschränkungen, Beschränkungen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sowie Im- und Exportbeschränkungen. Mit dem 13. Sanktionspaket wurden zuletzt die Russland-Sanktionen der EU weiter verschärft. Die personen- und organisationsbezogene Sanktionsliste der EU wurde mit diesem Sanktionspaket in einem nie da gewesenen Umfang erweitert – um insgesamt 194 Einträge. Die Liste umfasst nun mehr als 2000 Einträge. Parallel zu den stetig erweiterten Sanktionen arbeiten sowohl die EU als auch die Bundesregierung in Form des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz („BMWK“) daran, die Durchsetzung der EU-Sanktionen noch effektiver zu gestalten. Zu den von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen gehört die Harmonisierung des Sanktionsstrafrechts.
In allen Mitgliedstaaten sollen so bald als möglich gleiche Mindeststandards für die Definition, den Strafrahmen und die Verfolgbarkeit von Verstößen gegen EU-Sanktionen gelten. Deutschland ist schon im Mai 2022 mit dem „Ersten Gesetz zur effektiveren Durchsetzung von Sanktionen“ („SDG I“) einen Schritt hin zu einer noch effizienteren Sanktionsdurchsetzung gegangen, u.a. mit der strafbewehrten Meldepflicht für sanktionsbelastetes Vermögen (Immobilien, Unternehmensbeteiligungen etc.). Das „Zweite Gesetz zur effektiveren Durchsetzung von Sanktionen“ („SDG II“) vom Dezember 2022 umfasst eine strukturelle Reform der Durchsetzung von individuellen Finanzsanktionen, den sog. Listungen, sowie Maßnahmen der Geldwäscheprävention.
Das Vorhalten außenwirtschaftsrechtlicher Compliance-Maßnahmen, idealerweise in Form eines Innerbetrieblichen Compliance Programms („ICP“) waren schon immer von entscheidender Bedeutung, um das Risiko von Sanktionsverstößen zu minimieren und im Fall eines Verstoßes eine Exkulpierung zu ermöglichen. Durch die die strengere Ahndung und Durchsetzung der Sanktionen für Unternehmen in Deutschland und der EU ist ein funktionierendes ICP nunmehr noch wichtiger.
Es besteht grundsätzlich keine „harte“ rechtliche Verpflichtung, außenwirtschaftsrechtliche Compliance-Maßnahmen wie ein ICP zu treffen. Rechtliche Vorgaben für derartige Compliance-Maßnahmen treffen im Wesentlichen Unternehmen, die gelistete Güter exportieren (vgl. § 8 Abs. 2 Außenwirtschaftsgesetz („AWG“)). Durch die Benennung eines Ausfuhrverantwortlichen („AV“) gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle („BAFA“) wird diese Compliance-Pflicht von der Unternehmensleitung anerkannt. Insofern wird die Notwendigkeit eines ICP bzw. sonstiger Vorkehrungen im Unternehmen bzgl. der EU-Sanktionen auch aus § 130 Ordnungswidrigkeitengesetz („OWiG“) sowie den allgemeinen Sorgfaltspflichten der Unternehmensleitung (vgl. § 93 AktG, § 43 GmbHG) hergeleitet. Im Fall von Verstößen kann sich ein ICP sanktions- und bußgeldmindernd auswirken. Idealerweise führt ein ICP sogar zur vollständigen Exkulpierung der Unternehmensleitung bei Verstößen gegen das Sanktionsrecht.
Die Beachtung von sanktionsbezogenen Sorgfaltspflichten setzt eine unternehmensindividuelle und einzelfallbezogene Identifikation und Analyse der jeweils bestehenden Risikoparameter voraus. Im Rahmen der Sanktions-Compliance gilt: kein „one-size-fits-all“. Mit Bezug auf die Sanktionen besteht bei der Durchführung von relevanten Transaktionen eine umfassende Verpflichtung zur Überprüfung auf eine mögliche Listung (Sanktionslisten-Screening). Auch diese Vorgabe richtet sich jedoch primär an exportierende Unternehmen. So sollen nach der Guidance der Europäischen Kommission im Hinblick auf den Export von (gelisteten) Gütern alle europäischen Exporteure ihre Vertragspartner und den endgültigen Bestimmungsort der Waren mit der gebotenen Sorgfalt prüfen. Den für das jeweilige EU-Sanktionsregime in der Einzelfallprüfung anwendbaren Haftungsrahmen geben die unmittelbar verbindlichen EU-Sanktionsverordnungen vor. So lautet bspw. Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014: „Natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen können für ihre Handlungen nicht haftbar gemacht werden, wenn sie nicht wussten und keinen vernünftigen Grund zu der Annahme hatten, dass sie mit ihrem Handeln gegen die Maßnahmen nach dieser Verordnung verstoßen“.
Der Ausführer muss die ihm zur Verfügung stehenden Informationen über die tatsächliche Verwendung der Güter durch den Kunden nutzen, um eine mögliche kritische Absicht intern zu prüfen. Ein bewusstes Sich-Verschließen vor Umständen, die sich dem Betroffenen aufdrängen, kann Kenntnis gleichgesetzt werden. Bei bestimmten, besonders kritischen Gütergruppen reflektieren konkrete regulatorische Vorgaben die insoweit bestehenden Sorgfaltspflichten: Für Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck (sog. Dual-Use Güter) sind Endverbleibserklärungen verpflichtend; bei bestimmten besonders umgehungsrelevanten Gütern sieht die mit dem 12. Sanktionspaket eingeführt Regelung des Art. 12g der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 verpflichtende sog. „No-Russia-Clauses“ vor. Wichtig ist, dass diese Maßnahmen allein nicht ausreichend sind, sondern Teil einer umfassenden Compliance-Organisation sein müssen.
Die Formulierung risikobasierter und auf das jeweilige Unternehmen zugeschnittener Compliance-Maßnahmen in Bezug auf Sanktionen sind von entscheidender Bedeutung, um das Risiko von Sanktionsverstößen zu minimieren. Im Folgenden werden beispielhaft einige kunden-, waren- und transaktionsbezogene Risikoindikatoren genannt, die bei Exportgeschäften weitere Nachforschungen oder externe Beratungen auslösen sollten. Ein eigenständiges Handeln oder eine rechtliche Beratung sind insbesondere dann angezeigt, wenn mehrere der folgenden Indikatoren kumulativ vorliegen:
Die Aufdeckung von Rechtsverstößen gegen das EU-Sanktionsrecht im Unternehmen ist in der letzten Zeit wahrscheinlicher geworden, da seit den Russland-Sanktionen Außenwirtschaftsprüfungen deutlich zunehmen. Die Kontrolldichte im Außenwirtschaftsrecht ist in Deutschland damit gerade bei Unternehmen, die Außenhandel betreiben, extrem hoch, denn sie stehen permanent im Fokus der Zollbehörden.
Im 11. EU-Sanktionspaket wurde zudem unter Art. 6b der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 eine an Jedermann gerichtete allgemeine Hinweispflicht verankert (sog. „Jedermannspflicht“). Diese Pflicht ist auch in anderen EU-Sanktionsverordnungen bereits enthalten, fehlte aber bislang bei den Exportverboten der EU-Russlandsanktionen. Entsprechend der Jedermannspflicht ist jeder, der über Hinweise zu möglichen Sanktionsverstößen und sanktionsrelevante Informationen verfügt, verpflichtet, diese den zuständigen Behörden zu melden. Unterbleibt die Meldung so kann dies mit einer Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Dem Wortlaut nach erfasst Art. 6b der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 alle natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen. Die Verpflichtung differenziert nicht zwischen privat oder beruflich erlangten Informationen. Von dieser Hinweispflicht ausgenommen ist die durch Art. 7 der Charta der Grundrechte der EU geschützte vertrauliche Kommunikation zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten.
Um eigenen Rechtsverstößen im Unternehmen schon keine Chance zu geben, sollten vor allem präventive Maßnahmen in Form eines maßgeschneiderten ICP getroffen werden. Im Zuge von Außenwirtschaftsprüfungen durch den Zoll werden unter anderem die korrekte Abwicklung von Exporten und Ausfuhranmeldungen, die Einhaltung von Embargos und Sanktionen, die Einhaltung der Exportkontrolle, die erfolgte Sanktionslistenprüfung oder auch die Abgabe von AWV-Meldungen für ein- oder ausgehende internationale Zahlungen geprüft. Ein weiterer Aspekt, der bei der Außenwirtschaftsprüfung oft untersucht wird, sind Softwarelösungen zur Exportkontrolle, wie z.B. der korrekte Einsatz von Software für die Sanktionslistenprüfung. Falls es dennoch zu einem fahrlässigen Verstoß gegen die EU-Sanktionen im Unternehmen kommen sollte, eröffnet ein ordnungsgemäßes ICP regelmäßig die Möglichkeit der Exkulpation bzw. Reduzierung von Bußgeldern und Strafen.
Für kleinere Ordnungswidrigkeiten gemäß § 19 Absätze 2 bis 5 OWiG, die mit Bußgeldern bis zu EUR 30.000 bestraft werden können, besteht die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige nach § 22 Abs. 4 AWG. Für vorsätzliche Verstöße gegen die EU-Dual-Use-Verordnung oder Embargo-Vorschriften durch die Unternehmensleitung ist eine Selbstanzeige im Außenwirtschaftsrecht nicht vorgesehen. Welche Handlungsoptionen es im Fall eines Verstoßes gegen EU-Sanktionsrecht für Ihr Unternehmen gibt, sollte eingehend geprüft werden. Dabei ist vor allem auch auf das Vorgehen im Rahmen der Selbstanzeige zu achten, vor allem muss die Selbstanzeige freiwillig und vollständig sein. Andernfalls tritt keine strafbefreiende Wirkung ein.
Sofern Ihr Unternehmen aufgrund der Risikoindikatoren bei Exportgeschäften eine Risikoneigung aufweist, sollten Sie tätig werden und ein ICP als präventive Maßnahme erarbeiten. Wir beraten Sie gern auch mit Hilfe unseres „Sanctions Audits“. Wir unterstützen Sie dabei ein maßgeschneidertes Compliance-Programm in Ihrem Unternehmen zu implementieren und prüfen auch im Einzelfall ein Exportgeschäft für Sie. Bei einem aufgedeckten Verstoß gegen das Sanktionsrecht helfen wir Ihnen die richtigen Schritte und Maßnahmen zu prüfen und begleiten Sie bei behördlichen Verfahren.
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