30. Januar 2024
Am 24. Januar 2024 veröffentlichte die EU Kommission einen Entwurf für eine neue Verordnung zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment – „FDI“). Die aktuelle FDI-Screening-Verordnung (EU) 2019/452 der EU trat 2020 in Kraft und zielte hauptsächlich darauf ab, eine Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu etablieren (sog. Kooperationsmechanismus), die eine Investition prüfen.
In der Folge hatten zahlreiche EU-Mitgliedstaaten nationale Prüfregime eingeführt oder bestehende Regelungen erweitert. Deutschland hat in mehreren Stufen u.a. den Anwendungsbereich der Investitionsprüfung erweitert und Verfahrensregelungen gestrafft. Gerade die Abstimmung von Transaktionen, die verschiedene Mitgliedstaaten berühren, war in der Praxis nicht selten aufwändig und zeitintensiv. Die EU Kommission will mit dem neuen Verordnungsentwurf bestehende Herausforderungen bei FDI-Verfahren lösen. Im Sommer 2023 hatte die EU Kommission eine öffentliche Konsultation durchgeführt.
Die Bundesregierung überarbeitet indessen weiter die nationalen FDI-Screening-Regelungen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz („BMWK“) hatte im Spätsommer 2023 Eckpunkte zur geplanten Novellierung des Investitionsprüfrechts veröffentlicht. Die Bundesregierung möchte das Vorhaben zur Schaffung eines neuen Investitionsprüfungsgesetzes („IPG“) noch in dieser Legislaturperiode umsetzen und hat dazu im Herbst letzten Jahres ein Eckpunktepapier zirkuliert. Der erwartete Referentenentwurf dürfte die neue EU-Verordnung berücksichtigen. Ob die Reformpläne (EU und Deutschland) zeitnah umgesetzt werden, bleibt nicht zuletzt aufgrund der bevorstehenden Europawahlen und der derzeitigen Vielzahl an bundespolitischen Herausforderungen abzuwarten. Es kann noch zu verschiedenen Anpassungen im Gesetzgebungsverfahren kommen.
Die wesentlichen Änderungen des Verordnungsentwurfs der EU Kommission sind u.a. die Erfassung von Investitionen durch ausländisch kontrollierte EU-Unternehmen und sog. Greenfield-Investitionen, die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Erlass eines FDI-Screening-Mechanismus, ein verbesserter, EU weiter Kooperationsmechanismus, der nur noch bei kritischen Transaktionen verpflichtend ist.
Die M&A-Praxis wird mit einer abermaligen Ausweitung des Prüfregimes konfrontiert. Insbesondere die Beschränkung des Kooperationsmechanismus auf kritische Transaktionen und dessen Optimierung sowie die geplante Standardisierung von FDI-Prüfverfahren könnte indes bei multinationalen Transaktionen zu einer Steigerung von Verfahrenseffizienz und Rechtssicherheit führen. Es wird künftig mit Blick auf die geplante erweiterte Koordinierung von Transaktionen in mehreren Ländern (verpflichtende Meldung an einem Tag in allen EU-Ländern) umso wichtiger sein, jede Transaktion in einem möglichst frühen Stadium hinsichtlich einer nationalen bzw. EU-weiten FDI-Meldepflicht zu prüfen.
Eine der vorgeschlagenen Änderungen ist die Ausweitung des Anwendungsbereichs der FDI-Screening-Verordnung auf Investitionen von EU-Unternehmen, deren letztendliche Eigentümer Nicht-EU-Investoren sind. Nach dem Verordnungsentwurf sind Übernahmen durch EU-Unternehmen prüfbar, wenn der EU-Erwerber von einem ausländischen Investor kontrolliert wird. Dies ist eine Abkehr von der aktuellen Verordnung, die nur für Direktinvestitionen ausländischer Investoren gilt und nicht für indirekte Investitionen von in der EU ansässigen Tochtergesellschaften ausländischer Investoren. Dieser Vorschlag ist eine Reaktion auf das Xella-Urteil des EuGH aus dem letzten Jahr (EuGH, Urt. v. 13.Juli 2023 – Rs.C-106/22). Danach gilt die FDI-Screening-Verordnung im Grundsatz nicht für Investitionen, die von EU-Unternehmen getätigt werden, die letztlich im Besitz oder unter der Kontrolle von Nicht-EU-Investoren sind. Etwas anderes gilt nur für Situationen mit künstlichen Vereinbarungen, die nicht die wirtschaftliche Realität widerspiegeln und die Prüfmechanismen umgehen sollen. Der EuGH hatte geurteilt, dass die Entscheidung Ungarns, eine Transaktion im Rahmen seiner Vorschriften zur Überprüfung ausländischer Investitionen zu blockieren, gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt und dass Mitgliedstaaten Investitionen eines EU-Unternehmens nicht – ohne ausreichende Begründung – beschränken können.
Gemäß dem Verordnungsentwurf müssen Investitionen eines EU-Unternehmens überprüft werden, wenn dieses Unternehmen von einem Nicht-EU-Investor kontrolliert wird und die Entscheidungsbefugnis über die Investition beim Nicht-EU-Investor verbleibt. Nicht erfasst sind Unternehmen, die über keine Drittstaatsbeteiligung oder nur über eine nicht beherrschende Beteiligung eines ausländischen Investors verfügen (Portfolioinvestitionen). Im Gegensatz dazu ist die Rechtslage und Praxis zur sektorübergreifenden FDI-Prüfung in Deutschland schon jetzt strenger und deckt auch Investitionen von EU-ansässigen Unternehmen ab, bei denen Unionsfremde mit 10 % und mehr der Stimmrechte beteiligt sind.
Eine weitere wichtige Änderung, die im Verordnungsentwurf vorgeschlagen wird, ist die Einbeziehung von Greenfield-Investitionen in den FDI-Screening-Mechanismus. Dies würde bedeuten, dass die bloße Gründung eines neuen Unternehmens, das in bestimmten kritischen Sektoren tätig werden möchte, vom Prüfmechanismus erfasst wird und die Mitgliedstaaten Neuinvestitionen (Greenfield-Investitionen) in ihre FDI-Systeme zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen einbeziehen müssen. Diese Erweiterung des Anwendungsbereichs ist auch bereits in den Eckpunkten des BMWK für ein Investitionsprüfgesetz vorgesehen.
Die Teilnahme am Screening ausländischer Direktinvestitionen war bisher in der EU für die Mitgliedstaaten freiwillig. Die ursprüngliche Verordnung verlangte von den Mitgliedstaaten lediglich, dass sie der EU Kommission Einzelheiten über ihre FDI-Regelungen mitteilen. Die vorgeschlagene Verordnung sieht nun vor, dass alle Mitgliedstaaten innerhalb von 15 Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung verpflichtend über einen FDI-Screening-Mechanismus verfügen müssen. Die EU Kommission hat die Mitgliedstaaten seit 2021 wiederholt dazu aufgefordert hat, vollwertige FDI-Screening-Mechanismen einzurichten und durchzusetzen. Inzwischen hat auch die überwiegende Mehrheit (22 von 27) der EU-Mitgliedstaaten einen FDI-Screening-Mechanismus.
Der Verordnungsentwurf führt eine Reihe von Mindestanforderungen ein, die die nationalen FDI-Screening-Mechanismen erfüllen müssen, um die Prüfung ausländischer Investitionen in der gesamten Europäischen Union zu harmonisieren. Verfahrenstechnisch umfasst dies die Sicherstellung der Prüfung potenziell kritischer Transaktionen vor deren Abschluss, den Schutz vertraulicher Informationen sowie die jährliche Berichterstattung über die Prüfungstätigkeiten. Der Verordnungsentwurf führt außerdem eine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten ein, gerichtliche Schritte gegen FDI-Screening-Entscheidungen zu ermöglichen.
Der Verordnungsentwurf enthält außerdem eine Liste der Sektoren, die überprüft werden müssen. Dazu gehören „kritische Technologien“, zu denen beispielsweise Halbleiter, Cloud-Computing und Biotechnologien gehören. Im Hinblick auf die inhaltliche Bewertung der Auswirkungen einer Investition auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung gehören u.a. zu den zwingenden Kriterien die Auswirkungen der Investition auf kritische Infrastrukturen, kritische Technologien, die Kontinuität der Versorgung sowie der Schutz sensibler Informationen. Den Mitgliedstaaten steht es jedoch weiterhin frei, in ihrem Hoheitsgebiet strengere Maßnahmen anzuwenden.
Sowohl nach der aktuellen Verordnung als auch nach dem Verordnungsentwurf bleiben die Mitgliedstaaten die letztendlichen Entscheidungsträger bei der Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen. Der Verordnungsentwurf gibt der EU Kommission jedoch einige Instrumente an die Hand, um die Mitgliedstaaten zum Tätig werden bei FDI-Verfahren zu animieren. Bislang müssen die Mitgliedstaaten Informationen über ihre aktuellen Fälle vorlegen und Kommentare von anderen Mitgliedstaaten und der EU Kommission einholen, die sie bei ihren Entscheidungen berücksichtigen müssen (sog. Kooperationsmechanismus). Dieser Mechanismus wird nun durch den Verordnungsentwurf eingehender definiert. In früheren Vorschriften, wurde von den Mitgliedstaaten verlangt, über alle Fälle zu informieren, die einer „formellen Prüfung“ unterzogen wurden. Einige Mitgliedstaaten meldeten jede Transaktion, andere nur Phase-II-Fälle (so auch das BMWK in Deutschland). Der Verordnungsentwurf unterscheidet nun: Phase-I-Verfahren müssen nur dann angemeldet werden, wenn die Zielgesellschaft an einem Projekt oder Programm von Unionsinteresse teilnimmt oder in einem Bereich tätig ist, in dem eine Genehmigungspflicht besteht, und der Investor entweder von einer Regierung eines Staates kontrolliert wird oder Sanktionen unterliegt. Darüber hinaus müssen alle Phase-II-Verfahren dem Kooperationsmechanismus gemeldet werden.
Nach ihrer Entscheidung im Rahmen des Kooperationsmechanismus müssen die Mitgliedstaaten künftig begründen, warum sie den Empfehlungen der anderen Mitgliedstaaten oder der EU Kommission nicht gefolgt sind. Zudem können Mitgliedstaaten und EU Kommission den Kooperationsmechanismus nun aus eigener Initiative starten – auch in Fällen, in denen der Mitgliedstaat, in dem die Investition getätigt wird, sich dem Kooperationsmechanismus nicht unterworfen hat. Grundsätzlich können Kommentare und Empfehlungen zu potenziell problematischen Investitionen auch unaufgefordert abgegeben werden und müssen von den empfangenden Mitgliedstaaten berücksichtigt werden.
In der Vergangenheit kam es bei Erwerbern, die eine Freigabe der Transaktion in mehreren Mitgliedstaaten benötigten, häufig zu Komplikationen. Nun werden die Fristen und Verfahren innerhalb des Kooperationsmechanismus angeglichen. Nach dem neuen Verordnungsentwurf müssen sich die Mitgliedstaaten darum bemühen, das Verfahren und die Entscheidungsfindung in Fällen zu koordinieren, die mehreren Mitgliedstaaten gemeldet werden. Um dies zu erleichtern, sieht der Verordnungsentwurf u.a. vor, dass die Antragsteller alle FDI-Meldungen am selben Tag einreichen (und auf jede einzelne verweisen) müssen. Darüber hinaus sollten die Mitgliedstaaten die Anfragen gleichzeitig dem Kooperationsmechanismus mitteilen. Um eine effiziente Abwicklung dieser länderübergreifenden Transaktionen zu gewährleisten, sollen sich die betroffenen Mitgliedstaaten u.a. auch über die endgültige Entscheidung abstimmen. Wenn die betreffenden Mitgliedstaaten beabsichtigen, die Auslandsinvestition mit Auflagen zu genehmigen, sollten sie sicherstellen, dass diese Auflagen miteinander vereinbar sind und grenzüberschreitende Risiken angemessen berücksichtigen.
Der Verordnungsentwurf muss noch das ordentliche Gesetzgebungsverfahren durchlaufen und sowohl vom Europäischen Parlament als auch vom Rat der EU bestätigt werden. Aufgrund der bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni könnte sich der Gesetzgebungsprozess erheblich verzögern. Da die Regelungen 15 Monate nach Inkrafttreten der Verordnung gelten, darf mit den neuen Bestimmungen zur Überprüfung ausländischer Investitionen nicht vor 2026 gerechnet werden. Wir werden Sie über alle wichtigen Entwicklungen in diesem Bereich weiter informieren.
von Dr. Michael Brüggemann und Tim Hendricks
von mehreren Autoren
von Dr. Michael Brüggemann und Johannes Schaadt-Wambach, LL.M. (Prag)